Mittwoch, 12. Dezember 2012

Die Langen Wesen kommen


Strange. Manche Träume sind schon ziemlich strange – und wenn sie wenigstens rudimentär im Gedächtnis haften bleiben, dann ist ein Aufschreiben beinahe verpflichtend.

Sie nannten sich „Lange Wesen“ und lebten in der oberen Atmosphäre zwischen Erde und Weltraum. Ihre Körper waren schlank, lang und blau. Vom Körperbau ähnelten sie sehr dem Menschen. Aber sie hatten nur einen Arm. Ich konnte kein Geschlecht erkennen. Und sie schienen völlig unbekleidet zu sein. Sie riefen die Menschen an, weil ihr Lebensraum bedroht war. Wenn sie nicht sterben wollten, mussten sie hinunter auf die Erde kommen. Vielleicht waren sogar die Menschen Schuld an der Zerstörung ihrer Heimat. Diese sphärischen Wesen wirkten sehr geheimnisvoll. Sie machten den Menschen keine Vorwürfe, sondern baten sozusagen nur um Asyl.
Schließlich durften die „Langen Wesen“ auf die Erde kommen …
Sie hatten seltsamerweise nur einen Arm, und das blieb mir neben ihrer blauen Farbe und ihrem grazilen Äußeren besonders in Erinnerung.

Gulp fragt nach

Über Geld und Verdienst



Gulp ist mal wieder zu Besuch. Er erscheint immer ohne Vorankündigung. Er braucht keinen Schlüssel. Plötzlich sitzt er in meiner Wohnung. Und genauso plötzlich ist er wieder weg.
Gulp ist so was wie ein Außerirdischer, aber kein echter. Wie soll ich ihn am Besten beschreiben? Er ist einfach nur fremd. Fremd von allem, was uns in unserer Welt total vertraut ist. Er könnte auch ein entfernt lebender Ureinwohner oder Einsiedler sein. Wenn er da ist, stellt er mir Fragen, und wir unterhalten uns ein Wenig über Gott und die Welt. Dabei reden wir nicht. Es funktioniert über Gedankenübertragung, aber der Einfachheit halber will ich es hier als Gespräch notieren.
Dieser Gulp ist schon ein merkwürdiger Bursche. Manchmal kommt er ziemlich unpassend. Aber was soll ich machen? Wahrscheinlich besucht er noch andere Menschen, denke ich ... Was rede ich für einen Unsinn?! Es muss mein persönlicher Gulp sein, denn er scheint alles von mir zu wissen. Herrje, Gulp ist eben Gulp! Ein Unikum, das dumme Fragen stellt.
Er sitzt auf meiner Bettkante und grinst sein Gulp-Grinsen. Es ist so ein verflucht gütiges Grinsen, das einen auf die Palme bringen kann.
„Hallo Gulp.“
„Hallo Boma.“
Pause. Manchmal sitzt er einfach nur da und lässt mich rätseln. Ich schaue von ihm weg und versuche ihn zu ignorieren. Vielleicht ist er beim nächsten Hinschauen bereits wieder fort …
„Hörmal Boma, was ist eigentlich Geld?“
„Geld brauche ich zum Leben. Mit Geld kaufe ich Essen, Trinken, Kleidung. Für meine Wohnung muss ich Geld bezahlen. Eigentlich brauchst du für ziemlich alles Geld.“
„Und wo gibt`s das Geld?“
„In der Bank, Gulp. Dort hole ich es mir, wenn ich es brauche.“
„Ach so, das ist ja einfach. Komische Erfindung.“
„Nicht wirklich einfach. Ich muss das Geld ja erst verdienen, bevor ich es von der Bank holen kann.“
„Verdienen?“ Gulp lacht, „das muss was Lustiges sein!“
Wenn Gulp lacht, sieht das aus, als ob sich etwas von Innen nach Außen stülpt.
„Nein, das ist gar nicht lustig, das Verdienen. Ich muss dafür hart arbeiten.“
„Dann hole dir das Geld doch einfach ohne Verdienen von der Bank!?“
„Das überlegte ich mir auch schon, lieber Gulp. Aber wenn sie mich dabei erwischen, werde ich eingesperrt. Und das ist auch nicht gerade lustig, das Eingesperrt Sein.“
„Erwischen!“ Gulp lacht nun über das Wort „Erwischen“ und wiederholt es ständig mit rollenden Augen.
„Genau. Ich betone: das ist gar nicht lustig!“
„Na gut, Boma, ich fasse zusammen: Du brauchst für alles Geld, und das musst du dir verdienen, und dann kommt das Geld auf die Bank, wo du es abholen musst. Ich finde das komisch. Verdienst du wenigstens genug für alles?“
„Für alles natürlich nicht! Aber es ist genug, um davon zu leben, die Miete zu bezahlen und ab und zu ein Bier zu trinken.“
„Aber wenn du so hart arbeitest, warum verdienst du nicht genug für alles?“
„Mein Gott Gulp! Mein Beruf wird nun mal nicht besser bezahlt.“
„Ich folgere, dass es Menschen gibt, die mehr, viel mehr als du verdienen, aber die deswegen nicht härter arbeiten. Was ist das Kriterium dafür, dass manche Menschen mehr verdienen als andere?“
„Das ist mir auch schleierhaft. Vielleicht weil sie klüger sind. Oder weil sie mehr Glück haben.“
„Das ist aber sehr ungerecht.“ Gulp scheint plötzlich so traurig, wir er vorher lustig war. Er kann mit seiner Traurigkeit den ganzen Raum ausfüllen.
„Immerhin verdiene ich genug, um über die Runden zu kommen. Es gibt Menschen, die viel ärmer sind als ich, weil sie ganz wenig verdienen oder gar keine Arbeit haben.“
„Noch viel ärmer als du, Boma. Und einige sind viel reicher als du?“
„Sehr viel reicher, Gulp, - unvorstellbar reich! Es gibt Menschen, die können sich alles kaufen.“
„Und das haben sie sich verdient?“
„Nein. Diese Menschen leben wie Könige. Könige müssen nichts verdienen. Sie lassen andere für sich das Geld verdienen.“
„Und das ist gut so?“
„Nein!“
„Wenn du das Geld einfach von der Bank nimmst, wirst du dafür eingesperrt, aber wenn die Könige andere Menschen ausbeuten, ist das normal? Niemand kümmert diese Ungerechtigkeit?“
„Doch schon. Aber man kann dagegen nichts machen. Wo das Geld ist, ist auch die Macht.“
„Boma, was du mir über das Geld erzählst, ist wirklich sehr traurig. Ihr Menschen müsst das Geld abschaffen. Es macht euch nur unglücklich.“
„Wenn das so einfach wäre, Gulp. Scheiß Geld!“

„Hey Gulp!?“
Ich habe nicht mehr auf ihn geachtet. Zu sehr war er in meinem Kopf und mein Blick nach Innen gerichtet. Er hätte sich wenigstens verabschieden können. Ich schaue etwas verloren in den angebrochenen Tag. Aber so ist er, Gulp. Er lässt mich stets mit meinen Grübeleien allein. Dann werde ich mal wieder Geld verdienen gehen …, – und ich lache, lache mich kaputt bei diesem Gedanken, was durchaus Gulps Verdienst ist.

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