Die Arschwischmaschine hat frei

Sonntag, 21. Oktober 2012

Das Leben selbst - ein besonderer Fall


Deutschland – Schweden: 4 : 4. Hinterher offene Münder und Achselzucken. Die deutschen Fußballer hatten sich einen Viertore-Vorsprung wieder abjagen lassen. Wer den Schaden hat, braucht für den Spott nicht zu sorgen. Ich sah das Debakel in Kärnten bei Olivia in der Küche. Dabei kennt bestimmt jeder solche Situationen, dass alles ganz ausgezeichnet läuft, und dann wendet sich das Blatt unerwarteterweise. Klar, Profis sollte so was in ihrem Sport nicht passieren. Aber ist das nicht leicht gesagt? Letztlich weiß man ziemlich genau, woran es lag. Man verschlief ein paar Minuten, und das Leben bestrafte einen. Es hätte auch gut gehen können. Sehr oft geht es gut, und darum gucken wir dumm aus der Wäsche, wenn uns das Leben urplötzlich sein Arschgesicht zeigt. C`est la vie, sage ich mir. Ich erlebte solche Wendepunkte schon häufig in meinem Leben. Gott sei Dank auch ab und zu umgekehrt vom Schlechten hin zum Guten – und dann freut man sich wie ein Schneekönig oder wie die Schweden letzten Dienstag.
Wir vergessen im Alltag, dass das Leben ungeheuer fragil ist. Wer will schon ständig an Unglück, Krankheit und all so`nen Scheiß denken? Lieber gehen wir davon aus, dass eben alles mehr oder weniger gut weiterläuft, und dass unsere Anstrengungen belohnt werden, - sich vielleicht sogar der ein oder andere bescheidene Wunsch erfüllt. Tief in uns drin ahnen wir freilich, dass es nicht einfach so weitergehen wird. Olivia sprach von Murphys Gesetz: „Whatever can go wrong, will go wrong.“ Ich denke, Murphys Gesetz trifft auf den Alltag nicht zu. Allerdings kann es einem so vorkommen. Pechsträhnen gibt es wie Glückssträhnen, aber in den allermeisten Fällen dümpelt man durchschnittlich durchs Leben. Es gibt Menschen, z.B. Extremsportler, die dieser vermaledeiten Mittelmäßigkeit entfliehen wollen. So sprang Felix Baumgartner am 14. Oktober aus der Stratosphäre hinunter auf die Erde. Und er kam heil unten an! Was da alles hätte schiefgehen können … In diesem Sinne war auch das Fußballländerspiel "Deutschland – Schweden" ein ganz besonderer Fall. Für die Einen mit positivem und für die Anderen mit negativem Ausgang.
Zwischenfazit: Das Unglück muss man so schnell wie möglich verdauen, und auf einer Glückssträhne sollte man sich nicht ausruhen. Auf der anderen Seite gilt aber auch: Wer nichts riskiert, der nichts gewinnt. Es ist halt die Frage, wann und wo und wie viel wir riskieren. Jeder legt dies von Situation zu Situation neu fest – ganz nach seinem Charakter und seiner Lebensphilosophie. Die Ergebnisse muss man als erwachsener Mensch verantworten und (er)tragen. Ich bin keine Spielernatur. Mir reicht das große universelle Kack-Spiel der Existenz an sich. Ich brauche mir nicht im freien Fall aus sechsunddreißig Kilometern Höhe einen wie auch immer abzuwichsen. Mir reicht es, die Talstraße mit dem Fahrrad hinunter zu düsen. Auch da kommt es mitunter einem Wunder gleich, dass ich den Trip unbeschadet überlebe. Ja, ich glaube, dass ich mit dem Fahrrad auf der Talstraße mehr Risiken ausgesetzt bin, als es Felix Baumgartner bei seinem spektakulären Sprung war. Jeder holt sich halt seinen Kick anders …

Wer weiß schon, was morgen ist? Wenn das Morgen das Heute frisst, finde ich es scheiße. Das gilt für die Zukunftsängste genauso wie für die Hoffnungen. Am Ende schluckt uns das Spundloch des Universums mit Haut und (auch ohne) Haar. Mit und ohne Murphy. Mit und ohne Glauben. Mit und ohne Grips. Das einzig Ermutigende: Heute ist es noch nicht so weit! Die Talstraße wartet. Ein Herbsttag wartet. Verrückte Welt.

