Bier ist im Großen und Ganzen immer noch Bier


Egon Bahr im Interview – lebendige Geschichte. Ein halbes Jahrhundert. Was ist schon ein halbes Jahrhundert? Wie viele tausend Jahre existiert der Mensch schon? Ich frage mich, warum der industrielle Fortschritt gerade aus dem Spätmittelalter in Europa erwuchs. Es war vielleicht der rationale Geist der Aufklärung, welcher der Wissenschaft und der Ingenieurskunst den nötigen Nährboden für den Quantensprung in die Moderne bereitete. Eine Lawine kam ins Rollen, die in zweihundert Jahren das Gesicht der Welt vollständig veränderte. Und die Lawine rollt weiter. Noch nie musste der Mensch innerhalb weniger Generationen so viele Veränderungen in seinem Lebensraum, in Kultur und Politik mitmachen und verarbeiten. Nun bin ich alt genug, um selbst einige Jahrzehnte zurückzudenken, und staune, was sich alles tat – nicht alles nach meinem Geschmack. Nur wenige Sachen blieben gleich: Bier ist im Großen und Ganzen immer noch Bier. Und ein Wald ist immer noch ein Wald, obwohl immer mehr Natur vom Menschen zerstört wird.
Wie soll man sich die Zukunft der Menschheit auf der Erde vorstellen, wenn die Entwicklung derart rasant weiter verläuft? Damit meine ich die Technisierung, die Ausbeutung der Erde, den Bevölkerungswachstum, das Auseinanderdriften von Arm und Reich, die kulturellen Verwerfungen … Befindet sich die Menschheit titanic-like auf Eisbergkurs, oder kriegt sie noch die Kurve?
An einem sonnigen Sonntag wie heute will ich gern glauben, dass alles weiterläuft wie gehabt: dass die Menschen sich immer wieder nach Kriegen und Katastrophen aufrappeln, dass das Ökosystem nicht kollabieren wird, dass die Fortschritte in Technik und Medizin uns aus der Predouille helfen werden. Wenn ich die Dokumentationen im TV verfolge, denke ich: Wir wissen doch alles, wir kennen die Gefahren und Fehler; und wir wissen sogar, was wir machen müssten, um unsere Zukunft auf der Erde sicherer, menschlicher und im Einklang mit der Natur und unseren Mitgeschöpfen zu gestalten. Setzt sich die Vernunft durch? Oder siegt das kapitalistische Wachstumsdenken, das dem Turmbau zu Babel gleicht? Jeder mag diese Fragen für sich (ehrlich) beantworten – schaut euch einfach um, reflektiert euer eigenes Leben hinsichtlich des Konsums und des Mülls, den ihr hinterlasst, hinsichtlich der motorisierten Mobilität, hinsichtlich der Dinge, die euer Leben ausmachen.
Ich fühle mich erschlagen von der Entwicklung, die die Menschheit nimmt. Beim besten Willen (trotz sommerlichen Sonnenscheins) kann ich keine positive Prognose für ihre Zukunft abgeben. Wir gingen einen faustischen Pakt ein, - verpfändeten unsere Seele. Aber für was? Dafür, dass wir in Supermärkten billig einkaufen können, - dann den letzten Dreck in Dosen fressen und Klamotten tragen, die durch Kinderarbeit hergestellt wurden? Dafür, dass wir in überdimensionalen Blechbüchsen herum rasen dürfen … auf Straßen, die die Landschaft durchschneiden und verschandeln? Dafür, dass der Strom aus der Steckdose kommt – und der Preis sind riskante Atommeiler und die Ausbeutung von Rohstoffen wie Erdöl, Erdgas und Kohle? Dafür, dass wir täglich Fleisch auf dem Teller haben und darum die Grausamkeiten der Massentierhaltung tolerieren? And so on.
Nein, ich bin nicht verrückt. Die Welt um mich herum spielt total verrückt. Es gibt keinen Weg zurück. Wir sind verdammt zur Hybris. Wahrscheinlich liegt diese bereits in der Natur des Menschen begründet. Der Teufel musste immer nur auf den richtigen Moment warten, um uns zu verführen. Man muss den Teufel aber gar nicht ins Spiel bringen. Ich behaupte, dass der Mensch für das Ökosystem Erde etwas wie eine Krankheit ist: ein Krebs oder ein beschissener Hautausschlag.

