Für die Tonne
… fühle mich wie ein falscher Fuffziger heute. Am Liebsten würde ich im Bett bleiben, - mir irgendwelche Käsfilme reinziehen, bei denen man nichts denken muss, und die Welt erscheint einem wie unter einer Käseglocke. Aber es hilft nichts, denn ich kann nicht liegenbleiben. Es wartet noch eine Nachtwache auf mich.
Der graubärtige Angestellte im Reisezentrum heute Morgen war gut drauf. Erst zog er das Ausfertigen meiner Zugtickets mit ironischen Bemerkungen in die Länge, und danach begann er zu plaudern. Seine Frau arbeitete auch in der Altenpflege ... Wieso erzählte er mir das eigentlich? Ach ja, er verdrehte die Augen über eine Kundin am Nachbarschalter, die Ärger machte. „Und das am Sonntag“, sagte er. Ich erwiderte, dass ich auch in einem Beruf arbeite, wo man sonn- oder feiertags nicht verschont bleibt. Drum kamen wir darauf.
Also, seine Frau musste wegen Rückenbeschwerden umschulen. Sie wollte in der Kinderbetreuung arbeiten, aber vom Arbeitsamt bekam sie bloß die Umschulung zu einem dummen Bürojob finanziert. Irgendwas Spezielles. Nun hatte sie eine Ausbildung, die sie erstens nicht mochte, und mit der sie zweitens gar keine Arbeitsstelle fand. Haha! „Wahrscheinlich laufen hintenherum Absprachen zwischen Wirtschaft und Jobzentrum, welche Ausbildungsberufe für Umschulungen genehmigt werden, egal ob die gebraucht werden“, meinte der graubärtige Bahnangestellte. Über Umwege versuchte seine Frau nun doch in der Kinderbetreuung unterzukommen … Verrückte Welt!
Da der nächste Kunde mit Nummer 10XX auf einen freien Schalterplatz wartete, konnten wir das Thema nicht vertiefen. Zum Abschied reichte er mir die Hand. Seine Augen waren leicht glasig. Meine wahrscheinlich auch. Ich hatte einen anstrengenden Nachtdienst hinter mir.
Wollte ich sonst noch was sagen? Nein, nicht wirklich. Der Tag trist und grau. Inzwischen ist es sowieso dunkel. Was läuft da eigentlich für ein Scheiß in der Glotze!? Ah, was mit Ben Stiller. Umschalten oder nicht Umschalten, das ist hier die Frage. Oder: It`s a long way to Tipperary.
bonanzaMARGOT
- 16. Dez. 12, 16:40
- Nach der Nachtwache ist vor der Nachtwache
dabei wird immer gesagt: nur keine hemmungen - frage! und wenn man dann wieder und wieder fragt, weil man mit den antworten nicht zufrieden ist, wird man als querulant und störenfried hingestellt.
zweite und vorletzte lektion des lebens: wer sich anpasst und nachplappert, was verlangt wird, kommt weiter. und hat seine ruhe.