2013 - Reisen

Samstag, 22. Juni 2013

Auf Usedom

Siebter Tourtag


Endlich Sonne! Wie befreit radelte ich von Ueckermünde los. In Anklam machte ich Mittagspause und kaufte mir das Radtourenbuch vom Ostseeküsten-Radweg, das ich für die Weiterfahrt nach Rostock benötigte. Eine Woche war ich nun unterwegs und noch ziemlich blass. An diesem Tag holte ich mir eine rote Nase. Das schöne Wetter sollte mich die ganze Zeit an der Ostsee begleiten – eineinhalb Wochen bis zu meiner Heimfahrt.
Am frühen Nachmittag war ich bereits auf Usedom. Allein der Zustand der Wege ließ manchmal zu wünschen übrig: voller Schlaglöcher, ich holperte über Panzerplatten oder im schlimmsten Fall über altes Kopfsteinpflaster. Spurlos ging das an den Felgen nicht vorüber.
Fünf Kilometer vor Ahlbeck in Ulrichshorst fand ich einen Campingplatz. Diesmal war ich nicht der einzige auf dem Zeltplatz. Ein anderer Radwanderer war auch gerade dabei sein Zelt aufzubauen. Glücklich über das schöne Wetter und die Tourleistung unternahm ich am frühen Abend einen Ausflug nach Ahlbeck. Ich war an der Ostsee!




eine schöne Dorfkirche




herrliche Natur!




Mittagspause in Anklam




gleich bin ich auf Usedom!




Bierpause im Städtchen Usedom




Seeheilbad Ahlbeck - der Oder-Neiße-Radweg endet hier

Freitag, 21. Juni 2013

Am Stettiner Haff

Fünfter und sechster Tourtag


Bei Mescherin verließ der Radwanderweg die Oder. Der Tag war trübe, um nicht zu sagen sehr trübe. Am späten Vormittag regnete es wieder. Ich flüchtete in Penkun in eine Gastwirtschaft, wo ich leckeres polnisches Bier trank. Die freundliche Wirtin erklärte mir eine Abkürzung weiter nach Löcknitz. Glücklicherweise hörte es wieder auf zu schiffen. Ich fuhr etliche Kilometer über Hügelland und kam ganz schön ins Schwitzen. Ab Löcknitz durch den Naturpark "Am Stettiner Haff" war es wieder flach. Ich hatte nur Gegenwind; da aber weite Strecken durch Waldgebiet führten, kriegte ich den nicht allzu oft zu spüren. Ich kam gut voran. Bei Bellin, wenige Kilometer vor Ueckermünde, erreichte ich einen Campingplatz und baute mein Zelt auf.

Am nächsten Morgen konnte ich das Zelt noch im Trockenen abbauen. Schon in Ueckermünde wurde es allerdings richtig nass. Über zwei Stunden saß ich in einer Café-Bäckerei, bis ich frustriert eine Pension anrief. Natürlich hörte es später auf zu regnen, aber da hatte ich bereits mein Zimmer bezogen und war zu Fuß auf dem Weg in die Stadt – mit einem Regenschirm, den ich mir vom Herbergsvater geliehen hatte und auf meinem Spaziergang gar nicht brauchte. Es war Sonntag; ein Supermarkt hatte dennoch geöffnet, so dass ich mich mit Proviant eindecken konnte. Am Abend lief das Fußballländerspiel „Deutschland – USA“, das ich mir auf meinem Zimmer angucken wollte. Ich verschlief allerdings das meiste davon.
Ueckermünde riss mich nicht vom Hocker, was vielleicht am miesen Wetter lag. Jedenfalls aß ich dort das beste Fischbrötchen meines Lebens.




was sind das für seltsame Türme, die im Himmel verschwinden?