Sowieso sind wir nur Sternenstaub, und unser Geist reicht viel zu kurz, um das Universum in seiner fantastischen Vielgestalt und Größe zu verstehen. Ein Blick durchs Schlüsselloch wurde uns gewährt. Es ist ziemlich unanständig, was wir sehen (wenn wir denn hingucken) – dass wir nämlich überhaupt keine Rolle spielen.

KarenS - 11. Aug. 13, 14:17

Die ganze Menschheit ist an der Misere beteiligt. Und somit spielen wir sogar eine verdammt große Rolle.

bonanzaMARGOT - 11. Aug. 13, 14:25

der letzte abschnitt meines beitrag bezog sich auf den universellen maßstab.
natürlich wäre es wünschenswert, wenn die menschen einheitlich die globale, von ihnen zu einem guten teil selbst verursachte misere, bekämpfen. nur glaube ich nicht daran.
der mensch hat aktuell weder die seele noch das bewusstsein, um notwendige veränderungen für sich selbst - und schon gar nicht global - durchzusetzen. stattdessen sehe ich eine wachsende zerstörung durch den menschen.

für mich ist die bedeutungslosigkeit der menschheit im universellen maßstab ein gewisser trost. es kommt eben, wie es kommt.
KarenS - 11. Aug. 13, 14:28

Ja, dem letzten Absatz stimme ich zu. Nur dem letzten Satz eben nicht...

bonanzaMARGOT - 11. Aug. 13, 14:30

glaubst du, dass der mensch im universum eine rolle spielt?
KarenS - 11. Aug. 13, 14:43

Ja, weil für mich alles einen Sinn hat. Somit auch wir Menschen.

bonanzaMARGOT - 11. Aug. 13, 14:50

ein sinn ist immer abhängig von einem rahmen. etwa wie gestalt nur bekommen kann, wenn es in eine umgebung eingebettet ist.
somit kann man allem einen sinn zuweisen - je nach z.b. dem religiösen oder sonstigem rahmen, den man dem leben gibt.
dies ist aber willkürlich und hilft uns bei der bewerkstelligung komplexer, globaler aufgaben kaum weiter - weil wir uns darüber ewig streiten können.
besser wir lassen den sinn außen vor und üben uns in angemessener bescheidenheit und demut ... wie beispielsweise die naturvölker. hinzu noch eine große brise toleranz und menschenliebe - und fertig ist die völlig sinnlose weltrettung.
KarenS - 11. Aug. 13, 14:53

Dieses Schlusswort nehme ich
gerne an. Schönen Sonntag wünsche
ich dir noch:-)

bonanzaMARGOT - 11. Aug. 13, 14:55

noch dürfen wir sonntagen. danke. dir auch.
Lange-Weile - 13. Aug. 13, 16:16

Egomanen

Hallo Bo.,

wir Menschen sind komische Wesen Es es gelingt uns nicht mit der Natur auf einen Nenner zu kommen. Anfänge (bio .. usw. )werden gemacht, aber dass ist wohl nicht mehr, als ein Tropfen auf einem heißen Stein.

Das Ego ist immer unersättlich und wird mit seiner Gier weiter als Parasit, der seinen Wirt zu Tode frisst, sein Dasein hier fristen.

Halt Stop..ich denke, vorher wird die Natur mit seinen Kräften den Menschen überrollen, ihn wieder mittellos machen und ihn wieder daran erinnern, dass er nur mit der Natur seinen Frieden finden kann.

