Die Arschwischmaschine hat frei

Samstag, 18. Januar 2014

Heiß gekocht am Morgen


Normalerweise kannst du mich mit Kochsendungen jagen. Nun schaue ich relativ häufig ZDFneo, und so kann es - wie heute Vormittag – passieren, dass ich bei Lafer!Lichter!Lecker! hängen bleibe. Es kam schon öfter vor, wenn der Fernseher noch vom Vorabend lief. Ich liege also im Halbschlaf, den Kopf in den Kissen vergraben, und lausche deren Geschwafel und Lachen. Mir ist noch gar nicht richtig klar, was da gerade läuft. In meinem Kopf mischt sich alles zu einem Traum-Potpourri zusammen. Nach und nach werde ich klarer und registriere die Gespräche, Rezepte und Kommentare in der Fernsehküche bewusster. Schon lustig. Zwischenzeitlich wirkt es auf mich wie das frisch-fromm-fröhlich-freie Beisammensein in einem Swingerclub oder einem Bums-Lokal. Die Verknüpfung von leckerem Essen und Erotik geht locker von der Zunge – vor allem wenn so viel gequatscht wird wie bei Lafer! Lichter! Lecker!. Ich höre mit einem Ohr hin - nicht wegen dem Essen, sondern weil ich es witzig finde.
Inzwischen sind die Rollläden oben, die Sonne scheint in mein Zimmer, und ich sitze beim Morgenkaffee. Es wird Zeit, dass ich der Kochsendung den Gar aus mache. Es läuft bereits die zweite in Folge. Man müsste das Ganze pikanter und frivoler gestalten. Zum Beispiel Lafer und Lichter in Lack und Leder mit Gästen aus der Erotik-Szene und ein paar sexy Bienen, nur mit Schürzen bekleidet, für die Handreichungen ...
Aber nun ist gut. Ich schalte um.

Donnerstag, 16. Januar 2014

Wie immer






Ein buntes Gewusel. Hände in Taschen vergraben. Gruppen von Menschen an der Fußgängerampel, an den Straßenbahn- und Bushaltestellen. Blicke treffen sich flüchtig. Die ganze Palette menschlichen Daseins auf einem Platz: jung und alt, dick und dünn, arm und reich … Ein jeder in seiner Gedankenwelt. Ich mittendrin. Ich bin gar nicht unbedingt zum Einkaufen hier. Der Kaufhausgeruch stößt mich ab. Aber was mache ich hier? Es ist kalt. Die Luft stinkt von den Auspuffabgasen der Autos. Unentschlossen schaue ich zur Bushaltestelle. Mist, der Bus zur Altstadt fuhr gerade davon! Ich überquere abseits des Fußgängerüberwegs die Straße. Es sind nur wenige Meter bis zu einem Café. Ich genieße die Gemütlichkeit des vertrauten Orts. Ich ruhe in mir. Eine junge Frau fragt mich, was ich wünsche. Ich betrachte die anderen Gäste. Ich schaue hinaus zur Straße. Die Stadt wird zur Kulisse. Es ist früher Nachmittag. Das Café ist fast immer gut besucht. Viele Studentinnen und Studenten. Ich warte auf mein Bier. Ich habe nicht wirklich einen Plan. Eigentlich laufen meine Stadtausflüge immer gleich ab. Es gibt einige Lokale, die ich ansteuere. Ich kaufe ein paar Lebensmittel ein. Ab und zu gehe ich ins Kino. Was läuft eigentlich? Mal wieder nichts, was mich wirklich interessiert.
Bevor ich weitergehe, entleere ich meine Blase. Ich trete wieder hinaus in die helle Kälte des Tages. Wie automatisch begebe ich mich in den Menschenstrom der Fußgängerzone. Ich verschwinde. Ich bin ein Tropfen in einem Fluss. Der kleine Spaziergang tut mir gut. Das Bier macht müde. Alleinsein macht müde. Die Stadt macht müde. Zu viele Eindrücke.
Ich nehme die drei Stufen zum Eingang der Altstadtkneipe in einem Satz. Mein Platz an der Bar ist frei. Ich grüße die Bedienungen. „Wie immer“, sage ich.

