"Damals war ich jung und wusste nicht weiter; jetzt bin ich alt und weiß nicht weiter"

Auszug aus
Ein hin und her schweifender Essay über Poetik und das verfluchte Leben, verfasst bei einem Sechserpack Bier
v. Charles Bukowski


"Andererseits könnte man auch reich werden, und es hätte nichts zu bedeuten. Lachen Sie ruhig. Ich nehme alles Geld, dass ich von Ihnen kriegen kann, werde mir aber immer darüber im Klaren sein, dass ich nichts habe. Wenn die Reichen die Krone der Menschheit sind, dann will ich schnell raus hier.
Ich habe die blanken Knochen der Köpfe toter Schweine mit toten Äpfeln im Maul gesehen, und sie waren weniger hässlich; gar nicht hässlich waren sie im Vergleich. Da saß ich also am Tisch in der Bibliothek, verging vor Hunger im Licht der Sonne. Alles drang auf mich ein: der Scheißkrieg, der Stumpfsinn, der Tod, das Fliegengebrumm …
Damals war ich jung und wusste nicht weiter; jetzt bin ich alt und weiß nicht weiter. Ich saß da, umgeben vom Wissen der Jahrhunderte, und es nützte mir gar nichts, kein Lebender hatte mir etwas zu sagen. Ich saß da zwischen den ganzen Büchern und dachte, so wie die Menschen ums Leben gebracht werden, könnte man sie gleich mit Schraubenzieher und Zange bearbeiten und ihnen Säure in die Augen schütten; man könnte ihnen einfach die Beine ausreißen, sie in Tigerkäfige sperren. So wie sie die Menschen töten, kommen nicht zwei aus einer Million lebend davon, und wer macht das und warum?
Und wenn ich die Bibliothek verließ und durch die Straßen lief, kam ich an verschlossenen Haustüren und zur Nacht verriegelten Fenstern vorbei. An Frauen, die mich schief ansahen wegen meines zerlumpten Aufzugs, die aber mit jedem Schwein geschlafen hätten, das einen Strang Rennpferde oder Pfandhäuser sein eigen nannte. Ich lief durch Straßen voller toter Menschen, die sich bewegten und redeten und Namen und Stolz und Besitztümer hatten, in Wirklichkeit aber tot waren. Jede Gesichterparade wurde für mich zum Albtraum – bösartige, verknöcherte und Kloschüsselgesichter … mir drehte sich alles vor Augen nach so einem Spießrutenlauf; nicht vor Hunger, sondern weil mir klarwurde, dass ich, solange ich lebte, in einer Welt der Toten leben würde."
...
(Charles Bukowski, Das weingetränkte Notizbuch, Stories und Essays 1944 - 1990)

KarenS - 17. Okt. 13, 13:46

Ich habe seine Werke auch eine Zeit lang verschlungen. Und ihn sogar verstanden:-)))

bonanzaMARGOT - 17. Okt. 13, 13:55

alles muss man von einem schriftsteller nicht verstehen.
ich begann bukowski zu lesen, als ich 18 war. da wurde er erst richtig bekannt in deutschland.
ich mochte seine unkonventionelle art und seine einfache, ungeschminkte, teilweise derbe ausdrucksweise. tiefgang fand ich trotzdem genügend in dem, was er schrieb.
ja, bukowski wird gern von seinen kritikern zum proleten-schriftsteller degradiert. das ist er keineswegs. oder ich sage mal: er ist weit mehr als das. er ist einer der besten, die ich las.
bonanzaMARGOT - 17. Okt. 13, 14:17

karens

... und heute liest du ihn nicht mehr?
KarenS - 17. Okt. 13, 14:33

nein, bonanza. irgendwann bemerkte ich, dass er mich
"runter zog". Das magst du nun verstehen oder auch nicht...

bonanzaMARGOT - 17. Okt. 13, 14:38

die wahrheit, bzw. jemand, der sie ausspricht, kann einen schon runterziehen - ist aber auch eine herausforderung, finde ich.
es kommt auf meine stimmung an. immer kann und will ich auch nicht bukowski lesen. es ist so ähnlich wie mit scharfem essen.
aber insgesamt gesehen mag ich leute, die ähnlich wie er - möglichst authentisch - schreiben.
bonanzaMARGOT - 17. Okt. 13, 14:40

wie meinst du das "das magst du nun verstehen oder auch nicht"?
ich vermute, dass bukowski irgendwann nicht mehr in dein mütterlich/familiäres weltbild passte.
KarenS - 17. Okt. 13, 14:57

Nein, das hat damit nichts zu tun. Als ich aufhörte ihn zu lesen, begann eine neue Lebensphase. Weil ich es so wollte:-)

Nichtsdestotrotz habe ich nie aufgehört, ihn zu "mögen".

bonanzaMARGOT - 17. Okt. 13, 15:00

hm. klar. ich hatte auch verschiedene lebensphasen. da war z.b. die pubertät ...
inzwischen bin ich in der spät-pubertät.
ach so, du wolltest erwachsen werden. und in deine erwachsenen-welt passte ein solcher poetischer desperado wie bukowski nicht mehr. weil erwachsensein anpassung und still halten bedeutet. und weil man dann früher oder später zum spießer wird.
bonanzaMARGOT - 17. Okt. 13, 15:03

eine ähnliche entwicklung beobachtete ich bei vielen alt-68ern. sie wurden zu spießern und verrieten ihre alten ideale. heute sind sie kaum noch von denen zu unterscheiden, die sie früher vehement kritsisierten.
KarenS - 17. Okt. 13, 15:04

nein nein, ich kann die gründe hier nicht aufschreiben. und ein spießer war ich nie und werde es nie sein...

bonanzaMARGOT - 17. Okt. 13, 15:07

entschuldige meine neugierde: was können das für gründe sein, dass du sie hier nicht nennen kannst?

ich glaube auch, dass du keine spießerin bis, sonst würdest du nicht regelmäßig auf meinem blog antworten.
KarenS - 17. Okt. 13, 15:18

Könnte schon, will aber nicht.

…„ich glaube auch, dass du keine spießerin bis, sonst würdest du nicht regelmäßig auf meinem blog antworten“…

Sonst würde ich viele Dinge nicht tun:-)

bonanzaMARGOT - 17. Okt. 13, 15:23

da ich dich nur über die blogs kenne, karens ...

du willst nicht - na, das muss ja ein fürchterliches geheimnis sein. wurscht. ich bin`s gewohnt, dass frauen sich bei manchen dingen seltsam zieren; und wenn sie dann irgendwann doch mit der sprache rausrücken, wundere ich mich, wozu-warum das ganze herumgeeiere gut war.
offensichtlich bin ich nicht gerade ein frauenversteher.
KarenS - 17. Okt. 13, 15:25

frauen sind anders...männer sind anders. und das ist gut
so:-)

ich werde jetzt essen, aber leider keine kartoffelpuffer.

bonanzaMARGOT - 17. Okt. 13, 15:29

jetzt schon?

guten appetit!

frauen sind anders als männer. und frauen und männer sind unter sich noch mal anders. es ist ein ziemliches wirrwarr.

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