Bis zur letzten Kopie
Die Zeit ist eine Maschine – eine riesige Kopiermaschine. Nur sind die Kopien nicht perfekt. Sie werden nach und nach brüchig, undeutlich und vergilben. Ich wache auf als mein eigener Klon. Wieder einen Tag älter. Der Weg durch die „Zeitmaschine“ verschleißt mich. Ja, ich meine, dass ich ich bin, obwohl ich es de facto nicht bin. Ich bin das Abbild eines Ichs, was vor vielen Jahren entstand. Ich erinnere mich nicht. Wie nahm es seinen Anfang? Gab es überhaupt ein Original?
Ich schaue mich um. Die „Zeitmaschine“ schluckt einfach alles. Sie funktioniert nicht nur als Kopierautomat sondern auch als eine Art Zerkleinerungs- oder Unordnungsmühle. Alles wird langsam in Kreisläufen zermahlen. Die Welt zerfiele zum Chaos, wenn es nicht wieder ordnende Kräfte gäbe. Das Leben ist eine solche Kraft. Ich darf leben. Ich brenne. Im Gleichgewicht der Elemente: Feuer, Wasser, Erde, Luft. Aber unweigerlich nagt die Zeit an mir. Die Zeit verschlingt alles. Wenn man hinter das Geheimnis ihrer Maschinerie käme …, - würden die Nebelschleier um unser Dasein plötzlich aufreißen? Und was würden wir dahinter erblicken? Gott? Oder noch eine mächtigere Maschine?
Ein Tag vergeht. Die Alten erlebe ich in der Nacht. Sie sind dem Tod näher, und sie wissen es. Das Leben zerfällt. Es ist nicht immer schön zu sehen. In der Nacht kommt mir das Altenheim vor wie ein Geisterschiff. Und ich bin der Wächter. Die alten Seelen sind oft unruhig. Ich behüte ihren Schlaf. Leben und Tod berühren sich, betasten sich … Der Wind bläst eine Flamme nach der anderen aus.
besonders "stark" finde ich das bild des wächters auf dem geisterschiff. dieses bild ist so aussagestark und kräftig, daß man es fast greifbar vor augen hat.
hat mich sehr berührt.
danke mico