Mittwoch, 8. Januar 2014

Warme Wintersonne


Manchmal reicht schon das Wissen, etwas machen zu können. Man merkt dann, dass man es gar nicht unbedingt machen möchte. Der Reiz des Wunsches geht mit der Machbarkeit verloren.
Bei mir ist das so. Nicht immer. Es gibt Dinge, die trotz ihrer relativ einfachen Erfüllbarkeit schön und spannend bleiben, z.B. Sonnenuntergänge oder in den Sternenhimmel gucken. Und die Liebe.
Obwohl. Ich bin mir nicht sicher. Der Alltag kann die Faszination der Liebe empfindlich stören. Oder ein Überangebot.
Es gibt Menschen, die von einer Sache nicht genug kriegen. Das kann ich von mir nicht sagen. Vom Bier mal abgesehen. Und selbst Bier schmeckt mir nicht mehr so gut wie früher. Vieles macht man irgendwann nur noch aus Gewohnheit.
Ja. Man kann sich das Leben (wie ich) ziemlich kompliziert machen. Eigentlich wollte ich meine Gedanken über Synchronizität und Serialität niederschreiben. Aber ich bekam keinen Einstieg ins Thema. Ich hege den Verdacht, dass einiges im Leben nicht mit rechten Dingen zugeht. Es gibt so viele Blockaden, wo die Gedanken nicht weiterkommen. Die Konfusion nimmt überhand. Wie ist das alles zusammenzubringen?
Die Sonne scheint. Sie hängt knapp über den Baumwipfeln auf dem Berghang gegenüber. Ich sehe die Wimpern meines linken Auges in allen Farben schillern, wenn ich den Kopf zu ihr hin drehe. Es ist Mittag. Mittwochmittag. Der Winter liegt selbst im Winterschlaf, Anfang Januar. Die Erde rast mit dem Mond im Schlepptau wie ein Kreisel um die Sonne. Immer und immer wieder. Eine geheime Uhr läuft.
Ich spüre meinen Herzschlag. Er geschieht einfach, während ich hier sitze und nachdenke.Wozu denke ich über all diese Sachen nach?
Nein, ich glaube eigentlich nicht, dass ich mir das Leben kompliziert mache. Es ist eine Frage der Sichtweise.
Ich wünschte, ich würde mit der Welt vollkommen synchron sein. Wie die Natur, wie alles, was nicht nachdenkt. Von mir aus könnte alles ganz einfach sein. Alle Menschen würden friedlich und im Einklang mit der Natur zusammenleben. Wer mehr hätte, würde denen, die weniger haben, selbstverständlich etwas abgeben. Es gäbe keine Grenzen und keinen Konkurrenzkampf. Man würde niemanden demütigen, weil er anders ist. Falls Streit aufkäme, würde man ihn fair und ohne Gewalt ausfechten. Was ist so schwer daran? Wieso klingt das verrückt? Ist nicht das Dasein selbst verrückt? Ist nicht alles ein Wunder?
In einer solch friedlichen Welt könnte man so viel entspannter leben. Katastrophen, Unfälle, Krankheiten, Probleme und Herausforderungen gäbe es trotzdem genug.
(Okay, Baby Blue, genug Unsinn für heute geredet.)

