Nach der Wahl ist vor der Wahl
Gestern erhielt ich per Post die Wahlbenachrichtigung für die Wahl zum Deutschen Bundestag am 22. September 2013. Dies ist einer der seltenen Momente, wo ich mich als Bürger einer Demokratie fühle. Ich darf bewusst am demokratischen Prozess einer Bundestagswahl teilnehmen. Ich werde mit einem Kreuzchen – nein, mit zwei Kreuzchen – mitentscheiden, welche politischen Verhältnisse in Deutschland nach dem 22.09. herrschen werden. Dazu steht ein barrierefreier Wahlraum in meiner Nähe zur Verfügung. Dummerweise fällt der Wahltermin in einen einwöchigen Urlaub, wo ich wahrscheinlich verreist sein werde. Also fordere ich einen Wahlschein mit Briefwahlunterlagen an.
Sicher wird meine Stimme nichts am Wahlergebnis ändern, welches leider schon so gut wie festzustehen scheint. Ich könnte meinen Wahlzettel ebenso gut in den Papierkorb schmeißen. Doch wenn nun alle so dächten … Manchmal muss man einen Kampf bis zum Ende durchstehen, auch wenn man offensichtlich verlieren wird. So was oder ähnliches denkt sich vielleicht Herr Steinbrück, der ja ein intelligenter Mann ist. Bei solch klaren Verhältnissen will gar keine rechte Wahlstimmung aufkommen. Es ödet einen an wie ein Boxkampf, bei dem die Sache im Voraus klar ist. Wir dürfen uns lediglich daran ergötzen, wie der Verlierer sich über die Runden quält und dabei noch versucht, Siegesgewissheit auszustrahlen. Anders als beim Boxkampf ist ein vorzeitiges K.O. ausgeschlossen.
Frau Merkel indes kann relativ ruhig der Wahl entgegensehen. Es ist nur noch ein Monat hin, und ich kann angesichts des zu erwartenden Ergebnisses noch nicht mal eine besonders negative Erregung verspüren. Alles kommt, wie es kommen muss. Die Menschen sind längst abgestumpft. Frau Merkel hat sie eingelullt. Beinahe könnte man annehmen, die Deutschen wären von ihrer Art in gewisser Weise hypnotisiert. Sie wirkt mit ihrer unprätentiösen Haltung ungeheuer souverän. Außerdem repräsentiert sie deutschen Fleiß, Ordnungssinn und Durchsetzungskraft. Selten kommt der Eindruck auf, dass sie eine Lage nicht im Griff hat. Nach dem Motto: Merkel gut – alles gut.
Mir wäre selbstverständlich eine rot-grüne Koalition an der Regierung lieber. Einen sehr großen Unterschied zu schwarz-gelb sehe ich allerdings kaum noch. Drum wähle ich lieber eindeutig links.
Man darf es den deutschen Spießern nicht zu leicht machen.
Tja, da liegt sie - die Wahlbenachrichtigung - auf meinem Schreibtisch. Am liebsten würde ich sie zu einem Papierflieger falten und aus dem Fenster werfen. Ich kann gute Papierflieger falten. (Den Wahlschein beantragte ich gerade.)
Am Besten fliege ich über die Wahlen nach Ibiza oder woanders hin, wo es schön warm ist, und wo ich ein paar Knackärschen hinterherschauen kann. Wenn ich dann zurückkomme, bin ich wenigstens nicht blass. Ein langer, kalter Winter liegt vor uns.
bonanzaMARGOT
- 20. Aug. 13, 14:02
- Sonstiges zur Diskussion
Hat man überhaupt die Wahl?
Irgendwie hoffe ich doch noch auf ein gutes Ende. Für mich gibt es noch einen Unterschied zwischen Rot-Grün und Schwarz-Gelb. Zumindest hoffe ich, dass das sozial noch etwas bedeutet. Umso enttäuschter war ich, dass der Gastwirt am Wochenende mit "Und wenn jetzt noch die SPD das Sagen hat, kann ich den Laden gleich dicht machen" die Diskussion bereits im Vorfeld beendete. Bedeutet eine soziale Regierung, dass Selbständigkeit - die ja anscheinend bereits jetzt nur noch halb so lohnenswert ist, wie sie erscheint - ein Ende findet?
Und am Ende bleibt wohl doch nur, wer die Wahl hat - hat die Qual.
Die Linken mögen noch keine reife, regierungsfähige Partei sein, aber ihre Thesen und Programm entsprechen am ehesten meiner Vorstellung. Alle Politiker müssen mir dabei nicht grün sein. Damals, als die Grünen noch nicht so sehr von den Realos bestimmt waren, wählte ich grün.
Inzwischen sind mir die Grünen zu angepasst
Und die SPD ist immer nur dann interessant, wenn sie gute und charismatische Führungspersönlichkeiten aufstellen kann.
Leider gab es die in den letzten ca. 10 Jahren nicht oder kaum.
Steinbrück mag ganz okay sein, wenn man ihn privat kennt, aber für eine Kanzlerkandidatur ist er eine Fehlbesetzung ... von Anfang an gewesen.
Aber je mehr ich mich immer mit einem oder mehreren Wahlprogrammen der Parteien beschäftige, desto mehr finde ich meistens, was mich abstößt anstatt anzieht. Und am Ende bleibt dann eh nur das kleinere Übel.
Als Alternative sehe ich nur den Sozialismus, der leider durch die Verbrechen seiner Diktaturen ein schlechtes Image hat.
Der eigentlichen Idee des Sozialismus wird darum zu wenig Beachtung geschenkt. Stalin hat sie verhunzt.
Es wird noch ein paar Generationen dauern, bis die Menschen verstehen, worum es geht. Dann allerdings kann es schon zu spät sein.