Mittwoch, 10. Oktober 2012

Am Rande


Kaum hat man mal ein bisschen Geld auf dem Konto, rufen einen die Typen von der Bank an und wollen Termine vereinbaren ... Wie nennt man das nochmal?
"Raubtierkapitalismus"?!
Ich sagte zu dem Herrn von der Bank: "Baby, mach einen Termin mit Deinem eigenen Arsch aus!"
Nein, das sagte ich natürlich nicht. Ich blieb höflich.

Montag, 8. Oktober 2012

Dong, dong, dong, dong, dong, dong ...


Bis jetzt ist das nicht mein Herbst. Dabei gibt es gar keinen Grund, deprimiert zu sein. Jedenfalls nicht mehr als sonst. Vielleicht die Midlifecrisis, weil ich unaufhaltsam auf meinen 50sten Geburtstag zusteuere. Oft wissen wir gar nicht, was in uns vorgeht, warum wir niedergeschlagen, lethargisch, melancholisch oder wütend sind, - woher die Unzufriedenheit oder die Ängste kommen. Ich ziehe mich dann lieber zurück. Denn wie soll ich meinen Mitmenschen meine Launen erklären, wenn ich selbst im Trüben fische? Immerhin kenne ich mich gut genug, um zu wissen, dass ich aus diesen seelischen Schlechtwetterlagen auch wieder raus komme. Seltsam, wie sich die Perspektive auf Probleme und Missstände ändern kann. Man kann manches eine Zeitlang ganz gut verdrängen oder in Schach halten und merkt gar nicht mehr, wie es im Hintergrund brodelt. Scheiße, ich habe den Topf auf dem Herd ganz vergessen! Aber da ist es schon zu spät, und die Soße quillt über den Topfrand. Insofern sind wir Menschen alle mehr oder weniger kleine Vulkane. Also, es gibt sehr ausgeglichene Gemüter, aber es soll mir niemand sagen, dass er diese Stimmungsschwankungen nicht kenne. Obwohl ich meist ruhig wirke (ehrlich), entwickele ich ab und zu ein hitziges Temperament, wenn mich das Fell juckt. Gerade weil ich vieles hinterfrage, steigere ich mich gern in meinen Unmut hinein, wenn ich keine plausiblen Antworten bekomme. Leider gibt es Fragen, die von vorneherein nicht zu beantworten sind. Und obwohl ich das weiß, laufe ich heiß …, als könnte ich mich mit der gesamten Welt anlegen oder gar mit Gott. Fatal. Okay, der Alkohol kann bei diesem Prozess als Brandbeschleuniger dienen. Aber schon als Kind neigte ich zu derlei Wutausbrüchen. Das kann meine Mutter bezeugen. Mein großer Bruder wusste sehr gut, wie er mich reizen konnte …
Während ich damals mit trommelnden Fäusten meinen Bruder bearbeitete, entlädt sich heute meine Wut ausschließlich verbal. Körperliche Gewalt wurde mir im Erwachsenenalter zuwider. Nun kann man sagen, dass man mit Worten ebenso verletzen kann. Mag sein. Wenn ich verbal um mich schlage, kann ich mir oft nicht vorstellen, dass ich damit einen Menschen persönlich weh tun könnte. Jedenfalls vermeide ich Schläge unterhalb der Gürtellinie - soll heißen, ich versuche trotz aller Leidenschaft fair und beim Thema zu bleiben. Sollte mir doch im Eifer des Gefechts ein Ausrutscher passieren, dann bitte ich um Rückmeldung. Ich weiß, dass ich ziemlich zynisch und sarkastisch sein kann.
Es ist komisch: Man kennt sich und ist sich doch fremd. Das gilt für sich selbst und für die nahestehenden Menschen. Und darum ist eigentlich jede menschliche Beziehung ganz schön kompliziert. Ich habe große Achtung vor Menschen, die immer diplomatisch und ruhig bleiben können. Wie gesagt, kann ich mich z.B. im Beruf mit meinen Meinungsäußerungen am Riemen reißen, aber irgendwann bricht mein Unmut aus mir heraus! Fuck! (Oh, Entschuldigung, eine verbale Entgleisung.)
Ich glaube, bei mir sollte es nicht Midlifecrisis heißen sondern Wholelifecrisis. Seit ich denken kann, renne ich mit dem Kopf gegen die Wand, dabei bin ich echt nicht masochistisch veranlagt.
Ich kann mich einfach nicht damit abfinden, dass …
Aber jetzt wird`s langweilig.
Euch noch einen schönen Montag!