Dienstag, 7. Januar 2014

Endlich sind die fuckin` Feiertage vorbei


Endlich sind die fuckin` Feiertage vorbei. Gestern war ich der irrigen Annahme, dass die Geschäfte offen hätten. Ich wollte zur Post, eine Pike Brothers Jeans, die ich zu groß bestellt hatte, zum Umtausch zurückschicken. Ich packte das Päckchen auf mein Fahrrad und düste los. Fluchend musste ich feststellen, dass die Post geschlossen hatte und auch alle anderen Läden. Dabei hätte ich dringend Klopapier gebraucht.
Es blieb mir nichts anderes übrig, als in der Tanke einzukaufen - wenigstens ein paar Dosen Bier.
Fuck, fuck, fuck! Ich hasse Feiertage! Im Kaffeehaus stand Kei, der Halbjapaner, hinter der Theke. Ich erzählte ihm von meinem Lapsus.
„Wenn du dir den Stress antun willst, kannst du nach Hessen rüber fahren zum Einkaufen“, sagte er.
„Nein danke. Ich ärgere mich, weil ich wusste, dass „Heilige Drei Könige“ ist; nur dachte ich, dass bei uns die Geschäfte auch ganz normal offen hätten.“
Ich schaute mich von meinem erhobenen Platz an der Bar aus um: Typisches Feiertags-Spießer-Familien-Publikum. Es war bereits später Nachmittag, und immer mehr Leute strömten ins Kaffeehaus. Viele kamen zum Abendessen. Kei geriet ganz schön ins Schwitzen. Sie hatten einen solchen Ansturm nicht erwartet. Außer ihm arbeitete nur noch eine Bedienung.
Ich langweilte mich und packte meine Unterwegs-Lektüre aus: „Eine Braut für Dino Rossi“ v. John Fante. Bei einigen Textstellen musste ich schmunzeln. Fante war ein prima Erzähler. Er zog mich direkt hinein ins Buch zu seinen Figuren. Lieber hätte ich mich aber unterhalten. Nach ein paar Seiten klappte ich John Fante wieder zu. Das Kaffeehaus war inzwischen fast bis auf den letzten Platz belegt. Kei half an den Tischen aus. An der Bar saß außer mir nur noch ein junger Kerl mit Baseballmütze. Er war mit seinem Smartphone beschäftigt. Sein Blick apathisch. Ein richtiger Kotzbrocken. Ich blickte häufig auf meine Armbanduhr, als würde dadurch die Zeit schneller vergehen.
Klaus erschien. Er befand sich in weiblicher Begleitung, eine ältere Dame, die ich noch nicht gesehen hatte. Nach Schulterklopfen und kurzer Begrüßung setzten sie sich an einen Tisch. Ich trank aus, verabschiedete mich von Kei, und ging hinaus in den Abend. Es war nicht kalt. Den Mantel hätte ich gar nicht gebraucht. Ich schwang mich auf meinen Drahtesel und keuchte den Berg hinauf. Menschen begegneten mir keine, nur Autos. Die Dunkelheit umschloss mich wie ein Kokon.

Montag, 6. Januar 2014

Last Las Vegas


Um das Sonntagnachmittagsloch zu füllen, ging ich ins Kino. „Last Las Vegas“. Vier alte, geile Säcke, so um die Siebzig, machen eine Sause nach Las Vegas. Ein paar Lacher konnte ich loswerden, was der schauspielerischen Kraft dieser Hollywood-Oldies geschuldet war. Michael Douglas, Robert de Niro, Kevin Kline und Morgan Freeman spielten in einer im Großen und Ganzen seichten Komödie über Freundschaft, Alter - und Liebe im Alter. Aber es schien ihnen Spaß zu machen, und das wiederum machte mir als Zuschauer Spaß. Las Vegas bot dafür die allzu passende Kulisse. Die Quintessenz des Films: 1. Man kann es auch im Alter noch mal krachen lassen. 2. Gut, wenn man alte Freunde hat. 3. Man sollte sich nicht zu ernst nehmen. 4. 40 Jahre Altersunterschied sind dann doch zu viel, wenn man heiratet. 5. Alle haben sich lieb.
Man muss diesen Film nicht unbedingt sehen, aber um etwas Zeit totzuschlagen, ist er gut genug. Der kleine Kinosaal war angenehm leer. Ich konnte mich mit meinen Bierdosen ausbreiten.





