Vorprogrammierte Altersarmut

Gestern bekam ich Post von der Rentenkasse. Sie teilte mir meine zu erwartende Altersrente mit. Ab dem 15.08.2029 darf ich eine Rente in Höhe von 829,55 Euro monatlich beziehen. Davon werden Steuern sowie Kranken- und Pflegeversicherungsbeiträge abgehen. Wenn ich Glück habe, kann ich mir mit dem, was übrig bleibt, im Jahre 2029 eine 2 qm Zelle leisten, wie es sie z.B. bereits in Hongkong gibt.
Schon mal davon Bilder gesehen? Die Menschen leben dort mit ihren wenigen Habseligkeiten in abschließbaren Käfigen, übereinander gestapelt, in denen gerade mal eine Pritsche Platz hat.
In dem Schriebs werde ich darauf hingewiesen, dass ein zusätzlicher Vorsorgebedarf besteht.
"Da die Renten im Vergleich zu den Löhnen künftig geringer steigen werden und sich somit die spätere Lücke zwischen Rente und Erwerbseinkommen vergrößert, wird eine zusätzliche Absicherung für das Alter wichtiger (Versorgungslücke). Bei der ergänzenden Altersvorsorge sollten Sie - wie bei Ihrer zu erwartenden Rente - den Kaufkraftverlust beachten."
Wenn ich diese Zeilen lese, kriege ich einen imaginären Lachanfall, der mir real im Halse stecken bleibt.
Wenn ich mich z.B. mit der Riesterrente zusätzlich absichere, bekomme ich doch auch nur ein paar müde Euro mehr. Spielt es eine Rolle, ob ich im Jahre 2029 mit 800 oder mit 1000 oder wegen mir mit 1200 Euro rumkrebse? In jedem Fall werde ich zum Sozialfall. Wieso sollte ich also von meinem schon spärlichen Gehalt noch etwas für eine Altersvorsorge abzweigen? Kinder habe ich keine, denen ich zur Last fallen könnte, und meine Eltern werden bis dann wohl das Zeitliche gesegnet haben.
Gar nicht auszudenken, wie vielen Altersgenossen mein Schicksal wahrscheinlich teilen. Wir, die zukünftigen Rentengenerationen, werden immer stärker in die Altersarmut rutschen. Ich frage mich, wer das dann finanzieren soll.
Der Wohnkäfig ist gar nicht so unrealistisch. Oder vorher umbringen? Ich denke schon, dass ich mich lieber umbringe, bevor ich den letzten Rest Menschenwürde verliere. Man sollte zu diesem Zweck Suizidgemeinschaften bilden. Gemeinsam lässt es sich bestimmt leichter sterben - (tut mir ja leid um die Altenpfleger(innen) der Zukunft ... man wird einfach zwischen lebenswertem und lebensunwertem Leben trennen ... und von je her, so ist`s in der Natur angelegt, müssen sich jene aus der Gesellschaft verabschieden, die sich nicht mehr selbständig versorgen können. Besser würdig sterben als unwert leben.)
Aber noch ist es nicht so weit, nicht wahr? Mir geht es gut, und ich habe jetzt einen Grund mehr, mich zu besaufen. Ich werde die mir zugestellte "Renteninformation" rahmen und in den Flur hängen - ich verschlucke mich so gern an meinem Lachen.
bonanzaMARGOT - 20. Dez. 07, 13:26

Cage People - Hong Kong


Freni - 20. Dez. 07, 17:55

Kontra Felix

du schreibst:
"Der Wohnkäfig ist gar nicht so unrealistisch. Oder vorher umbringen? Ich denke schon, dass ich mich lieber umbringe, bevor ich den letzten Rest Menschenwürde verliere. Man sollte zu diesem Zweck Suizidgemeinschaften bilden. Gemeinsam lässt es sich bestimmt leichter sterben...."


Da fällt mir glatt der Felix Krull von Th. Mann ein. Er sagt/schreibt:

" Das Leben nämlich ist zwar keineswegs das höchste der Güter, an welches wir uns seiner Köstlichkeit wegen zu klammern hätten, sondern es ist als eine uns gestellte und , wie mir erscheinen will, gewissermaßen selbst gewählte schwere und strenge Aufgabe zu betrachten, welche mit Standhaftigkeit und Treue durchzuhalten uns unbedingt obliegt und der vor der Zeit zu entlaufen zweifellos eine liderliche Aufführung bedeutet."