Samstag, 6. Oktober 2012

Du, Zeit


Mit Siebenmeilenstiefeln wäre manches problemloser. Eine andere Möglichkeit wäre, die Zeit anzuhalten. Während die Welt stillstünde, würde ich mich auf den Weg machen. Ich würde mir meinen Rucksack packen und den kürzesten Weg über die Autobahn nehmen. Der ganze Verkehr stünde ja auch still. Ich würde gemütlich vorbei an den dicken Karren und Sportwagen auf der Überholspur schlendern, und zwischendurch vesperte ich auf einer Motorhaube. Das wäre sicher sehr seltsam. Die Menschen sähen mich nicht. Ich wäre so was wie ein Geist, der wie ein kalter Schauer an ihnen vorbeikommt und sie höchstens ein wenig irritiert ("Karl, woher kommt denn die Käsescheibe auf der Kühlerhaube?"). Dumm wäre halt, dass ich den ganzen Weg zu Fuß zurücklegen müsste, wenn alles außer mir in eine unantastbare zeitliche Starre verfiele. Nach Kärnten wäre ich viele Tage unterwegs. Einige Wochen wahrscheinlich. Und am Zielort würde dann die Zeit normal weiterlaufen – das war meine Idee. Der zweite Nachteil neben der großen Laufstrecke wäre, dass ja für mich die Zeit weiterliefe. Nach vielen solchen Exkursen würde ich gegenüber meinen Mitmenschen ganz schön alt aussehen. Ich müsste mir das mal genau ausrechnen, wie viel mehr ich da im Jahr altern würde. Aber es sollte auch nur eine zwischenzeitliche Lösung sein. Vielleicht ließe es sich besser mit dem Fahrrad bewerkstelligen. Erstens wäre ich schneller, und zweitens könnte ich mehr Proviant mitnehmen. Ich überlegte mir auch schon in anderen Situationen, dass es cool sein müsste, die Zeit für sich anzuhalten. Zum Beispiel kurz vor einer Prüfung, so dass man noch den Stoff pauken kann. Oder inmitten einer unangenehmen Situation, um sich eine Ausrede auszudenken oder einfach zu verschwinden …
Oder um eine besonders schöne Sache noch länger auszukosten. Auch Banküberfälle wären leichter möglich. Und man könnte ohne Probleme aus jedem Gefängnis entwischen.
Aber wie gesagt, wer diesen Trick zu oft anwendete, würde es mit seinem schnelleren Altern bezahlen. Die Verführung bei solchen Sachen ist ziemlich groß. Man müsste recht charakterstark sein, verfügte man wirklich über diese Möglichkeiten.

Was ich sagen wollte: Ich wäre jetzt gern in Kärnten. Ohne Bus und Bahn. Einfach hin geträumt. Am Besten gleich in ihre Arme.

