Der Wahnsinn in deinen Augen


Es gibt eine Welt ohne Vergangenheit und Zukunft. Sie ist die eigentliche Welt.
Statt Milchstraßen sehe ich Augen im Universum. Einen ganzen Augensee. Die Pupillen sind Löcher zu anderen Dimensionen. Oder jede Galaxie ist ein Bahnhof. Nur kein Schwein kann die Fahrpläne entziffern. Ich stehe gern auf Bahnsteigen und wundere mich über all die Menschen, die ein- und aussteigen. Warum muss ich jetzt an Marmelade denken? Ich esse schon lange keine Marmelade mehr. Vielleicht weil sie so klebrig und süß ist. Hass ist auch süß. Liebe dagegen bitter.
Ja, genau: man sagt auch: Rache ist süß. Oktober. Es ist mal wieder Oktober. Die Zeitrechnung der Menschen, jedenfalls der in unserer Gegend, schreibt das Jahr 2012. Vor zwölf Jahren wollte ich in Australien sein und Kängurus züchten. Australien war in Jugendjahren mein Lieblingsauswanderungsland. Beuteltiere faszinieren doch irgendwie, oder nicht? Wir hatten damals in den Siebzigern Angst vor einem Atomkrieg, und darum träumten mein Jugendfreund Peter und ich, dass wir, bevor es dazu käme, so weit weg wie möglich sein sollten. Wir spielten Schach auf seinem Bett und hörten Black Sabbath. Meistens gewann Peter. Er machte eine Banklehre und ist inzwischen Filialleiter. Wir verloren uns aus den Augen. Ich stelle ihn mir als Familienvater vor. Klar, würde ich ihn wiedererkennen. Eines Tages werde ich ihn wiedertreffen wie all die anderen. Genau – in der Welt ohne Vergangenheit und Zukunft. Nach dem Atomkrieg. Wie auch immer. Keine Spur verweht. Das Universum ist ein Mega-Gedächtnis. Und wir sind nichts als Kondenstropfen an seiner Peripherie. Peter und ich spielten im Sommer gern Minigolf und aßen Cola-Eis. Auch im Minigolf war er meist besser als ich. Ich weiß nicht, was uns verband. Wahrscheinlich war es Black Sabbath. Außerdem gewöhnt man sich an Freunde. Man braucht sie. Warum Liebe bitter ist? …
Weil sie so furchtbar schön ist. Alles was schön ist, wird bitter. Wenn ich z.B. in den Sternenhimmel schaue, muss ich manchmal weinen. Vor allem, wenn ich dabei an die Liebe denke. Als wäre die Welt wie ein Wattebausch durchdränkt von Liebe. Das ist freilich nur Einbildung. Das Universum lässt allerlei Platz für Einbildungen. Geld ist ein Beispiel dafür, wie sich Einbildung materialisiert.
Peter erkannte den Nutzen, den man daraus ableiten kann, und machte darum eine Banklehre. Für mich dagegen blieb Geld immer nur Mittel zum Zweck. Sozusagen ein notwendiges Übel. Davon gibt es eine ganze Menge: Autos, Politiker, Kondome, Finanzämter, Schweinefleisch aus Massentierhaltung etc.
Wenn ich einem Menschen in die Augen schaue, wohin schaue ich da eigentlich? Bei manchen Menschen, wie z.B. meine Chefin im Altenheim, traue ich mich gar nicht genau hinzusehen. Es ist äußerst unangenehm. Ich kann es schwer beschreiben – es ist ein großer Unmut. Auch Abscheu. Ich habe dann Angst, zu viel zu sehen. Als würde ich in diese Person eindringen …
Könnte ich es ertragen, in meine eigenen Augen zu schauen? Ich meine, nicht so oberflächlich wie beim Rasieren vorm Spiegel.
Wahnsinn.

Lange-Weile - 07. Okt. 12, 16:23

wieder mal ein Spichwort

Gegensätze ziehen sich an und doch liegen sie eng beieinander
wie zb.
Liebe und Hass oder
Genie und Wahnsinn.

Warscheinlich sind die Grenzen zwischen ihnen diffus und man bekommt den Wechsel ganr nicht mit.

Wie schnell kann aus Liebe Hass werden und vielleicht gleitet das Genie schneller in den Wahnsinn ab, als man denkt.