der Kinobesuch als gut bewährte Methode, Nachmittagslöcher zu stopfen

Samstag, 4. Januar 2014

Samstagnachmittagsloch


Mir ist gerade, als wäre mir alles gleichgültig. Das Problem ist, ich lebe. Die Gleichgültigkeit ist eine Wüste aus Gummibärchen oder aus allem anderen – da es völlig gleichgültig ist. Die Gleichgültigkeit ist gepaart mit Lustlosigkeit und Langeweile. Ein hervorragendes Trio. Sie sind topfit und machen ihren Job heute besonders gut. Eigentlich sollte ich darüber glücklich sein. Aber ich weiß, dass dieser Zustand lediglich ein Loch im Gewebe des Lebens ist – etwa wie ein Loch, das einem die Motten in den Lieblingspulli fressen. Glücklich könnte ich sein, wenn um das Loch herum auch nichts mehr wäre. Das wäre dann das Nirwana. Aber ich sitze lediglich in diesem scheiß Loch oder in dieser Wüste der Gleichgültigkeit an einem scheiß normalen Samstagnachmittag. Alle sieben Tage gibt es einen Samstagnachmittag. Natürlich könnte ich eine Menge tun. Aber ich will nicht. Es gibt keine Notwendigkeit zu gar nichts. Meist verfalle ich in diese Lethargie nach den Nachtdiensten, wenn ich ein paar Tage frei habe. Ziellos blubbere ich vor mich hin wie ein Goldfisch in einem Goldfischglas mit sonst nichts. Es ist ungeheuer spannend.
Ein Rest Humor bleibt mir immer. Das Goldfischglas wackelt nämlich leicht.
Apropos: Gestern las ich ein im aktuellen Stern ein Interview mit Gregor Gysi, und Gregor Gysi erzählte auf eine Frage hin einen jüdischen Witz (keinen Judenwitz) – wegen der tollen Dialektik bzw. Logik darin. Und den notierte ich mir. Ich will ihn euch nicht vorenthalten:

Kommt ein Jude nach Hause und erzählt seinem Bruder, er habe den Rabbi gefragt, ob er beim Beten rauchen darf. Der Rabbi habe entrüstet Nein gesagt. Daraufhin der Bruder: "Du bist so ein Idiot. Du hättest den Rabbi fragen sollen, ob du beim Rauchen beten darfst. Das hätte er dir sofort erlaubt."

Gut, oder? Vieles im Leben ist eine Frage der Perspektive. Man sieht denselben Gegenstand plötzlich anders. Fantastisch. Eigentlich total simpel. Trotzdem tun wir uns damit im Leben oft unendlich schwer. Es kann nicht sein, was nicht sein darf. Wir können kaum etwas gegen das Brett vorm Kopf tun. Vielleicht noch ein paar Nägel reinhauen, damit es auch schön fest sitzt.
Ich stelle mir eine Fußgängerzone vor, durch die alle Menschen mit Brettern vorm Kopf strömen. Zu breit dürfen die Bretter nicht sein. Stellt euch das mal vor.
Nein. Es ist völlig wurscht. Es gibt keinen Anfang und kein Ende. Nichts als Irrsinn. Alles Mache.
Wir dürfen uns alles einbilden – und danach leben. Wir können uns alles erlauben. Ein jeder in seinem Goldfischglas. (Dass meines leicht wackelt, ist eine Gnade.)

Donnerstag, 2. Januar 2014

Die unsichtbare Matratze


Nachdem ich die neue Matratze hatte, galt es, die alte zu entsorgen. Und auch den alten Rahmen. Also ließ ich mir übers Internet Abholtermine vom hiesigen Entsorgungs-Unternehmen geben . Die Matratze gilt als Sperrmüll, und der Lattenrahmen als Schrott. Einen Tag später erhielt ich per Mail die Auftragsbestätigung. Ich war froh, wieder etwas erledigt zu haben.
Am 30.12. wuchtete ich die große, schwere Matratze die tausend Stufen bis zum Gehweg hoch, wo ich sie zwischen eine Laterne und einen Lattenzaun klemmte, damit sie nicht vom schmalen Gehweg auf die Straße fallen konnte. Der Abholtermin war am 31.12., und sie schrieben, dass die Sachen ab 6 Uhr in der Früh bereitstehen sollten; also machte ich das schon am Vorabend, bevor ich zum Nachtdienst ging.
Gestern schaute ich dann zum ersten Mal nach, als ich den Hausabfall hoch zu den Tonnen brachte.
Scheiße! Die alte Matratze stand noch da. Sie zeigte mir die Zunge: Ätsch-Bätsch! Du wirst mich nicht los!
Nun telefonierte ich mit dem Entsorgungsunternehmen und beschwerte mich. Darauf reagierte man schroff: „Der Fahrer sagte, dass nichts bereit stand.“ Ich musste zweimal erklären, wo ich die Matratze deponiert hatte. Offensichtlich glaubte man mir nicht, dass ich sie rechtzeitig raus gestellt hatte. Beinahe hätte ich gesagt: „Vielleicht ist die Straßenlaterne ja eine Unsichtbarkeits-Lampe.“
Aber ich wollte die Gegenseite nicht verärgern. Kurz und gut: Ich kriegte einen neuen Abholtermin. Und für den Fahrer gab es eine extra Beschreibung, wo die Matratze genau stehen wird. Ehrlich gesagt, kam ich mir ziemlich blöde vor – wie ist es möglich, eine Matratze 1,4 Meter x 2 Meter unter einer Laterne auf dem Gehweg neben der Garageneinfahrt zu übersehen? (An der richtigen Adresse war er dank Satelliten-Navigation und Google Maps.)
Vorher wird der Abholtermin des Lattenrahmens sein. Mal sehen. Ich könnte mich frühmorgens auf die Lauer legen …, um diesen geheimnisvollen Vorgang zu beobachten.