Die Zeit bleibt nicht stehen. Sie schreitet gleichmütig voran. Sie durchdringt alles und nimmt alles mit auf ihren Weg. Nur der Tod trickst die Zeit aus. Doch das ist nicht wirklich ein Austricksen, denn der Tod ist … der Tod ist … der Tod ist … der Tod ist … der Tod.
Die Zeit ist wie eine Zeltstange, die unser Leben aufspannt.
Wir können nicht ohne Zeit existieren.

Ich warte. Ich warte, dass die Zeit vergeht. Das ist manchmal fast so, als würde sie stillstehen.
Der Tag schaut mich gläsern an. Sonnenlicht in Tönen hellblau und grau. Versteckt pulsiert mein Blut. Jede Sekunde. Ich warte und atme. Meine Augen sind die des Tages. Die Finger vor mir Spinnenbeine meines Geistes. Ich spüre die Zeit in jeder Zelle meines Körpers. Jeder Moment ist eine Geburt. Fließbandgeburten.

Könnte ich der Zeit Fragen stellen.

Donnerstag, 4. Oktober 2012

Erstes Frösteln


Der Herbst hält Einzug. Jedes Jahr ist der Wechsel der Jahreszeiten ein Naturerlebnis, das mich fasziniert – hautnah sozusagen. Der Vermieter ist heiz-geizig, so dass ich morgens in meiner Bude friere und mit dem Elektro Konvektor zuheizen muss. Ich schaue aus dem Fenster: Noch ist die Verfärbung der Blätter nur leicht. Gelb, Ocker und braune Tupfer arbeiten sich langsam vor. Auf den Wegen mehren sich die gefallenen Blätter. Die Jahreszeiten vollziehen sich in Wellen: der Sommer ist der obere Scheitelpunkt, der Winter das untere Wellental und dazwischen die Wendepunkte Herbst und Frühling. Die Sonne steht nun schon tief, so dass sie am späten Nachmittag hinter den Hausdächern verschwindet. Die Schatten werden länger und die Gäste in den Biergärten weniger. Decken liegen auf den Stühlen, in die sich die Gäste einmummeln. Noch will man sich nicht recht daran gewöhnen, dass der Sommer vorbei ist. Lieber erträgt man ein leichtes Frösteln.
Ich reite auf den Wellen der Jahreszeiten im Schneckentempo. Doch schaut man eine Weile nicht hin, ist man überrascht, wie weit die Zeit vorangeschritten ist. Rückblickend verging der Sommer im Sauseschritt – ein Sommer, den ich nicht so schnell vergessen werde. Etwas ängstlich schaue ich auf den Winter, auf die Kälte und die tristen Tage. Was wird der Winter mit mir machen? Ich komme mir vor wie als Kind vorm Beckenrand, das sich nicht recht ins Wasser traute. Dabei stehe ich in meinem fünfzigsten Lebensjahr. Und außerdem bin ich im Winter geboren. Also.
Trotz Elektro Konvektor fröstelt es mich. Meine Finger bewegen sich klamm über die Tastatur des Laptops. Am Besten akklimatisiere ich mich, wenn ich rausgehe. Es sieht nicht wirklich freundlich aus heute. Der Tag präsentiert sich in einer gräuliche Grießsuppe. Dazu geht ein fieser Wind. Ich kann ein Halstuch mitnehmen und die neue Baskenmütze, die ich dann wahrscheinlich doch nicht aufsetze. Vielleicht nach ein paar Bier in Heidelberg. Ich will mal wieder durch Heidelberg stromern ...