unterwegs auf Waldwegen




mein Zelt steht am Stettiner Haff




die Uecker




Ueckermünder - Geschmackssache

Donnerstag, 20. Juni 2013

Das Unwetter

Vierter Tourtag


Als ich am frühen Morgen von Kienitz losradelte, machte ich richtig Holz. Es ging erst mal ca. dreißig Kilometer auf bzw. am Oderdamm entlang. Von Kienitz nach Hohenwutzen – dazwischen gab es nichts als Wegstrecke. Die nächste, größere Stadt war Schwedt, die ich schon mittags erreichte. Die Sonne war zwischenzeitlich herausgekommen. Nur der Gegenwind machte mir zu schaffen.
In Schwedt machte ich Pause. Es zeichneten sich bereits wieder Gewitterwolken am Himmel ab.
Die Pause fiel etwas länger aus als gedacht, aber ich wollte unbedingt noch ein paar Kilometer weiter – bis Mescherin, wo ein Campingplatz ist.
Das Wetter machte mir einen Strich durch die Rechnung. Vor Gartz wurde ich von einem Unwetter erwischt, wie ich es selten erlebte. Selbst im Schutz des Unterstands, den ich noch erreichte, wurde ich total durchnässt. Der Wind peitschte den Regen und auch Hagel in alle Ecken.
Ich kauerte mich nass und durchgefroren auf dem Tisch zusammen und trank Bier ... Das heftige Spektakel dauerte über eine Stunde, und immer noch war kein Licht am Horizont zu entdecken. Trotz andauernd starkem Regen machte ich mich wieder auf den Weg. Gartz war nur ca. sechs Kilometer weit entfernt. Ich flüchtete ins erste Café, an dem ich vorbeikam – tropfnass wie ich war.
Von dort telefonierte ich die Unterkünfte ab und kriegte ein Zimmer in der „Pommernstube“.
Am frühen Abend, der Regen hatte nachgelassen, schlenderte ich durch die Stadt. Ich war froh, wieder ein Domizil für eine Nacht gefunden zu haben.




auf dem Oderdamm




das Wetter schlägt um, bei Schwedt




nasser geht`s nicht mehr




Gartz




Gartz, an der Oder

Dienstag, 18. Juni 2013

Eine Begebengheit am Rande

Überall gibt es Idioten


Als ich in Bad Muskau Quartier bezogen hatte, wanderte ich noch durch die Stadt. Ein einsetzender Gewitterguss zwang mich einzukehren. Ich befand mich direkt an der Grenze, - bzw. an der Brücke hinüber nach Polen, und die eine Kneipe hieß bezeichnenderweise "An der Grenze". Eine Polin, das hörte ich am Akzent, bediente. Sie hatte das Sexappeal, welches manche gewöhnliche Frauen haben, bevor sie aus dem Leim gehen. Guter Arsch und ausladender Busen, um es ordinär zu sagen. Ich schaute öfter hin, denn was besseres gab es nicht. Ansonsten saßen an einem Tisch die Dummschwätzer, wie man sie in Dorfkneipen überall in der Republik antrifft. Sie hatten mich längst beäugt, ließen mich aber in Ruhe. Notgedrungen lauschte ich ihren lautstarken Wortgefechten, die sie sich unter sich und mit der Bedienung lieferten. Zum Teil war es ganz amüsant. Draußen wollte das Unwetter leider nicht nachlassen. Es goss fast zwei Stunden wie aus Eimern. Zum Hotel hatte ich noch einen guten Fussweg vor mir. Ich fühlte mich nicht besonders wohl in meiner Haut. Schließlich entschloss ich mich trotz des Regens zu gehen. Ich stand auf und wollte aus einer Kühlvitrine, die im Gastraum stand, zwei Flaschen Bier zum Mitnehmen entnehmen. Da packte mich plötzlich eine Hand fest am Unterarm, und eine Stimme sagte drohend: "Das geht nicht!" ich wand mich sofort um, blickte dem Idioten in die Augen ... und entschuldigte mich. Der machte unter seinen Kumpels noch kurz auf dicken Affen - wurde aber von diesen beruhigt. "Er entschuldigte sich doch", sagten sie. So schön so gut - ich hatte mich wieder gesetzt und fraß meinen Ärger in mich hinein. Kurz darauf stand einer dieser Leute auf und nahm ganz selbstverständlich eine Flasche Bier aus der Kühlvitrine. Ich zahlte. Als die Polin fragte, ob ich noch Bier mitnehmen wolle, verneinte ich. Es regnete immer noch, aber das war mir inzwischen egal. Nur weg von diesen Idioten, dachte ich.
Das Scheiß Wetter hatte schon genug meine Nerven strapaziert. Am Liebsten wäre ich nach dieser Demütigung ausgerastet. Hier war eine Grenze eindeutig überschritten worden.