Sonntag, 29. Dezember 2013

Grunderkrankungen?


Gestern in der Apotheke.
Die Apothekerin taucht hinter ihrem Schalter auf.
„ASS 500 N1 und Laxoberal Tropfen 30 ml bitte.“
Die Apothekerin hat die Sachen, die ich verlange, schnell zusammen, denn es sind gängige Medikamente. Während ich bezahle, fragt sie mich:
„Haben Sie eine Grunderkrankung?“
Ich bin verwirrt, weil mir selten in der Apotheke solche Fragen gestellt werden. Wenn überhaupt wird nur nachgefragt, ob ich über die Einnahme Bescheid weiß, was ich dann kurz bejahe.
Ich antworte also:
„Ich nehme die Medikamente, wenn ich sie nötig habe – also bei Bedarf.“
Darauf die Apothekerin:
„Das meinte ich nicht. Haben Sie irgendwelche Grunderkrankungen? Nehmen sie noch andere Medikamente?“
Was geht die das an? denke ich bei mir. Ärger steigt in mir hoch.
„Nicht dass ich wüsste. Es ist schon eine gute Weile her, dass ich beim Arzt war“, sage ich ausweichend.
„Sie haben also keine Grunderkrankungen?“
Mein Kopf läuft rot an. Ich kann nicht mehr an mich halten:
„Hm … es kann bereits eine Grunderkrankung sein, hier zu sein – ich meine, einfach zu leben, verstehen Sie?! Jedenfalls hege ich manchmal diesen Verdacht!“
„Nein, diese Grunderkrankung meine ich nicht“, entgegnet sie schnippisch, wohl merkend, wie genervt ich bin. Die Kollegin der Apothekerin am Nachbarschalter verbeißt sich ein Lachen.
„Okay.“ Ich schnappe die kleine Tüte mit den Medikamenten, verlasse eiligst die Apotheke, renne bei Rot über den Fußgängerüberweg und erwische gerade noch meinen Bus zum Universitätsplatz.
„Mamma Mia!“

Mittwoch, 18. Dezember 2013

Gedanken, während ich auf meine neue Matratze warte


Die Alten scheuchten mich durch die Nacht. Ich schlief schlecht. Am Mittag mit dem Bus ein kurzer Einkaufstrip. Ich wollte zurück sein, wenn ich meine neue Matratze plus neuen Rahmen bekomme. Es soll heute gegen Abend geliefert werden. Mein Gefühl sagt mir, dass daraus nichts wird. Draußen ist bereits dunkel. Die finden nicht zu mir, denke ich. Ich wohne ziemlich versteckt. Am Briefkasten fixierte ich extra eine schematische Wegbeschreibung zu meiner Wohnung.
Ich bin gespannt. Gespannt und müde.
Meine Eltern hätten heute Hochzeitstag gehabt. Ich denke an sie. An der Wand hängt ein Photo von ihnen bei ihrem fünfzigsten Hochzeitstag. Meine Eltern. Sie sind noch da. In der Nacht. In mir.
Wie haben sie all die Jahre zusammen geschafft? Unabhängig von meinen Eltern stelle ich mir diese Frage oft, weil es mir unmöglich erscheint. Eine Zeitlang wünschte ich mir, dass sie sich trennen. Mir waren die gegenseitigen Abhängigkeiten nicht klar. Vielleicht ist es irgendwann auch zu spät. Um auf die eigenen Füße zu fallen. Um so was wie eine Selbstverwirklichung zu starten.
Stattdessen bleibt man der „alten Matratze“ treu. Nein, ich verurteile das nicht. Keineswegs. Es ist, wie es ist.
Als sie starben, waren sie längst untrennbar miteinander verwachsen. Es war folgerichtig, dass sie kurz hintereinander das Zeitliche segneten. Zumindest rückblickend.
Ich bin stolz auf sie.
Obwohl ich einen ganz anderen Lebensweg als sie einschlug, waren sie auch immer stolz auf mich (so weit ich das einschätzen kann). Ich glaube, sie mochten meine Dickkopf. Ich weiß es nicht. Warum man geliebt wird, ist oft unerklärlich. Wer kennt schon die Abhängigkeiten in den Abgründen unserer Psyche? Wir reden vieles herbei. Aber wir wissen nichts.

