Dienstag, 10. Januar 2012

Brasko und die Entführung des Bundespräsidenten


I


Brasko war müde. Der Winter steckte ihm förmlich in den Gliedern. 2012, das Jahr des prophezeiten Weltuntergangs hatte begonnen. Sonst gab`s nicht viel Neues. Charlie Sheen wurde in der Comedy Serie „Two and a half men“ durch Ashton Kutcher ersetzt, der deutsche Bundespräsident stand unter Medienbeschuss, und der Winter hatte bisher nur Schmuddelwetter parat – außer in den Alpen, da waren die Winterurlauber eingeschneit.
Das Telefon klingelte.
„Brasko.“
„Bundespräsident W., Mr. Brasko, Sie wurden mir empfohlen.“
„Schön.“ Brasko bohrte sich nachdenklich in der Nase.
„Sie haben bestimmt mitbekommen, wie sehr meine Person derzeit durch den Schmutz gezogen wird.“
„Hm.“
„Ich hätte ein heikles Anliegen. Aber nicht, dass Sie einen falschen Eindruck von mir bekommen, Mr. Brasko.“
„Hm. Und worum geht`s, Herr Bundespräsident? Hat Ihre Frau einen Liebhaber?“
„Oh nein, nein! Ich äh … leide sehr unter dieser Medienkampagne. Ich sinke in der Beliebtheit bei der Bevölkerung. Das Amt des Bundespräsidenten ist beschädigt! Mit dem Ganzen muss endlich Schluss sein! Ich meine, - ich habe da eine Idee.“
„Schießen Sie los!“
„Entführen Sie mich, Mr. Brasko!“
Brasko wäre beinahe der Hörer aus der Hand gefallen, aber er fasste sich schnell wieder und meinte nur lakonisch: „Warum nicht.“
Bundespräsident W. erklärte ihm in kurzen Sätzen, was er mit einer vorgetäuschten Entführung bezweckte, und wie sie ablaufen sollte. Alles musste sehr diskret und professionell gehandhabt werden. „ … und darum dachte ich, dass Sie der richtige für den Job sind, Mr. Brasko."
„Schon möglich. Und Sie sind sicher, dass Ihr Telefon nicht abgehört wird?“
„Natürlich. Halten Sie mich für einen Dilettanten!?“
Brasko verkniff sich einen Kommentar. Das Honorar würde er gut gebrauchen können, um diesem Winter entfliehen zu können – auf die Fidschis oder sonst wo hin.
„Es ist Ihr Risiko. Wenn es schief geht, sind Sie ganz unten durch.“
„Mr. Brasko, ich träumte schon als Kind davon, Bundespräsident zu werden. Nun bin ich es. Und ich will es bleiben! Ich will, dass die Menschen wieder zu mir aufschauen. Verstehen Sie?“
Leben und leben lassen, dachte Brasko. Auch wenn`s totaler Bullshit war. Die Sache war abgemacht. Man vereinbarte ein geheimes Treffen, um die Details zu besprechen.
Außer dem Weihnachtsmann war der Bundespräsident Braskos prominentester Kunde. Wahrscheinlich hatte er sich mit dem Auftrag eine Menge Ärger aufgehalst.
Was soll`s.
Der Bierkasten unter dem Schreibtisch war halb leer. Im TV liefen noch Folgen einer alten Staffel von "Two and a half men".

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