Gute Nacht


Wieder eine Nacht geschafft! Ich hangel mich von Tag zu Tag, von Nacht zu Nacht. Dabei könnte ich kotzen. Ich verdarb mir den Magen. Nicht vom Essen. Von einem Mensch. Menschen können einem ganz schön auf den Magen schlagen. Dabei gibt es schwerere und leichtere Fälle. Diesmal erwischte es mich mittelschwer bis schwer, würde ich sagen. Es ist schon einige Jahre her, dass mir allein schon beim Gedanken an einen speziellen Menschen die Galle hochkommt. Jedes Wort, das dieses Individuum absondert, bewirkt bei mir tatsächlich körperliches Unwohlsein und Brechreiz, dabei, man stelle sich das vor, liebte ich es! Ich liebte es sogar sehr.
Zum Vergleich: Meine Mutter machte damals, ich war Teenager, einen köstlichen Reissalat mit Mayonnaise, Gurke und Ei. Der wurde erst richtig gut, wenn er einen Tag stand. Ein solcher Salat muss erst ein Weilchen ziehen, bis er seinen Geschmack entfaltet, sagte meine Mutter. Ich konnte gar nicht genug davon kriegen. Doch dann kam das dicke Ende. Ich kotzte alles wieder aus und fühlte mich unbeschreiblich elend. So elend, als hätte ich `ne Alkoholvergiftung. Ich hatte mir gründlich den Magen verdorben. Seitdem kann man mich mit Reissalat jagen. Dabei war er ein echtes Lieblingsessen gewesen.
Ähnlich kann man sich das mit einem Menschen vorstellen. Was man eigentlich liebte, verwandelt sich in Gift. Widerlich. Ekelhaft. Wenn ich nur die Gedanken an diesen Menschen abstellen könnte. Würg. Ich hätte mir lieber den Magen an einer Meeresfrüchte-Pizza oder an einer Pferdefleisch-Lasagne verdorben. Nach ein, zwei Tagen geht es einem wieder besser, und die Angelegenheit ist gegessen – im wahrsten Sinne des Wortes. Bei Menschen gestaltet sich die Genesung langwieriger. Das Problem ist, Menschen kann man nicht einfach auskotzen. Man muss warten, bis sie sich im Kopf, in der Erinnerung verflüchtigt haben; bis sie unter ferner liefen abgebucht sind.
Hätte ich damals gewusst, dass der Reissalat verseucht ist, hätte ich ihn freilich nie genossen. Tja, und so ging es mir mit besagtem Individuum. Die Verseuchung sieht man einem Menschen meist nicht an. Man riecht sie auch nicht. Und das Verflixte ist, umso lieber man den Menschen hat, desto elender geht es einem danach. Auch die Liebe lässt sich schlecht auskotzen. Ich fühle mich echt beschissen. Scheußlich.
...
Die Augendeckel werden schwer. Ich haue mich in die Koje. Vorsichtshalber stelle ich mir eine Schüssel an den Bettrand.

nora (Gast) - 20. Feb. 13, 08:36

das sind die ganz normalen stadien, wenn man "abserviert" wurde. du musst da jetzt noch durch, danach ist es vorbei und du siehst es als das, was es wirklich war: eine - hoffentlich - schöne zeit.
kopf hoch und alles gute!

bonanzaMARGOT - 20. Feb. 13, 14:42

ich kenne die stadien gut, nora.
abserviert wurde ich nicht. wie ich es schrieb, verdarb ich mir den magen an dem menschen. momentan ist mir einfach nur schlecht.
wenn man sich richtig den magen verdirbt, bleibt die abneigung ein leben lang. mir wird auch von den "schönen zeiten" übel - sogar besonders übel.
montez - 20. Feb. 13, 09:08

Geht manchmal lang, aber geht vorbei.

bonanzaMARGOT - 20. Feb. 13, 14:44

stimmt. geht vorbei. bis zum sommer habe ich hoffentlich das gröbste hinter mir.
montez - 20. Feb. 13, 15:24

