Horror-Müdigkeit
Die Müdigkeit kam über mich wie ein kalter Nebel. Sie umschlich erst nur meine Füße und Beine und kroch dann hoch zum Kopf. Ich verlor das Zeitgefühl. Die Augen schmerzten. Zwischendurch schreckte mich der Schwesternruf aus wirren Träumen im Halbschlaf hoch. Wie in Trance wandelte ich durch die Stationsflure. Automatisch verrichtete ich meine Arbeit: legte Urinflaschen an, schob Steckbecken unter Gesäße und wechselte Windeln. Ich konnte mir dabei zuschauen. Jedes sich über ein Bett beugen wurde zur Qual. Am Liebsten hätte ich lauthals losgeschrien, um das Gespenst der Müdigkeit zu vertreiben. Immer wieder benetzte ich mein Gesicht mit kaltem Wasser oder ging hinaus auf die Terrasse in die Nacht und sog die kalte frische Luft ein, lauschte dem Atmen der Schlafenden in ihren Zimmern. Im TV lief nur Schrott, und wenn ich mich länger in den Sessel setzte, hätte mich Freddy Krüger gleich gehabt … (Ein guter Horrorfilm hält mich noch am Besten wach.)
Die Müdigkeit frisst an einem wie ein Rudel Hyänen, welches man immer wieder abwehren muss. Dabei schmerzen die Glieder und man hat das Gefühl, man träge eine Zentnerlast mit sich herum.
Gestern Nacht war es mal wieder brutal. (...) Und plötzlich war es Morgen. Die Kollegen und Kolleginnen liefen langsam ein. Ich schaute auf die Uhr: keine Stunde mehr, und ich würde an der Bushaltestelle stehen. Es war noch dunkel draußen. Nach der Übergabe, die Gott sei Dank kurz ausfiel, gingen die Kollegen und Kolleginnen auf die Terrasse eine rauchen. Ich machte mich eiligst vom Acker. „Geschafft“, dachte ich nur. Der Mond hing wie eine riesige gelbe Orange im Westen.
bonanzaMARGOT
- 01. Okt. 12, 17:21
- Nach der Nachtwache ist vor der Nachtwache