Die in immer kürzeren zeitlichen Abständen wiederkehrenden Überschwemmungen schon in unseren Regionen zeigen, wie winzig und hilflos wir Menschen doch sind. Es bliebt uns nichts weiter übrig, als zu flüchten und tatenlos zuzusehen, wie das Hab und Gut im Wasser versinkt.

Oder die Stürme. die an Gewalt und Häufigkeit in den letzten Jahren zugenommen haben. Zwar fliegen bei uns nicht die Häuser wie in Amerika weg, doch die Zerstörung nimmt auch schon gewaltige Maße an.

Wenn man bedenkt, auf welchen ökologischen Wahnsinn die Billig- Kleider aufbauen. Nicht nur, dass die Kinder daran arbeiten oder auch so viele Menschen ausgebeutet werden. Die Ware wird von einer Ecke zur anderen Ecke von Globus geflogen, verschiff und gefahren. Wie viele Menschen leben aber wieder davon. Diese Entwicklung lässt sich nicht einfach so abbrechen, ohne das in den armen Ländern ein soziales Chaos ausbricht.

Wahrscheinlich benötigt man irgendwann eine globale Regulierungsbehörde, die alles überwacht und dafür sorgt, das alles in der wirtschaftlichen, sozialen und ökologischen Balance bleibt.

Wie weit die Menschheit in diesem Sinne fortgeschritten ist, sieht man ja. Europa verwaltet sich seid einigen Jahren - Amerika schon länger...aber das wird für die Zukunft nicht reichen. Diese Misswirtschaft mit seinen ökologischen Folgen wird immer mehr mit Flüchtlingen aus betroffenen Gebieten zu kämpfen haben. Entweder, sie lassen niemanden mehr ins Land - aber damit ist das globale Problem der verarmten Länder nicht gelöst. Oder es wird zu Spenden aufgerufen oder die reichen Länder müssen eine Menge Kohle in die verarmten Länder abgeben, damit die Flüchtlingswelle wieder abebbt.

Man sieht, indirekt zahlt der Steuerzahler auch für die Folgen der ökologischen Misswirtschaft, die vom Kapital immer wieder neu installiert wird, damit die Dividenden in die Taschen der Geldsäcke fließen.

Ich denke, bevor der Mensch zu einem echten Naturwesen wird, wie man es auch der Tierwelt kennt, wird er in seiner evolutionären Entwicklung wohl mehr als einmal am Abgrund stehen müssen. Momentan ist er fasziniert von den technischen Möglichkeiten, die der menschliche Geist jährlich neu in die Welt setzt.

Wir Blogger profitieren davon - Internet. Auch wenn wir die Leitungen nicht sehen, sie liegen sogar am Grund der großen Meere.

Ich bin mir nicht sicher, ob ich den Menschen es zutrauen würde, all diese Schwierigkeiten zu überwinden, die sich gegenwärtig weltweit aufzeigen.
Hat er wirklich die Fähigkeit und die Kraft dazu, das Ruder so weit rumzureißen, dass die Entwicklung in eine andere Bahn gelenkt werden kann?

LG LaWe


bonanzaMARGOT - 13. Aug. 13, 16:49

eine abschließende prognose will ich auch nicht abgeben. ich kann nur schreiben, was ich dazu fühle und denke. seit jahren sehe ich eher schwarz für die menschheit. die entwicklung geht zu immer mehr konsum, materialismus, kapitalismus und oberflächlichkeit. die wenigen gegenströmungen und gegenmaßnahmen reichen zum kurswechsel nicht aus. auch sind wir menschen viel zu uneins.

vor vielen jahrtausenden waren wir noch weit mehr "naturwesen".
wenn wir nicht besser mit dem planeten umgehen, auf dem wir leben, werden wir früher oder später die quittung für unsere egomanie bekommen.

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