Montag, 17. Juni 2013

Unterwegs im Oderbruch

Dritter Tourtag


Mithilfe der Radwanderkarte entsteht die Tour wieder vor meinem geistigen Auge. Mit den Städte- und Ortsnamen kommen auch wieder die Bilder und Erlebnisse hoch.
Ich war die letzten Kilometer an der Neiße unterwegs. Bei Ratzdorf mündet sie in die Oder. Und ruckzuck war ich in Eisenhüttenstadt, wo ich erst mal eine Kaffeepause einlegte. Wenn ich zeltete, blieb mir oft nichts anderes übrig, als ohne Kaffee zu starten. Ich war immer froh, wenn ich die Morgentoilette hinter mir hatte und die nassen Sachen zusammengepackt waren, so dass ich mich auf den Weg machen konnte.
Der Vormittag des dritten Tages war trübe, aber es regnete wenigstens nicht mehr. Bei Frankfurt a. d. Oder drang langsam die Sonne durch die Wolkendecke. Als ich im Oderbruch unterwegs war, wurde es zeitweilig richtig sonnig. Doch schon am Nachmittag ballten sich bei zunehmender Schwüle am Himmel drohend Gewitterwolken von allen Seiten zusammen. Glücklicherweise erreichte ich trocken Kienitz, wo eine Pension und Gaststätte hinter ihrem Haus eine Wiese als Zeltplatz eingerichtet hatte. Drei ältere Ehepaare (um die Sechzig schätzte ich sie), die auch mit dem Rad und Gepäck unterwegs waren, und denen ich an dem Tag mehrmals auf der Strecke begegnet war, nahmen sich Zimmer, während ich mein Zelt aufbaute – wieder das einzige auf der Zeltwiese. In der Gaststube kamen wir schließlich alle zusammen, und ich hörte mir ihre ganzen Geschichten an. Die Männer hatten viel aus ihrem Leben zu berichten, vor allem was für tolle Kerle sie waren, und die Damen schwiegen größtenteils dazu. Nach einigen Bier löste sich auch meine Zunge, aber ich konnte nicht mithalten. Ein Ehepaar schien besonders reiselustig zu sein. Der Mann erzählte Abenteuer von allen Kontinenten.
Am nächsten Morgen fuhr ich zeitig los. Wir begegneten uns nicht mehr auf der Tour. Auch sie wollten den Oder-Neiße-Radweg bis nach Usedom zu Ende fahren.
Langsam hatten sich bei dem feuchten Wetter die Stechmücken zur Plage entwickelt. Natürlich gerade beim Zelten. Auf der Zeltwiese hinter der Pension war es besonders schlimm. Es muss nach Tourette ausgesehen haben, wie ich zwischendurch um mich schlagend das Zelt auf- bzw. abbaute.






zum ersten Mal an der Oder, bei Ratzdorf




Eisenhüttenstadt




Rast im Oderbruch




Sonnenuntergang bei Kienitz

Sonntag, 16. Juni 2013

Der große Regen

Erster und zweiter Tourtag


Einen Vorgeschmack auf Nässe und Kälte hatte ich schon in Dresden bekommen. In der Folgewoche kam es aber erst richtig dicke. Ich startete in Görlitz bei Nieselregen. Doch schnell regnete es sich ein. Nun war ich nicht sonderlich gut mit Regenkleidung ausgerüstet. Ich hatte nur eine Regenjacke. Bisher genügte dies auf meinen Fahrradreisen. Doch bei starkem Dauerregen war ich eindeutig underdressed. Wenigstens hatte ich Handschuhe dabei.
Solange ich in die Pedalen trat, kühlte der Körper nicht zu sehr aus. In Rothenburg a.d. Neiße machte ich schließlich in einer Wirtschaft eine längere Mittagspause und überlegte, ob ich überhaupt weiterfahren sollte. Da ich bereits bis auf die Haut nass war, entschloss ich mich, noch bis nach Bad Muskau zu radeln. Am ehesten wird man durch den Fahrtwind und die Körperwärme getrocknet, falls es mal zu regnen aufhört. Unterwegs dachte ich: „Frei- und Fahrtenschwimmer habe ich schon lange – nun habe ich auch den Fahrradschwimmer.“
Es war wirklich schade, dass ich durch das Mistwetter die schöne Strecke die Neiße entlang nicht genießen konnte. Vor Bad Muskau hörte es auf zu regnen, trotzdem nahm ich mir mit meinen nassen Klamotten ein Zimmer. Am Abend öffneten sich bereits wieder die Schleusen des Himmels, diesmal begleitet von Blitz und Donner.

