Sonntag, 7. Oktober 2012

...

Das Sterben fällt vom Himmel.

TV-Tipp:

"Misery", 22 Uhr 45, SWR/SR

Der Wahnsinn in deinen Augen


Es gibt eine Welt ohne Vergangenheit und Zukunft. Sie ist die eigentliche Welt.
Statt Milchstraßen sehe ich Augen im Universum. Einen ganzen Augensee. Die Pupillen sind Löcher zu anderen Dimensionen. Oder jede Galaxie ist ein Bahnhof. Nur kein Schwein kann die Fahrpläne entziffern. Ich stehe gern auf Bahnsteigen und wundere mich über all die Menschen, die ein- und aussteigen. Warum muss ich jetzt an Marmelade denken? Ich esse schon lange keine Marmelade mehr. Vielleicht weil sie so klebrig und süß ist. Hass ist auch süß. Liebe dagegen bitter.
Ja, genau: man sagt auch: Rache ist süß. Oktober. Es ist mal wieder Oktober. Die Zeitrechnung der Menschen, jedenfalls der in unserer Gegend, schreibt das Jahr 2012. Vor zwölf Jahren wollte ich in Australien sein und Kängurus züchten. Australien war in Jugendjahren mein Lieblingsauswanderungsland. Beuteltiere faszinieren doch irgendwie, oder nicht? Wir hatten damals in den Siebzigern Angst vor einem Atomkrieg, und darum träumten mein Jugendfreund Peter und ich, dass wir, bevor es dazu käme, so weit weg wie möglich sein sollten. Wir spielten Schach auf seinem Bett und hörten Black Sabbath. Meistens gewann Peter. Er machte eine Banklehre und ist inzwischen Filialleiter. Wir verloren uns aus den Augen. Ich stelle ihn mir als Familienvater vor. Klar, würde ich ihn wiedererkennen. Eines Tages werde ich ihn wiedertreffen wie all die anderen. Genau – in der Welt ohne Vergangenheit und Zukunft. Nach dem Atomkrieg. Wie auch immer. Keine Spur verweht. Das Universum ist ein Mega-Gedächtnis. Und wir sind nichts als Kondenstropfen an seiner Peripherie. Peter und ich spielten im Sommer gern Minigolf und aßen Cola-Eis. Auch im Minigolf war er meist besser als ich. Ich weiß nicht, was uns verband. Wahrscheinlich war es Black Sabbath. Außerdem gewöhnt man sich an Freunde. Man braucht sie. Warum Liebe bitter ist? …
Weil sie so furchtbar schön ist. Alles was schön ist, wird bitter. Wenn ich z.B. in den Sternenhimmel schaue, muss ich manchmal weinen. Vor allem, wenn ich dabei an die Liebe denke. Als wäre die Welt wie ein Wattebausch durchdränkt von Liebe. Das ist freilich nur Einbildung. Das Universum lässt allerlei Platz für Einbildungen. Geld ist ein Beispiel dafür, wie sich Einbildung materialisiert.
Peter erkannte den Nutzen, den man daraus ableiten kann, und machte darum eine Banklehre. Für mich dagegen blieb Geld immer nur Mittel zum Zweck. Sozusagen ein notwendiges Übel. Davon gibt es eine ganze Menge: Autos, Politiker, Kondome, Finanzämter, Schweinefleisch aus Massentierhaltung etc.
Wenn ich einem Menschen in die Augen schaue, wohin schaue ich da eigentlich? Bei manchen Menschen, wie z.B. meine Chefin im Altenheim, traue ich mich gar nicht genau hinzusehen. Es ist äußerst unangenehm. Ich kann es schwer beschreiben – es ist ein großer Unmut. Auch Abscheu. Ich habe dann Angst, zu viel zu sehen. Als würde ich in diese Person eindringen …
Könnte ich es ertragen, in meine eigenen Augen zu schauen? Ich meine, nicht so oberflächlich wie beim Rasieren vorm Spiegel.
Wahnsinn.

ein literarisches Tagebuch

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