Ahab



Neulich bekam ich Panik
dass ich morgen schon tot sein könnte
ich war über meine Angst
selbst erstaunt
das ist eine neue Dimension, dachte ich
manche Dinge, die ich vorher
nur dachte
wurden plötzlich zum Gefühl
leider nicht besonders angenehm
so wird man also verrückt
langsam verrückt
woher kommt die Leidenschaft
die mich von der Jagd auf den
Weißen Wal
besessen macht …?
toc, toc – der Holzfuß in meinem Kopf
auf Deck, der unruhige Geist
der mich nicht loslässt
selbst wenn er mich
hinunter in die Tiefen
reißt
einsam bin ich
ein einsamer, alter Mann
dessen Augen sich in tiefe Seen verwandeln
und dessen Schläfen der Welt
grau
entgegen träumen

Neulich blickte ich wieder über die roten
Dächer meines Geburtsortes
über Kaskaden blühenden Lebens
als wäre die Uhr stehengeblieben
eine 95Jahre alte Oma
saß auf der Bank
daneben
ich war in ihr zahnloses Lachen verliebt



(15.04.2003)
sehnsuchtistmeinefarbe (Gast) - 29. Dez. 11, 14:30

ich denke nicht,

dass es sich um verrücktheit handelt, sondern vielmehr um das bewusstsein bezüglich der eigenen sterblichkeit. irgendwann kommt das. :-) es ist unterschiedlich wie die menschen damit umgehen. manche beginnen dem nachzutrauern, was war. manche blicken nach vorn und fragen sich: was will ich noch machen mit der zeit "vor mir"?
ich denke, dass leidenschaft sich aus lebenslust speist.

bonanzaMARGOT - 29. Dez. 11, 14:37

hi sehnsucht.
es prallen einige aspekte in diesem gedicht aufeinander.
ein wesentlicher ist die "besessenheit".
je nach art unserer besessenheit richten wir unser leben unterschiedlich aus.
es braucht dazu nicht unbedingt einen weißen wal - manche menschen sind von profanem besessen genug.
man kann sich schwer in andere menschen hineindenken.
aber eins ist gewiss: wir teilen alle dasselbe schicksal, ganz egal mit welchen tätigkeiten, mit welchem ehrgeiz und umtrieben wir unser leben ausfüllen.
ich kann genausogut einfach dasitzen und warten. es spielt keine rolle. oder ich renne unendlich oft um den häuserblock. es spielt keine rolle.
erst wenn mir das klar wird, erwische ich einen funken leben ...
Shhhhh - 30. Dez. 11, 09:59

Zu dem geteilten Schicksal: Bukowski schrieb in seinem Roman "Pulp" an irgendeiner Stelle, dass das Leben wegen der vielen Warterei tatsächlich sinnlos wäre und der Sinn des Lebens eigentlich sinnlos, da es ja im Tod ende. In der Erkenntnis der Sinnlosigkeit sah er dann aber doch noch irgend einen Sinn, zumindest sah er irgendwas.
bonanzaMARGOT - 30. Dez. 11, 10:52

hi shhhhh

bukowski zählt nach wie vor zu meinen lieblingsautoren.
die einstellung, die er in seinen büchern vermittelte, war mir oft ein großer trost.
irgendwie hat er`s dann auch geschafft, alt zu werden.

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