Freni

bonanzaMARGOT - 20. Dez. 07, 18:08

Kein Wunder,

dass Felix Krull mit dem Leben kollaborierte - er war ja ein Hochstapler und elender (manchmal auch reizender) Betrüger.
bateman - 20. Dez. 07, 17:58

Nur ein unglaubliches Kopfschütteln über diese Einstellung und Unwissenheit.

bonanzaMARGOT - 20. Dez. 07, 18:05

Dein Kopfschütteln in Ehren,

Bateman - ich wäre dir dankbar, wenn du deinem flapsigen Kommentar eine Erläuterung hinterherschiebtest. Möglicherweise wäre ich danach wissender.
bateman - 20. Dez. 07, 18:18

Es ist die schöne deutsche Tugend des Rumjammerns, was die Altersvorsorge angeht.

"Spielt es eine Rolle, ob ich im Jahre 2029 mit 800 oder mit 1000 oder wegen mir mit 1200 Euro rumkrebse?" Letzteres sind schon einmal 50 Prozent mehr.

"Wenn ich mich z.B. mit der Riesterrente zusätzlich absichere, bekomme ich doch auch nur ein paar müde Euro mehr." Wieviel müde Euro sind es denn, wie hoch ist deine Förderquote?

Und dieser Artikel trifft den Nagel auf dem Kopf. Danach können wir gerne weiterdiskutieren.
bonanzaMARGOT - 20. Dez. 07, 21:27

Du kannst scheinbar deine Meinung

nicht in eigene Worte fassen, Bateman.
Sehr armselig.
Ich scheiße auf den Kapitalismus, und ich scheiße auf jeden, der den Kapitalismus schönreden will.
Und nun kannst du mir ein paar Skinheads auf den Hals hetzen ...
bonanzaMARGOT - 21. Dez. 07, 14:09

Heute etwas ausführlicher, Bateman

Gestern war ich einfach wütend. Gewisse Klugscheißer erklären das Volk zu gern für unmündig und doof. Die Deutschen sind zu doof, sich zu bilden; sie sind zu doof, um sich ihre Altersrente auszurechnen; sie sind zu doof, um Kinder aufzuziehen; sie sind zu doof, sich gesund zu ernähren; sie sind zu doof, sich um eine Beschäftigung zu kümmern; - sind sogar zum Ficken zu doof ...; aber dafür sind sie Weltmeister im Jammern. Zur Zeit ist diese Arroganz gegenüber dem "kleinen Mann" en Vogue. Besonders gern nimmt man die Arbeitslosen aufs Korn, die ja nur zu doof und zu unflexibel sind, sich eine Arbeit zu besorgen. Die Polen arbeiten doch auch für 5 Euro die Stunde - was ziert sich der deutsche Arbeitslose nur so? Das sind doch alles faule Säcke und Alkoholiker, die sich zuhause in ihrem Dreck wohlfühlen - diese Sozialschmarotzer!
Bateman, ich kann es nicht mehr hören. Ich mag diese dumpfen Vorurteile nicht mehr hören, die von konservativen Politikern und rechten Populisten verbreitet werden. Das soziale Klima ist zur Zeit danach, dass man auf den Schwachen der Gesellschaft herumhacken kann, ohne dabei sein Gesicht zu verlieren.
Es ist doch auch viel einfacher, die Sorgen und Ängste der Menschen nicht ernst zu nehmen und ihnen einfach mangelndes Verantwortungsbewußtsein, mangelnden Willen oder gar mangelnden Verstand vorzuwerfen. Die Wirtschaftsmagnaten reiben sich inzwischen die Hände. Sie haben kein Interesse an selbstbewußten Arbeitnehmern. Umso ängstlicher der "kleine Mann" ist, umso kleiner er sich fühlt, desto besser für sie. Schaut nach China, wie brav sie dort 50 Stunden und mehr in der Woche für ein paar Euro arbeiten ..., aber die Deutschen sind halt zu verwöhnt ... . So und ähnlich höre ich sie reden, während sie sich die Bäuche vollschlagen. Dazu beliebte Unternehmer-Sprüche wie: Ich habe mir alles sauer verdient ... mit meiner Hände Arbeit ... von nichts kommt nichts ... sie können froh sein, dass ich ihnen Arbeit gebe ... die Spreu trennt sich vom Weizen ...
Dass man oft ins gemachte Nest fiel, verschweigt man geflissentlich. Dass die Methoden nicht immer moralisch einwandfrei waren, wird unter den Teppich gekehrt. Aber der "kleine Mann" soll gefälligst brav sein und sich ducken. Geld ist (im Kapitalismus) Macht, und wer die Macht hat, kann sich alles erlauben. Bald haben wir wieder klar abgetrennt eine Ober- und eine Unterklasse.
Und wer auf diese Geld-Gesellschaft keinen Bock hat, ist selbst schuld. Der soll doch auswandern ...