Am nächsten Morgen begrüßte mich (welch Wunder) die Sonne. Es war gleich ein ganz anderes Erlebnis. Ich notierte: „Heute hatte ich ein paar Stunden lang Genuss-Radeln pur. Leider holte mich der Regen am Nachmittag ein – heftiger Gewitterregen.“ Ich hatte gerade mein Zelt auf dem Campingplatz bei dem Dorf Bresinchen aufgestellt (das liegt in der Nähe von Guben), als es zu schütten anfing. Ich war der einzige Camper auf dem gesamten Platz. Nein halt, am See stand ein einzelner Wohnwagen. Die Leute an der Rezeption schauten mitleidig.
In einer Regenpause radelte ich nach Guben, um Reiseproviant einzukaufen – immer wieder den Blick zum Himmel gerichtet…
Auf dem Rückweg kehrte ich in Bresinchens einziger Gastwirtschaft ein. Es regnete bereits wieder. Die Wirtin fragte, wo ich unterkäme. Als ich antwortete, dass ich auf dem Campingplatz zelte, sagte sie nur: „Um Himmelswillen!“




die schöne Neiße - nur das Wetter ist scheiße




ein Lichtblick




auf dem Campingplatz bei Bresinchen




in Guben - wo man nicht überall vorbeikommt

Samstag, 15. Juni 2013

Tourstart in Görlitz


Manchmal stellten sich ausgewiesene Zeltplätze lediglich als Abstellplätze für Wohnmobile heraus. So auch in Görlitz. Ich nahm mir ein günstiges Zimmer. Görlitz ist eine schöne kleine Stadt an der Neiße. Der Regen hatte am Nachmittag eine Pause eingelegt, und ich begann für meine Tour zu hoffen. Bis in die Abendstunden wanderte ich durch Görlitz` Straßen und machte auf seinen Plätzen Rast. Schließlich fand ich auch noch ein Pub mit einem freundlichen Barkeeper. Zum Verlaufen ist die Innenstadt eine Nummer zu klein. Auf dem Rückweg zur Pension wurde ich von einer jungen Frau angesprochen: „Können Sie mir sagen, wo die Cocktail Bar Noname ist?“ Diese Frage amüsierte mich – warum ich sie mir merkte.




die Neiße bei Görlitz




unterwegs in der Innenstadt




eine schöne Gasse




auf dem Rückweg durch einen Bogengang




abendliche Kulisse des gegenüberliegenden, polnischen Ufers

Freitag, 14. Juni 2013

Dresden


Zwei Nächte in Dresden. Der Campingplatz lag nicht allzu weit von der Innenstadt entfernt. Mit dem Bus war ich in gut zehn Minuten am Bahnhof oder am Großen Garten. Kaum stand mein Zelt, begann es zu regnen. Die Nächte dementsprechend kalt und feucht. (Ich ahnte da noch nicht, dass es acht Tage mit wenigen Unterbrechungen regnen würde.) Samstag Nachmittag, den 25.05., kam ich an. Ich war mit dem Zug von Heidelberg angereist. Viermal umsteigen – die Reise hatte mich ermüdet, auch weil ich schon halb Fünf am Morgen aufstehen musste. Das Hermann Van Veen Konzert im Großen Garten, für welches Perlentaucherin mir eine Eintrittskarte angeboten hatte, wollte ich mir aber nicht entgehen lassen.
Ich hätte meinen Schirm mit auf die Reise nehmen sollen, doch der liegt bzw. steht im Schirmständer im Foyer des Altenheims, wo ich ihn vergessen hatte. Nach dem Konzert war ich pudelnass. Hermann Van Veen wollte gar nicht mehr aufhören mit seinem Vortrag. Etwas selbstverliebt ist der Kerl, glaube ich, schon – aber wirklich liebenswert, und ich mag die meisten seiner Songs: seine Ironie und Gesellschaftskritik, seine Clownerie, seine gefühlvollen Töne und seine große musikalische Palette. Als wir uns leicht durchgefroren auf den Rückweg machten, stimmte er noch einen Song an. Perlentaucherin verabschiedete sich nach Hause, weil sie zu ihrer Arbeit früh aufstehen musste, und ich fuhr mit dem Bus zurück zum Campingplatz. Dort lief in einem Zelt noch das Championsleague Finale zwischen Dortmund und Bayern. Unweit eines aufgestellten Heizpilzes setzte ich mich und sah die zweite Halbzeit. Unter den Zuschauern waren mehr Dortmunder Fans, die es leider an Sportsgeist vermissen ließen und ständig abfällig über die Bayern herzogen. Mir war es wurscht. Ich wollte mich nur etwas aufwärmen, ein Bier trinken und mich an dem spannenden Spiel erfreuen.
Sonntagvormittag spazierte ich durch die Dresdner Innenstadt. Lange war es draußen aber nicht auszuhalten. Es regnete sich ein und das Thermometer kletterte kaum über zehn Grad Celcius. Es war nicht besonders spaßig draußen, so dass ich mich bald in die Kneipen verzog. Am Nachmittag ging ich ins Kino - in den Streifen „Der Dieb der Worte“. Ich saß ganz alleine im Vorführraum. Der Film war … gut!
Viel mehr gibt es über meinen Aufenthalt in Dresden nicht zu berichten.
Am nächsten Morgen reiste ich nach Görlitz ab.