Mittwoch, 3. Oktober 2012

This world is nuts


Warum ist die Welt so klein? Egal ob auf Hawaii oder im Himalaya …, die Welt schrumpft zu einer Nuss, wenn der Alltag kommt. Es ist eine ganze Kiste voll Nüsse, zwischen denen deine Träume zermahlen werden, bis gar nichts mehr von den Träumen bleibt außer vielleicht einem Mond hinter Wolken, wenn du Feierabend hast. Anders gesagt: Die Menschen scheißen die Welt zu mit allerhand kleingeistigen Dingen. Es gibt keinen Ort mehr ohne Bürokratie und Coca Cola. Wobei Coca Cola für mich nur ein Platzhalter für das System ist, welches dahinter steckt. Das System heißt „Ballaballa“. Ja, ich weiß, ich sage damit nichts Neues. Ich habe vier Nächte hinter mir und fühle mich noch etwas zermatscht. Das wird`s sein. In Wirklichkeit bin ich ballaballa und nicht die Welt.
Anderes Thema? Z.B. zu Dirk Bachs plötzlichem Ableben: Nun ist er für immer im Dschungel Camp … Gut? Eher nicht so gut? Oder: Neue Redensart für jemanden, der keinen Spaß versteht: Hey, bis du islam oder was!? Was? Auch nicht gut? Hab nur Scheiße im Kopf? Schon möglich. Ich bin infiltriert von der Ballaballa-Welt.
Warum ist die Welt so klein? Egal ob im Ruhrgebiet oder in Schanghai …, die Welt schrumpft zu einer Nuss, wenn der Alltag kommt. Manchmal habe ich gute Gedanken im Halbschlaf. Nicht immer kann ich sie retten. Ich bewahre mir gern etwas vom Traumland. Das ist nicht leicht. Sobald ich aufgestanden bin, stürmen die Sorgenreiter heran wie eine wilde Horde Mongolen über die sibirische Steppe. Noch sehe ich nur eine Staubwolke am Horizont, aber sie kommen schnell näher. Es gibt keinen Platz zum Entkommen. Nichts bleibt von den Träumen. Fast nichts, wenn ich es nicht schnell aufschreibe. Träumen ist Luxus. Ich bin bereit, für diesen Luxus zu kämpfen, egal wo auf der Welt. Wenn schon ballaballa – dann mein eigenes!
Sonst will ich nichts. Scheiß auf Karriere, Kinder und Haus. Scheiß auf die Politik. Scheiß auf die Religionen und Philosophie. Scheiß auf den ganzen Scheiß. Aber lasst mir meine Träume …
Ausgespuckt ins Leben, durch die Tretmühlen gejagt, um erwachsen zu werden, im Berufsalltag ausgelaugt und schließlich mit einer Butterbrotrente ins Altenteil geschickt. Das ist nicht Orwell „1984“ und auch nicht Aldous Huxley „Schöne neue Welt“ - das ist die Realität!
Ja, ich weiß, ich sage damit nichts Neues. Ja, das wird`s sein.

Donnerstag, 27. September 2012

Grabengeschichten, Grabengedanken


Wider Erwarten tauchte Socke, die Graben-Katze, wieder auf. Die Kinder hatten sich schon damit abgefunden, dass sie verschwunden war. Socke wuchs über den Sommer zum jungen Kater heran. Nun war die Freude groß, dass er zurückgefunden hatte, - er belagerte sofort wieder das kleine Graben-Haus und schwarwenzelte zwischen unseren Haxen umher. Am Abend von Olivias Geburtstag war er plötzlich wieder da … mit einer Gefährtin im Schlepptau.

Zurück im Graben – nach einem sonntäglichen Familienausflug zum Schloss von Straßburg – entwischte dem Tierarzt ein argentinisches Höckerrind aus seiner Herde. Die Kinder entdeckten den jungen Stier, wie er arglos auf einem Nachbargrundstück stand. Mit Stöcken bewaffnet waren wir Erwachsenen zugange, ihn zurück in eine Koppel zu treiben. Der Stier zeigte sich gar nicht begeistert. Doch nach einigem Hin und Her klappte es doch. Ich war noch nie bei einem Stiertreiben dabei gewesen. Beinahe kam ich mir vor wie in einer von Astrid Lindgrens Geschichten „Wir Kinder aus Bullerbü“. Die Kinder tobten noch bis zum Abendessen durch den Graben.