Bateman, ich kann mich angesichts dieser Arroganz immer wieder in Rage reden.
Wir haben bereits heute eine Altersarmut. Die wenigsten Menschen, die ich im Altenheim pflege, sind Selbstzahler. Und wenn, dann verschlucken die Behörden und die Pflegeeinrichtungen binnen weniger Jahre alles, was sie sich in ihrem langen Leben ansparten. Ich höre diese Menschen jammern - und ich kann sie oft verstehen. Ich fühle mit ihnen, weil ich gar nicht anders kann.
Für mich habe ich meine Lehren daraus gezogen: Wozu soll ich für das Alter sparen - ich verdiene wirklich nicht viel - wenn mir dann sowieso alles peu à peu weggenommen wird. Hätte ich Kinder, wollte ich ihnen natürlich nicht im Alter auf der Tasche liegen ... dafür würde ich dann sorgen. Vielleicht sterbe ich früh genug, so dass ich auch der Gesellschaft und so pflichtbewußten und klug vorsorgenden Menschen wie dir nicht zur Last falle. Ja, es wird wohl zwingend sein, um meine Würde zu wahren.
Jammere ich? Aber nein, da mißverstehst du mich. Ich habe meinen Stolz!

F.
irie_ways - 25. Dez. 07, 00:32

"Besonders gern nimmt man die Arbeitslosen aufs Korn, die ja nur zu doof und zu unflexibel sind, sich eine Arbeit zu besorgen."
Natürlich wird damit alles in einen Topf geworfen, allerdings kann ich jetzt aus persönlicher Erfahrung sagen, dass es zahlreiche extrem viele Arbeitslose gibt, die wirklich einfach nur zu faul sind ihren Arsch zu bewegen (außer zum Ficken, dafür reicht es, denn die Kinder die dabei rauskommen, darf ich als Zivi alle durch die Gegend fahren).
bonanzaMARGOT - 25. Dez. 07, 10:23

Hi irie_ways,

ich habe etwas gegen die generelle Verunglimpfung von Bevölkerungsgruppen. dass es nicht wenige gibt, die Zuhause abhängen, statt sich um Arbeit zu bemühen, weiß ich wohl. Auch ich hing mal ein Jahr lang ziemlich ab, d.h. durch. (Immerhin zeugte ich in dieser Zeit keine Kinder ...) aber auch dann, wenn du von Faulheit und "Arsch nicht hochriegen" sprichst, wäre ich mit dieser Wertung vorsichtig. Man sollte sich nämlich auch fragen, warum die betreffenden Menschen derart motivationslos, frustriert und desillusioniert sind. Einige machen es sich zu leicht, wenn sie da sagen: Denen geht`s noch zu gut, die kriegen zu viel Fürsorge ...
Jeder Mensch hat seine Geschichte, warum er dort steht, wo er steht. Oft sind es bittere Schicksale, an denen die Menschen zerbrachen; oder sie rutschten nach und nach in die Misere.
Mag sein, dass es auch die echten Tunichgute gibt. Ich persönlich kenne keinen. (Der Alkoholismus ist in diesem Zusammenhang freilich auch ein großes Problem.)

Gruß
F.
bonanzaMARGOT - 08. Jan. 08, 13:24

DER SPIEGEL 2/2008 - Altersarmut droht

Rentenexperte Bert Rürupp rechnet damit, dass es künftig vielen Älteren deutlich schlechter gehen wird als heute. "Unter den gegenwärtigen Bedingungen werden die Armutsrisiken im Alter zunehmen", sagt der Vorsitzende des Sachverständigenrats zur Begutachtung der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung. Altersarmut werde " in spätestens 15 Jahren relevant werden". Der Bundesregierung wirft Rürup vor, dass die staatlich subventionierte Riester-Rente ausgerechnet an den Geringverdienern vorbeiziele. "Für viele Bezieher niedriger Arbeitseinkommen oder Personen mit unterbrochenen Erwerbsbiografien lohnt sich der Abschluss eines Riester-Vertrags nicht", urteilt der Wirtschaftsweise. "Die Politik sollte deshalb schnell reagieren, um dieses Problem zu entschärfen." Rürup selbst hatte in der vergangenen Woche vorgeschlagen, die Altersbezüge speziell für schlechtbezahlte Arbeitnehmer zu erhöhen.

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