Der Mensch hat eine große Palette von Möglichkeiten, auf denen er sich positionieren kann. Ob die Augen den wahren Platz verraten, wage ich zu bezweifeln, egal wie tief man sieht. Und dann stellt sich die Frage, die du dir auch stellst, will man das überhaupt wissen? Vielleicht werden einige von Ihnen vor unseren Augen zu Monstern ;-)

LG LaWe

bonanzaMARGOT - 07. Okt. 12, 16:31

gegensätze ziehen sich deswegen an, weil sie sich bedingen.
es gibt nun mal keinen berg ohne ein tal. und umgekehrt. wie wir tal und berg allerdings werten, das obliegt unserem geist.

ja, es gibt übergänge. oder grenzen. manchmal hart und manchmal schleichend.

was für den einen tief ist, ist für den anderen noch flach.
die kreaturen ordnen sich physisch wie psychologisch quasi von selbst. solange die schnittmengen groß genug sind, dürfen wir auf frieden hoffen und eine bessere welt im blick haben.
bonanzaMARGOT - 07. Okt. 12, 16:41

monster sind wir alle. mehr oder weniger. das bewusstsein macht uns zu monstern. ganz selbstverständlich. das ist auch die aussage des romans "frankenstein". das künstliche monster hält den menschen, welche es verurteilen und töten wollen, den spiegel vor: "ihr seid die eigentlichen monster!"
und dies ist eine wahrheit.
dies ist vielleicht sogar die wahrheit, die wir am liebsten leugnen, obwohl wir tagtäglich durch kriege und folter damit konfrontiert werden ...
warum gibt es noch guantanamo?
Lange-Weile - 07. Okt. 12, 16:51

paradox...

..ja..die Frage stelle ich mir auch...Warum gibt des Guantanamo immer noch? Als Absschreckung für den Nachwuchs des Terrors.

Paradox ist es überhaupt..das das brutale Gefangenlader der Amis auf dem sozialistischen Boden von Cuba zu finden ist. Die Cubaner bekommen dafür Geld und dafür können die Amis fern der Heimat Menschen foltern und wie Vieh halten. Sie Amis lieben diese kleinen und größen Höllen für Straffällig. Die Todestrafe gehört dazu, obwohl sie nachweislich die Menschen Kraft der Abscheckung nicht besser gemacht hat.

Also geht es um Rache und nichts weiter und die Rache lässt den Menschen wieder zu Monstern werden. Davor ist auch der kleine Mann nicht ganz gefeiht

LG LaWe

bonanzaMARGOT - 07. Okt. 12, 17:11

die rache. ich weiß nicht. nein, ich glaube nicht, dass die rache einen menschen zum monster macht. die bürokratie ist ein viel größeres monster als die rache. und ein noch größeres monster ist das gesicht des krieges.
die rache ist nur ein pups. ein furz halt. monster wird man erst, wenn man etwas ideoligisiert. so stalinmäßig. oder hitler. oder du. oder ich, der den typen, dessen schnauze mir nicht gefällt, totschlägt. ich weiß noch nicht mal, dass ich ein monster bin. ich glaube, dass ich das richtige machte, weil ...
ich ein eingebildetes arschloch bin.
und weil die verdammten protestanten in irland mich ständig provozieren, bringe ich einen von diesen mistkäfern um!
dasselbe lässt sich auf regionen wie im nahen osten projezieren. juden gegen palästinenser. und es gibt noch viele solcher orte.
sie sind alle monster und wissen es nicht, weil ihnen kein spiegelbild vorgehalten wird.
bonanzaMARGOT - 07. Okt. 12, 17:22

apropos todesstrafe: jeder, der die todesstrage befürwortet, gehört sofort todesgestraft.
nein - natürlich nicht. ich würde ihn begnadigen.
bonanzaMARGOT - 07. Okt. 12, 17:27

das monster war frankenstein. und nicht sein monster.
bonanzaMARGOT - 07. Okt. 12, 17:38

scheiße, jeder kapiert es - man las ja auch dingsbums von goethe. ich frage mich dooferweise, warum "faust" nur gewalttätig ausgelegt wird. ich reibe meine nase. und ich sage: "ihr seid wichser!"
nein - echt - ihr seid wichser.
ihr seid die menschheit.
bonanzaMARGOT - 07. Okt. 12, 17:43

ich mag goethe nicht besonders. "faust" aber schon.
ich mag auch nicht jesus christus. dingsbums. aber ich mag die rockoper "jesus christ superstar".
ich mag die welt nicht, aber ich lebe gern.
ganz gern.
lass deinen drachen steigen - singen die puhdys.
nicht mal übel.

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