Hermann Van Veen im Großen Garten





auf dem Weg in die Dresdner Innenstadt





im Hintergrund die Frauenkirche





noch kein Hochwasser





Der Dieb der Worte

Donnerstag, 13. Juni 2013

Zuhause


Zuhause. Der Sonnenbrand auf dem Kopf juckt noch leicht. Die Waschmaschine läuft. Ich höre Black Sabbath. Das Gestrüpp wuchs fast fensterhoch. Der Bundestag debattiert. Die ersten Sonnenstrahlen erreichen mich durch das Dickicht. Auch wenn niemand auf einen wartet, ist das Zuhause ein Zuhause. Ich müsste dringend wieder ausmisten. Ich fühle mich schnell von all den Dingen um mich herum bedrängt. Bevor sie mir die Luft nehmen, müssen sie weg.

Die Zugfahrt war lang ... Aber wenigstens musste ich nicht umsteigen. Ich fühlte mich am Reisetag wie nicht ganz da. Auf dem Weg zum Rostocker Bahnhof kam ich ins Schwitzen. Plötzlich befand ich mich auf Abwegen. Die Menschen wirkten seltsam ablehnend mir gegenüber – was natürlich Einbildung ist. Wahrscheinlich war ich einfach nur erschöpft und müde. Na ja, ich habe Humor und Stehvermögen. So leicht lasse ich mich von widrigen Umständen nicht aus der Fassung bringen. Normalerweise. Jedenfalls kam ich gut mit Fahrrad und Gepäck in den Intercity. Der Fahrrad- und Gepäckwagen befindet sich meist am einen Ende des Zuges und das Bordbistro am anderen, dazwischen ca. ein Dutzend Wagen. Vor Hamburg machte ich mich auf den Weg, weil ich dann einen Sitzgenossen bekommen sollte, der aber nur bis nach Bremen fuhr. Ich mag es einfach nicht, stundenlang neben einer fremden Person zu sitzen, ohne dass man abrücken kann. Das ist mitunter das Ätzende an langen Zugreisen: die Beengtheit, wenn der Zug voll ist.
„Ein helles Hefeweizen, bitte.“
Eine verknöchert wirkende alte Jungfer bediente im Bistro. Eine Sächsin, wie ich ihrem Akzent entnehmen konnte. Es gibt Menschen, die einen immer irgendwie vorwurfsvoll begegnen, egal, was man sagt oder von ihnen will. Vom Rostocker Bahnhof hatte ich noch einen Verzehrgutschein – ich war auf der Toilette gewesen und hatte mit einem Eineurostück gezahlt, worauf der Automat nicht etwa ein Münze zurückgab sondern diese Fünfzigcent-Gutschrift. Im Voraus: ich hatte auf dieser Gutschrift im Briefmarkenformat noch nicht das Kleingedruckte gelesen.
„Kann ich den bei Ihnen einlösen?“ fragte ich die alte Jungfer freundlich, „ich habe den vom Bahnhof.“
„Nein!“ antwortete sie schnippisch, „wo sind wir hier? Im Zug oder im Bahnhof?“
Ich überlegte kurz: „Manchmal kommen Züge und Bahnhöfe zusammen ...“
Die alte Jungfer stöhnte auf, als wolle sie sagen: Was ist denn das für einer? Sie hatte mich gefressen. In unangenehmer Atmosphäre halte ich es nicht lange aus, und sowieso strömten von Haltestation zu Haltestation immer mehr Reisende ins Bordbistro. Ich trank also nur zwei Weizenbier und machte mich auf den Weg zurück zu meinem Sitzplatz. Wir hatten Bremen passiert.
Dummerweise saß auf dem Platz neben mir nun ein anderer Fahrgast, der bis Köln fuhr …