Kuhglocken und dann und wann Motorsägen sind mir lieber als städtischer Verkehrslärm. Das Leben auf dem Land hat zwei Gesichter: zum Einen noch urig gewachsene Gemütlichkeit, Ruhe und einfaches Leben, zum Anderen kulturelle Trotzigkeit und das Gefühl, vom Leben abgeschnitten zu sein. Am liebsten wohne ich zwischen Stadt und Land, um beides vor der Tür zu haben. Es fällt mir schwer, mich für eine Lebenswelt zu entscheiden. Schnell fühle ich mich eingeengt. Man muss mich einfangen, bzw. wie den Stier vom Graben in eine Koppel treiben. Von selbst rühre ich mich kaum, gucke in die Luft und verträume die Tage.

Letztendlich bin ich es, der sich entscheiden muss. Will ich wohin gehören, oder will ich alleine bleiben?

Wie einsam bin ich? Wie einsam war ich in meinem Leben? Oft wählte ich das Alleinsein ganz bewusst. Ich drückte die Welt wie eine Geliebte fest an mich. Niemand kann mir wehtun, wenn ich alleine bin.

Wir fuhren nach Klagenfurt. Die Kinder sind alt genug, dass man sie ein paar Stunden sich selbst überlassen kann. Im Kino lief „Das Schwein von Gaza“ - ein satirischer und herzbewegender Film über die unmögliche, absurde Situation zwischen Israelis und Palästinensern in der Grenzregion. Das Schwein, welches einem armen palästinensischem Fischer ins Netz ging, wurde zum Gegenstand verzweifelter und komischer menschlicher Begegnungen. Ich empfand den Film als skurriles modernes Märchen, in dem schließlich die simple Menschlichkeit über politische und religiöse Widerstände und Dogmen siegte. Am Filmende kullerten Olivia und mir Tränen über die Wangen. Außer einem Pärchen in der letzten Reihe waren wir die einzigen Besucher der Kinovorstellung.
Draußen schüttete es. Wir machten uns gleich auf den Nachhauseweg. Der Regen passte zu der im besten Sinne melancholischen Stimmung, die der Film hinterließ.

Bereits müde im Graben-Bett liegend sollten wir hinsichtlich unserer eigenen Streitkultur auf die Probe gestellt werden. Ich weiß nicht, warum wir uns das antaten. Ein Wort ergab das andere, und wir wiesen uns gegenseitig die Hauptschuld an dem Streit zu. Jeder fühlte sich durch die Reaktion des anderen verletzt. Gefangen in Gegenwelten schliefen wir unglücklich ein. Wer würde den ersten Schritt über den Graben hin zum anderen wagen?

Das Ende ist offen.

Sonntag, 16. September 2012

Zwischen den Stühlen


Die Zeit steckt wie Schaschlik auf einem Spieß. Ich weiß, dass es nie aufhören kann ...
Wie wäre es mit einem Stück finsterem Mittelalter, eine Paprikascheibe, Bismarck und Hitler und danach ein fettes Stück Moderne? Ganz nach Belieben. Wir haben einiges im Angebot. Mild oder mit Tabasco gewürzt. Für jede Religionsrichtung haben wir einen Spieß. Auch einen Kapitalisten-Spieß. Und einen für die Mafia, einen für Spießbürger, einen extra für Philosophen, Politiker … Jeder Geschmack wird befriedigt. Eigentlich muss man sich nicht mehr streiten, weil alle satt werden. Wer Scheiße fressen will, kriegt auch Scheiße. Ich sehe, wie sich Jesus und Mohammed auf einem Spieß umarmen. Halt! Da lief was schief, könnt ihr nicht aufpassen. Mohammed gehört doch auf den anderen Spieß. Der da ist der Islam-Spieß, und das der Christen-Spieß. Lernt ihr das denn nie?! Okay, ich weiß, man kann bei dieser breiten Auswahl schon mal was durcheinander bringen: Juden, Christen, Moslems, Buddhisten, Hinduisten … nur um mal die zu nennen, die am meisten verlangt werden. Der Sozialisten-Spieß war früher mal besser im Rennen. Ganz groß sind natürlich die Kapitalisten. Immer noch. Das sind die, die Scheiße fressen. Ja, genau. Ihr könnt nach der Nase gehen. Bringt mir aber nicht noch mal die Religionen durcheinander! Da reagieren die Kunden stinkesauer! Ach ja, und achtet auf jene, die sich einen Spieß frei zusammenstellen lassen. Die sind mir nicht geheuer. Ich sage nur: Anarchistenvolk! Ich überlegte schon, ob ich die freie Auswahl aus dem Angebot nehmen soll, aber – mein Gott – ich bin Geschäftsmann ... Sollen sie ihren Willen haben. Neulich kam einer, der wollte Hitler, Jesus, Dschingis Khan und Mutter Teresa auf einem Spieß. Ich dachte, ich muss kotzen. Ich konnte den Kunden nicht zu einer anderen Zusammenstellung überreden. Er sagte, dass gerade diese Mischung so eine „pikante“ Note hätte. Also, da sind mir sogar die „Scheiße-Fresser“ lieber. Die sind außerdem am einfachsten zu bedienen.