Für das Gröbste habe ich ein Jahr gebraucht. Bis der Hass dann ganz weg war, noch mal drei Monate. Inzwischen (zwei Jahre) fange ich nicht mehr an zu heulen, wenn ich was höre, lese, sehe.
bonanzaMARGOT - 20. Feb. 13, 15:38

na, du machst mir mut.
die schlimmste trennungserfahrung erlebte ich mit dreißig. da zerbrach eine fünfjährige beziehung - und eine wirklich große liebe. ich brauchte damals auch in etwa zwei jahre, - um ihren anblick zu ertragen und wieder unbefangen mir ihr reden zu können.
diesmal wird es mir durch die große distanz etwas leichter gemacht. und außerdem waren wir gerade mal sieben monate zusammen. trotzdem sitzt der stachel tief.
ich hoffe halt, dass es mir nicht den sommer versaut ...
Nora (Gast) - 20. Feb. 13, 16:30

es liegt natürlich auch an dir, wie lange das dauert. am besten wäre, du schlagst ein ei drüber und wendest dich etwas anderem, neuem zu.
im grunde ist es nämlich schade, seine energie in diese art vergangenheit zu investieren.
Nora (Gast) - 20. Feb. 13, 16:33

habe das "@bo" am anfang des kommentars vergessen

montez - 20. Feb. 13, 16:59

Leider kann man das nur so mittel beeinflussen.

Und es geht wohl auch oft weniger darum, "seine energie in diese art vergangenheit zu investieren", als einen Verlust zu betrauern. Da tun sich die Menschen unterschiedlich schwer.

Ich habe keine Ahnung, worum es hier geht, ich denke ungerechte und unangemessene Gefühle für den Anderen sind immer dabei, wenn man verlassen wird. Und dann kommt der Tag, an dem man gleichgültig wird. Guter Moment, wenn man loslassen kann.
bonanzaMARGOT - 20. Feb. 13, 17:21

@ Nora

Danke für den gutgemeinten Ratschlag ...
Bist du frei?
bonanzaMARGOT - 20. Feb. 13, 17:30

Ich wurde nicht verlassen, Montez.
Die Trennung ergab sich aus einem Gefühl der Ausweglosigkeit und Enttäuschung.
Mit tut es inzwischen um die Energie leid, die ich in die Beziehung investierte. Es ergibt sich ein Gefühl wie: Es war die Mühe nicht wert.
Nora (Gast) - 20. Feb. 13, 17:43

@bo, ich bin frei und ich genieße bis auf weiteres diesen zustand. ;)
falls bei dir das gefühl der enttäuschung vorherrscht, könntest du auch das "positiv" sehen: du bist einer täuschung enthoben worden.
(ich war übrigens auch schon sehr verletzt. aber wenn ich jetzt daran zurückdenke, tut es mir leid um die zeit, die ich damals durch selbstmitleid undsoweiter verloren habe. und ja: rückblickend gesehen war es die mühe nicht wert.)
bonanzaMARGOT - 20. Feb. 13, 18:05

Nora, zu viel Selbstmitleid reißt einen freilich runter. Ansonsten gehört Selbstmitleid zum Gefühlshaushalt eines gesunden bzw. normalen Menschen.
Der Verstand kann einiges, er kann vor allem ganz gut Worte verdrehen und Gefühle leugnen oder hinbiegen.
Das war nie mein Ding. Ich vertraue meinem Bauchgefühl.
Ich bin nicht nur vom anderen enttäuscht sondern auch von mir. Es fuchst mich, dass ich an diese Liebe glaubte.
Nora (Gast) - 20. Feb. 13, 18:20

finde ich auch nicht gut. sei lieber nett zu dir, irren ist menschlich. ;)
montez - 20. Feb. 13, 18:28

Im strengen Sinne bin ich auch nicht verlassen worden. Dennoch war ich voller Enttäuschung , Bitterkeit und Wut. Habe viel Zeit mit Bereuen und Bedauern verbracht. Ich glaube nicht, dass ICH das hätte abkürzen können.