Montag, 16. Dezember 2013

Mehr als eine Zeitrechnung


612 Minuten, das sind 10 Stunden und 12 Minuten. Was macht man in 10 Stunden? Der Nachtdienst dauert 10 Stunden. Meist komme ich abends ein paar Minuten früher zum Dienst, um mich in Ruhe umziehen zu können, und damit die Dienstübergabe nicht so eilig abgehandelt werden muss. 10 Stunden und 12 Minuten kann ich also getrost als die Dauer meiner Nachtwache ansetzen.
Wie ich darauf komme? Ich vollführe gern solche Rechnungen, um einen Zeitraum fassbarer zu machen, den ich mir sonst schwer vorstellen kann. Denn es ging nicht um 612 Minuten sondern um 612 Monate oder 51 Jahre. Heute Abend im Nachtdienst kann ich daran denken. Jede Minute werde ich dann einen Monat älter, und wenn ich nach Hause gehe, werde ich 51 Jahre alt sein. Genaugenommen 51 Jahre und eine Nacht.
Schon verrückt: Wenn etwa alle zwei Sekunden ein Tag verginge, dann liefe meine Lebensuhr doch schon seit 10 Stunden und 12 Minuten! Ich mag solche Rechnungen. Aber richtig vorstellbar ist es trotzdem nicht, so alt geworden zu sein.
Manchmal zweifle ich daran, ob es ein und dasselbe Leben war oder nicht vielmehr einige Leben waren, die sich aneinanderreihten, bzw. ineinander übergingen. Bin ich noch das Kind von damals, der Jugendliche, der junge Mann? Diese Figuren meines Lebens sind unwiderruflich Vergangenheit. Man könnte sogar sagen, dass sie starben. Was bleibt, ist das „Ich“ mit den Erinnerungen, das staunend beim Durchstöbern alter Photos denkt: Bin ich das? Bin ich das wirklich? Wer schaut mir da entgegen? Könnte diese Person aus dem Photo heraustreten, ich glaube, sie würde in Ohnmacht fallen, wenn sie mich sähe. Nein, nicht weil ich so schlimm ausschaue, sondern weil ich ihr Opa sein könnte. Niemals dachte ich, so alt zu werden. Dabei sind 51 Jahre in einer überalterten Gesellschaft wie der unseren kein Alter. Viele Männer haben noch mal Hummeln im Arsch. Und erst mal Frauen um die Fuffzig – wow! - einige gehen ab wie Raketen!
Wie auch immer – ich bin nicht mehr der junge Mann. Eine neue Figur* nimmt langsam Besitz von mir. Wie soll ich diese Figur nennen? Ein Mann im besten Alter – lach! Es ist ja nicht so, dass man aufwacht und plötzlich ein anderer ist. Oft ist es ein schleichender und quälender Prozess, in dem sich die Identifikation ändert. Vom Kind zum Mann wurde man verhältnismäßig schneller. Nicht umsonst redet man von der Midlife-Crisis. Keine ganz einfache Lebensphase.
Uff! Heute fühle ich mich, als hingen die Jahre wie ein schwerer Rucksack an mir.
Die Sonne lacht zu mir in die Bude. Sie altert in anderen Dimensionen. Für sie ist ein Menschenleben kaum eine Sekunde. Ich kratze den Rest Schlaf aus meinen müden Augen und klopfe mir selbst auf die Schulter: „Alter Hund! Alles Gute!“


* Randnotiz: Mir fiel erst nach wiederholtem Lesen (lustigerweise) auf, dass man Figur auch anders interpretieren kann - nämlich als die körperliche Figur - die natürlich auch nicht im Verlaufe eines Lebens gleich bleibt.

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