Ich weiß, dass es nie aufhören kann. Ich weiß, warum ich „Stallgeruch“ hasse. Ich weiß, dass ich niemals dazugehören werde. Nicht zu den Einen und nicht zu den Anderen. Ich werde ewig zwischen den Stühlen stehen. Tja. Wo steht ihr? Oder sitzt ihr bequem – wo auch immer? Schmeißt ihr Steine auf Andersdenkende? Oder ist euch alles egal?







Sonntag, 2. September 2012

Gut bedient


Eigentlich lästere ich ungern über meine Mitmenschen, aber manchmal sind die Vorlagen einfach zu gut.
Im Kaffeehaus ist die Thekenzeit angebrochen. Nachdem ich monatelang fast ausschließlich im Biergarten saß, treibt mich nun die kühle Witterung hinein in die Gaststube.
Hinter der Theke bediente ein junger Mann, ein neues Gesicht. Er wurde noch eingelernt. Wie immer bestellte ich ein Hefeweizen. Diesmal ein helles.
„Ein normales?“, fragte die neue Servicekraft.
„Ein helles.“
Der junge Mann schaute betröppelt. „Wie?“
Ich zog die Stirn kraus und erklärte ihm: „Es gibt helle und dunkle Hefeweizen. Beide sind hoffentlich normal. Und ich will ein helles großes, kein Babyweizen, bitte.“
Er schaute noch nicht wirklich schlauer und meinte: „Ein normales also.“
Nachdem er kurz mit der Stammbedienung gesprochen hatte, ging er zu den Zapfhähnen. Ich bekam mein helles Hefeweizen. Bei der nächsten Bestellung würde ich sagen: „Noch ein normales, bitte.“
Mein Gott, dachte ich bei mir, das gehört doch zu den elementaren Grundkenntnissen beim Thekendienst, - wenn der in allem so unbewandert ist ...
In der Altenpflege ist es nicht anders: Ich beobachte seit Jahren in zunehmendem Maße, dass die jungen Leute ihren Hirnkasten bei der Arbeit nicht einschalten. Wenn denn da was zum Einschalten vorhanden ist. Okay, pauschal lässt sich so eine Beurteilung sowieso nicht abgeben. Es ist mehr eine Tendenz: eine zunehmende Verblödung durch den vielfältigen Medienkonsum, vermute ich. Damit einhergehen eine sprachliche und soziale Armut. Simple Gesten und Zeichen werden nicht wahrgenommen. Bei manchen Pflegekräften würden die Alten vor ihrem Essen verhungern, weil ihnen das Besteck fehlt, oder weil das Essen nicht mundgerecht ist.
Aber ich will gerecht sein: auch ich stellte mich am Anfang meiner Altenpflegekarriere ziemlich doof an. Wenn man die Dinge nicht richtig erklärt bekommt, ist das für einen jungen Menschen mit wenig Lebenserfahrung gar nicht einfach, plötzlich auf die Alten losgelassen zu werden.
So ähnlich wird es der neuen Servicekraft im Kaffeehaus gehen. Wahrscheinlich sagen die Bedienungen unter sich „normales Hefeweizen“, wenn sie die Bestellungen weitergeben. Jeder weiß, was gemeint ist. Natürlich konnte auch ich mir denken, dass ein „normales“ ein großes helles Hefeweizen sein dürfte. Ich wollte den Neuen nicht striezen. Lustig war`s schon. Irgendwie.
Schließlich bekam ich noch ein dunkles von der Stammbedienung spendiert, weil es angeblich übriggeblieben war. Am Ende war ich also gut bedient.