Inzwischen hab ich ihm verziehen und er kann mein Inneres nicht mehr vergiften. Ha.
bonanzaMARGOT - 20. Feb. 13, 18:28

@ Nora

Klar, ich hätte an ein noch größeres Miststück geraten können.
Ich verliebe mich zu schnell. Bin dahingehend anfällig.
Da sind Irrtümer vorprogramiert.
bonanzaMARGOT - 20. Feb. 13, 18:38

Montez, ich konnte eigentlich allen Ex-Beziehungen verzeihen. Viele verschwanden im Orkus der Erinnerung, und mit ein paar wenigen konnte ich sogar Kontakt halten.
Ab und zu beschlafe ich sie - nein! Lach! Natürlich nicht. Sowas geschieht ganz selten.
Diesmal sieht es nach lebenslanger Funkstille aus. Auch egal. Obwohl es scheiß weh tut.
Nora (Gast) - 20. Feb. 13, 19:21

@montez, ich glaube auch, dass man für SICH SELBST das bestetut, wenn man dem anderen verzeiht. denn das ist, glaube ich, die voraussetzung, dass einem der andere egal wird und man nicht mehr an ihn denken muss.
bonanzaMARGOT - 21. Feb. 13, 15:16

viele sagen, sie hätten verziehen. aber haben sie das tatsächlich?
meist heißt verzeihen doch bloß, dass man nicht mehr ständig dran denken muss - und man meint, man könne jetzt verzeihen oder hätte verziehen.
ich erlebte leider auf einer anderen persönlichen ebene, dass alte wunden wieder aufbrechen können, obwohl ich dachte, sie wären verheilt und einigermaßen ausgestanden.
es kommt auch immer darauf an, wie groß die verletzung ist.
bei größeren verletzungen ist eine art vergessen wahrscheinlicher als verzeihen. einfach normal weiter zu leben, ohne an die verletzungen zu denken, ist schon ein großer fortschritt.
aber wirklich verzeihen? never!
echt (Gast) - 21. Feb. 13, 18:00

Abgefahren, was da bei euch so abgeht. ;)
bonanzaMARGOT - 21. Feb. 13, 18:21

echt? abgefahren? wow! geil. super. arschmäßig.
Lange-Weile - 20. Feb. 13, 15:09

auf den richtigen Weg

Hallo Bo,

du weißt, dass meine Kommentare immer etwas anders auf deine virtuelle Niederschrift reagieren, als bei den meisten.

Auch wenn es dir jetzt so dreckig geht - ich möchte jetzt nicht in deiner Haut stecken - bist du auf einem guten oder sogar auf dem besten Weg. Die geliebte Person ist dir unter die Haut gegangen und hat etwas berührt, von dem du glaubtes, dass du es schon vor Jahrzehnten hattest. Nun kannst du es endlich auskotzen..ja..sogar dir die See begrabene aus dem Leib kotzen, wenn du es willst. Aber das willst du sicher nicht, obwohl es einem so vorkommen mag.

Das ist aber nicht das Gift, das dir die andere ehemals geliebte Person dir injeziert hat,was den Brechreiz erzeugt. Durch die Liebe zur anderen Person hast du dich weiter geöffnet, als du es vielleicht wollest, wars dir sogar sicher, dass du die erlaubten Berührungspunkte kontrollieren kannst und so war die unbeabsichtigte Berührung nicht mehr vermeidbar. Das Gift, was du glaubst in dir zu haben, ist alter Eiter einer alten unverschlossenen Wunde.

Olivia hat deinen gegenwärtigen Zustand nicht zu vertreten. Ihr innerer Zustand ist eher mit einer mentalen Schockstarre zu vergleichen.

Vielleicht erinnerst du dich noch.

Nach deiner Stipvisitite in Rostock drehte sich mein Kopf in einer mir schon längst unbekannten Umdrehungszahl, das es mir mehr als schwindlig wurde. In einem späteren Brief und den Mails an dich erklärte ich dir die Zusammenhänge, diesen aktuellen plötzlichen Explosion meiner Emotionen mit alten unverdauten Erlebnissen. Ich brauchte Tage, um zu differenzieren, was an alten verdrängten starken Emotionen mich plötzlich aus der Bahn werfen wollte. In mühevoller mentaler Kleinarbeit sortierte ich die vergrabenen Leichen aus dem Keller, die plötzlich wieder lebendig wurden, aus meinen täglichen Leben aus und begrub sie für immer auf dem äußeren Freidhof meiner verblassenden Erinnerung. Endlich konnte ich mich von ihnen lösen - wahrscheinlich erst durch deine körperliche Gegenwart.

Die Begegnung zwischen dir und Olivia hattes etwas sagenhaften.