Die Luft im Großraumwagen war dick. Ich döste oder las „Les Misérables“ und verzehrte langsam meinen Reise-Biervorrat. Wir passierten den gesamten Ruhrpott. In Rostock hatte noch die Sonne geschienen, inzwischen war es düster und schwül geworden.
Um es kurz zu machen: ich kam wohlbehalten in Heidelberg an. Mein erster Weg führte mich zum Bahnhofsfriseur. Noch ein Ankommensbier, und ich machte mich mit dem Fahrrad auf die letzten Kilometer.
Wieder hatte ich das Gefühl, dass sich alles gegen mich verschworen hatte, als wünschte mir jemand, dass ich am Ende meiner Reise noch tüchtig auf die Fresse fallen sollte. Tausende Studenten kamen mir auf ihren Fahrrädern entgegen, schnitten mich, fuhren mir beinahe ins Rad. Und mit den Autofahrern war es das selbe. Ich musste auf dem Heimweg höllisch aufpassen. „Mein Gott“, dachte ich, „ich wusste gar nicht, dass in meiner Heimat so viele Idioten unterwegs sind!“ Ehrlich, auf der gesamten Fahrradreise von Görlitz hoch an die Ostsee begegneten mir nicht so viele rücksichtslose Fahrrad- und Autofahrer wie auf diesen letzten fünfzehn Kilometern.
Glücklicherweise ging alles gut. Nach einem Supermarkteinkauf * und einem letzten Halt vorm Kaffeehaus …, landete ich zuhause.
Mit Lawe hatte ich in Rostock noch über schicksalhafte Fügungen diskutiert. Sie hatte gemeint, dass alles einen Grund hat, während ich von Zufall sprach. Es gab tausend Gefahren, die mir auf dieser Fahrradreise hätten zustoßen können. Vielleicht hatte ich einen Schutzengel. Vielleicht ist meine Zeit einfach noch nicht gekommen. Was weiß ich. Außer einer roten Nase von den letzten Tagen, geschundenen Gliedern sowie ein paar Mückenstichen trug ich keine nennenswerten Blessuren davon.

Inzwischen läuft Deep Purple. Im Bundestag wird immer noch debattiert. Weiß der Teufel worüber. Die Wäsche ist längst fertig und aufgehängt. Es ist Mittag. Der Tag zeigt sich durchwachsen aber warm. Am Briefkasten war ich noch nicht.
Verdammt, ich bin zuhause.

(* Betr. Supermarkteinkauf: Beim Zahlen fiel mir ein Eincentstück herunter. Die Kassiererin fragte: "Haben Sie zu viel Geld?" Ich stutzte einen Moment, weil ich nicht begriff, was sie meinte. Dann antwortete ich: "Ja, kommt mir auch manchmal so vor.")

Freitag, 7. Juni 2013

Wohin geht's


Der Urlaub fing beschissen an, Mann,
In Dresden Hermann Van Veen war schön,
Trotz Regen und Kälte im Zelte,
In Görlitz ging es erst richtig
los - famos,
Ich wurde nass bis auf die Haut - alles versaut,
Trübe die Tage, eine Plage,
Ich dachte an die Lieben, die ich versiebe,
Ich dachte an die Welt und das Geld,
Ich dachte an dich und mich,
An der Ostsee kam endlich die Sonne, welche Wonne,
Doch mit der Sonne noch mehr Sehnsucht - verflucht,
Am Ende der Reise werde ich leise, 
Ich denk', alles ist ein Geschenk,
So manches vergibt man, ist schuld dran,
Es gibt solche und solche Tage, je nach Wetterlage,
Doch bleibt immer - der Kummer,
Doch bleibt stets die Frage - wohin geht's?

ein literarisches Tagebuch

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