Samstag, 18. August 2012

Ausflug auf den Heiligenberg


Frohen Mutes gingen wir an dem einzigen Sträßchen hoch zum Gipfel des Heiligenberges. Es ist nicht allzu weit, aber die Hitze des Tages setzte uns zu. Nach einer knappen Stunde Weges erreichten wir den Aussichtsturm und wurden mit einem wunderbaren Blick auf das Heidelberger Schloss und den Königsstuhl auf der anderen Seite des Neckartals belohnt. Zur Thingstätte und zum Michaelskloster auf dem Gipfel (440 m ü. NN) war es nicht mehr weit. Nachdem wir alles besichtigt hatten, pausierten wir im Biergarten der Waldschenke.
Der Abstieg auf steinigen Waldpfaden hinunter zum Philosophenweg ging fix. Es war inzwischen später Nachmittag. Ich war wie betäubt von unserem Glück und dem schönen Tag. Olivia ging es ebenso.





Blick vom Gipfel hinunter auf die Thingstätte und auf die Rheinebene bis zum Horizont





ein junger Barde spielt in den Ruinen des Michaelsklosters Gitarre - seine Partnerin sitzt im Baum und begleitet ihn gesanglich





Blick vom Philosophenweg auf die Heidelberger Altstadt und das Schloss



Auch heute ist wieder ein herrlicher Augusttag, nur muss ich am Abend zum Nachtdienst. Seufz!
Noch zwei Nächte, und wir sitzen zusammen im Zug nach Kärnten ...

ein literarisches Tagebuch

Kontakt



User Status

Du bist nicht angemeldet.

Aktuelle Beiträge

deine Gedanken und Geschichten
und nicht ein einziger Kommentar darunter ist schon...
kontor111 - 30. Jan, 10:18
alien-lösung? da ging...
alien-lösung? da ging was an mir vorbei. ist aber eh...
bonanzaMARGOT - 17. Nov, 13:08
richtig. ich dachte nur,...
richtig. ich dachte nur, dass ich es meinen lesern...
bonanzaMARGOT - 17. Nov, 13:05
Wo ist denn das Problem?...
Wo ist denn das Problem? Durch die „Alien-Lösung” von...
C. Araxe - 7. Nov, 22:06
Wenn du ohnehin eine...
Wenn du ohnehin eine neue Blogheimat gefunden hast...kann...
rosenherz - 2. Nov, 13:51
Liebe Leser(innen)
Dieser Blog ruht fortan. Leider ist die Resonanz hier...
bonanzaMARGOT - 02. Nov. 19, 13:39

Archiv

Juli 2025
Mo
Di
Mi
Do
Fr
Sa
So
 
 1 
 2 
 3 
 4 
 5 
 6 
 7 
 8 
 9 
10
11
12
13
14
15
16
17
18
19
20
21
22
23
24
25
26
27
28
29
30
31
 
 
 
 
 
 

Neues in boMAs prosaGEDICHTE-Blog

Suche

 

Extras



prosaGEDICHTE (... die Nacht ist gut für die Tinte, der Tag druckt die Seiten ...)

↑ Grab this Headline Animator


Von Nachtwachen und dicken Titten

↑ Grab this Headline Animator



Status

Online seit 6505 Tagen
Zuletzt aktualisiert: 30. Jan, 10:18