Sie führte einen emotionalen Rausch herbei und damit die Berührung alter Wunden (ihrer ? und deiner ?), die zunächst erst mal unbemerkt geschehen konnte, der Schmerz auf die Berührung erfolgte später, als der Rausch nachlies und so ist der Schuldige für den körperlichen Schmerz und dem nachfolgenden Desaster klar oder doch nicht?

Ich drücke dir und auch Olivia meine Daumen.

LG LaWe


bonanzaMARGOT - 20. Feb. 13, 15:30

in einem gebe ich dir recht.
wenn man liebt, öffnet man sich. der andere mensch dringt in einen ein. bis in manch eher geheime winkel.
und wenn sich dann der mensch durch seine worte und sein verhalten in gift verwandelt, entsteht diese sagenhafte seelische übelkeit mit körperlichen symptomen.
von schuld will ich gar nicht reden. das ist sinnlos.
jeder lebt in seiner perspektive der dinge. und das war objektiv auch der grund der trennung: unsere perspektiven waren zu unterschiedlich.
wir müssen alle im verlauf unseres lebens einige menschliche enttäuschungen verdauen. brutal ist es in jedem fall.
es ist wie mit dem geliebten reissalat - durch die magenverstimmung ekelt man sich plötzlich vor ihm. die welt ist auf den kopf gestellt.
ich hätte mir auch gewünscht, ich könnte lockerer damit umgehen.
perlentaucherin - 21. Feb. 13, 14:38

danke an lawe für diese worte. ich finde mich sehr gespiegelt in meinen momentanen erkenntnissen auf meinem weg.
auch ich habe erkannt, dass all die schmerzen aus mir selbst kommen. aus alten, eiternden, nicht vernarbten wunden, wie du, lawe, so schön beschreibst.
aber der weg dahin war schmerzvoll für mich und auch ich hätte ihn mir leichter gewünscht. das ist menschlich.
es braucht viel mut und wohl auch irgendeine art von urvertrauen, dass man es schafft, dahin zu schauen, hinab zu steigen ins ureigene selbst und den glauben zu behalten, dass es einen nicht zerstört. all die aktionen, die du, lieber bo, beschreibst, kenne ich auch und im nachhinein wird mir klar, dass es alles umwege waren um nicht auf mich selbst schauen zu müssen. eben weil das so schmerzhaft sein kann.
aber inzwischen schaue ich und erlebe, ich überlebe das und kann sogar andere wege finden, mit meinem schmerz umzugehen, außer ihn gegen mich selbst zu richten, zu kotzen u.ä.

bei c.g.jung fand ich kürzlich folgendes zitat: "wenn es um das innere erleben geht, um das allerpersönlichste, dann wird es den meisten menschen unheimlich, und viele laufen davon."

das zu erkennen ist schon der erste schritt.
ich erlaube mir, immer wieder mal fortzulaufen, aber bleibe immer auch wieder stehen und ändere wieder meine richtung. ich will nicht mehr fortlaufen. ich will meinen schmerz wandeln.

nur mut :-)

bonanzaMARGOT - 21. Feb. 13, 15:22

natürlich kommen die schmerzen aus mir selbst. wenn mir jemand mit der keule auf den kopf haut, tut ja mein kopf weh und nicht der des anderen.
ich scheue den schmerz beim blick nach innen nicht. es ist eher so, dass meinen partnerinnen diese innenschau unheimlich oder zu anstrengend war.
perlentaucherin - 21. Feb. 13, 18:58

die keulen sind dann wohl die eigenen sichtweisen, erwartungen, hoffnungen und die kommen ebenfalls aus dir und nicht aus dem gegenüber.
das übertragen auf den anderen verhindert die sicht nach innen und zeigt nur, wie trotzig gekränkt und verletzt dein inneres (kind) ist.

es wehrt sich körperlich dagegen, wie du mit ihm umgehst und will so dein hinschauen erzwingen...
bonanzaMARGOT - 21. Feb. 13, 19:04

nein. die keulen kommen nicht von mir. vielleicht ergaben sie sich im laufe des konfliktes. aber sie kommen immer noch vom anderen. ebenso kommen meine keulenhiebe, die ich anderen verpasse, von mir ..., und ich muss mich damit auseindandersetzen, dass ich einen anderen menschen verletzte.
im getümmel einer schlacht ist freilich kaum noch auseinanderzuhalten, wer wen zuerst schlug - da fliegen die keulen nur so durch die luft.

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