Europäischer Gerichtshof stärkt Hinweisgebern auf Mißstände den Rücken
Melusine, die alte Schwerenöterin und Forenmama von Literarchie, informierte mich zu einem Urteil des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte - einen Fall betreffend, wo eine Altenpflegerin Strafanzeige (wegen Betruges) gegen ihren Arbeitgeber (ein Altenheim) stellte, weil sie die Hygiene und ausreichende Pflege der Bewohner nicht gewährleistet sah. Daraufhin wurde ihr gekündigt (logisch).
Und nun sagte also der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte, dass die Kündigung nicht rechtens war.
Hier nachzulesen: Whistleblower Fall
Ich würde mir wünschen, dass von diesem Urteil etwas Signalwirkung ausginge.
Wir Altenpfleger(innen) hängen ja stets zwischen den Stühlen - zwischen der vom Arbeitgeber angemahnten Loyalität und unserer professionellen Arbeitsauffassung bzw. unserem Gewissen, wenn es z.B. durch Personalmangel zu dauerhaften Pflegemißständen kommt.
Aus meiner Erfahrung verschärft der Arbeitgeber bei Kritik eher den Druck auf die Mitarbeiter, als dass er mehr Pflegekräfte einstellt. Und leider ziehen die Kollegen/Kolleginnen nicht alle am selben Strang - teils aus verständlicher Sorge um ihren Arbeitsplatz, teils aus arschkriecherischem Opportunismus den Vorgesetzten gegenüber. Man kann es sich (auch oder gerade) in schlecht geführten Altenheimen bequem machen. Die pflegebedürftigen Alten müssen es ausbaden.
Vorallem die Hygiene und die soziale Betreuung leiden unter solchen Zuständen.
Auch ich erhielt im Laufe meiner Altenpflegetätigkeit mehrmals Dämpfer, wenn ich auf Dienstbesprechungen allzu kritisch wurde.
Da überlegt man sich bei den nächsten Besprechungen zweimal, ob man die Klappe aufmacht.
Mein Respekt vor dieser Berliner Kollegin, die nicht nur den Mund aufmachte, sondern, als sich nichts änderte, den Mut zur Strafanzeige hatte ...
bonanzaMARGOT
- 16. Aug. 11, 10:39
- Nach der Nachtwache ist vor der Nachtwache
Es wäre gut,
Den zunehmenden Druck auf das Personal gibt es hier auch. Gott sei Dank ist meine Frau seit diesem Februar pensioniert und muss die neuesten Änderungen nicht mehr mitmachen. Wobei der Zeitdruck vor allem durch ein immer stärker reglementiertes Reportingwesen entstand. Und der Bericht muss noch geschrieben werden, und der, und dann noch der andere.
Trotzdem hat der Beruf meiner Frau viel Freude bereitet.
wir menschen sind psychisch unterschiedlich gestrickt: die einen stumpfen im beruf mit den jahren ab, die anderen kompensieren die überforderung mit aggression, wieder andere werden sehr sehr krank ...
der stetig zunehmende verwaltungsaufwand durch dokumentation und theorielastige pflegekonzepte zwackt immer mehr zeit von der praktischen pflege und altenbetreuung ab. damit erreicht das sogenannte qualitätsmanagement in der pflege genau das gegenteil: auf dem papier bzw. im computer steht schließlich alles schön und richtig, während die mängel in der praxis weiter bestehen oder sich gar noch verschlimmern.
für die zunehmende theorielastigkeit ist allerdings der arbeitgeber gar nicht verantwortlich - die wird der pflegeeinrichtung von anderen verwaltungs- und überwachungsinstitutionen/ -behörden aufgebürdet.
hier wird der typische spagat zwischen theorie und praxis deutlich. in der pflege ist das schwer auszuhalten. bereits die schüler(innen) lernen sehr schnell, dass zwischen der lehrprobe und der praxis im pflegealltag ein himmelweiter unterschied besteht. wer damit nicht klarkommt, wechselt besser den beruf.
auch ich habe viel freude an meiner arbeit, steppenhund. gott sei dank kann der direkte kontakt mit den alten menschen einiges an frust ausbügeln.