Was macht man nicht alles


Es gibt Altenheimnächte, die ich bereits müde und geschlaucht anfange - wie die letzten Nächte. Der Umzug (der nun etwas überraschend diese Woche stattfand) schaffte mich mehr, als ich dachte. Nicht nur die Möbel- und Bücherschlepperei sondern das Ganze..., was zum Teil auch spannend war und Freude bereitete, wie nun die neue Wohnung zu arrangieren sei. Vier Tage hatte ich nur Umzug im Kopf.
In den Nachtdiensten kämpfte ich mit einer bleischweren Müdigkeit. Alle Tätigkeiten schienen mir doppelt schwer zu fallen. Die Bewohner klebten förmlich in ihren Betten, wenn ich sie lagern oder hochziehen sollte. Nun kümmert es die Bewohner wenig, in welcher Verfassung die Nachtwache ist. Sie ziehen weiterhin munter ihre Windeln aus und pullern aufs Laken, und einige schikanieren ganz gern, indem sie den Schwesternruf wegen Nichtigkeiten betätigen. Ich spürte, wie meine Freundlichkeit langsam drohte, abhanden zu kommen. Aber ich biss mich durch, Nacht für Nacht, mit dem Resultat, dass ich am Tage gegenüber meinen Mitmenschen gereizt und launisch wurde.
Wie auf meiner Fahrradreise bin ich in den Altenheimnächten allein auf weiter Flur. Man muß schon ein Stück weit eine Einzelkämpfernatur sein, um diesen Dienst zu stemmen.
Als ich heute Morgen in das Zimmer eines Bewohners mit Anus Praeter kam und feststellen mußte, dass er sich mal wieder die Basisplatte abgerissen hatte, wäre ich am Liebsten davongerannt. Der Bewohner ist dement und begreift nicht, was für eine Sauerei er anrichtet. Ich stand am Bett, blickte auf die Chose, und murmelte in meinen Bart: "Scheiße - warum? Wieso habe ich diesen Beruf? Was mache ich hier? ..." Der Mann schaute mich mit großen Augen an und fragte: "Ist alles in Ordnung?" "Nein", antwortete ich knapp und begann mit der anstrengenden Säuberungsaktion.

Der Umzug lief gut (auch dank moralischer und tätiger Unterstützung). Ich fühle mich wohl in der neuen Bude. Es müssen nur noch ein paar Feinheiten gemacht werden. Die nächsten Tage werde ich langsam entspannen und das neue Wohngefühl genießen.

penes-eum - 17. Jul. 11, 09:49

Ich habe sehr große Achtung vor Dir und Deinem Job - ich könnte es nicht.

bonanzaMARGOT - 17. Jul. 11, 09:58

danke, das höre ich als altenpfleger öfters. und wie gesagt, manchmal frage ich mich selbst, warum ich diesen job mache - und das schon seit nahezu 25 jahren.
Finchen1976 - 17. Jul. 11, 09:53

Das war allerdings eine Aufgabe, alles zusammen zu wuppen.
Kannst stolz auf Dich sein.
*BrotundSalzrüberreichfürdieneueWohnung*

bonanzaMARGOT - 17. Jul. 11, 10:01

danke finchen.
ich bin froh, dass letztlich alles klappte - zu meiner und des vermieters zufriedenheit.
Finchen1976 - 17. Jul. 11, 10:14

Manchmal wird eben doch noch alles gut. ;-)
bonanzaMARGOT - 17. Jul. 11, 10:23

natürlich. ich bin dem schicksal dankbar, dass 2011 bisher lief, wie es lief.
Anja-Pia - 17. Jul. 11, 10:15

Du hast einen Bart?

bonanzaMARGOT - 17. Jul. 11, 10:23

nein, ich gebrauchte nur die redewendung.
Finchen1976 - 17. Jul. 11, 10:28

Aber bestimmt so einen Bad-Boy-3-Tage-Bart? :-)
bonanzaMARGOT - 17. Jul. 11, 10:31

nö, ich rasiere mich normalerweise täglich. bin eher der typ milchgesicht.
creature - 17. Jul. 11, 18:29

da sind wir schon zwei..;)
bonanzaMARGOT - 17. Jul. 11, 18:32

ich wollte gern aussehen wie clint eastwood - is` aber nich`.
Kinkerlitzch3n - 17. Jul. 11, 17:31

Puh, das ist wirklich übel. Ich glaube, all diese Gerüche, das wäre das Schlimmste für mich, allein deshalb würde ich wohl kläglich scheitern.
Da muß man auch mal fluchen dürfen. Schließlich sind Pfleger auch nur Menschen.

Ich wünsche dir Tiefenentspannung vom Feinsten und daß dich das neue Wohngefühl stärkt und für unangenehme Arbeitstage bereit macht.

lg Kinker

bonanzaMARGOT - 17. Jul. 11, 18:26

danke kinker

an manche gerüche gewöhne ich mich auch nicht. der umgang mit fäkalien, erbrochenem bleibt immer ekelhaft. über die routine wird einiges leichter. in der nacht ist für mich die besondere härte, dass ich stress- bzw. kritische situationen alleine meistern muss. zu zweit könnte man sich mental wie physisch helfend unter die arme greifen ...
der arbeitgeber wählte bewußt eine bewohnerzahl (50), welche von der heimaufsicht gerade noch mit einer nachtwache toleriert wird.

da ich nur eine dreiviertelstelle habe, komme ich noch einigermaßen gut weg. mit 100% würde ich früher oder später einen koller kriegen - egal ob tag- oder nachtdienst - bei der derzeitigen personalbesetzung.
Kinkerlitzch3n - 17. Jul. 11, 18:29

Das Schlimme ist, daß im Pflegebereich soviel eingespart wird. Das schadet Bewohnern und Personal.
Allein das Wissen, es ist noch jemand da, wäre eine wertvolle Unterstützung.

Meinen Job könnt ich auch nicht Vollzeit ausüben, dazu ist man zu eng beieinander bei der Arbeit.
bonanzaMARGOT - 17. Jul. 11, 18:36

eingespart wird ja überall im sozialen bereich - und doch steigen die anforderung (qualitätssicherung etc.). dies hat zur folge, dass viel geheuchelt und sich in die tasche gelogen wird.

welchen job machst du?
Kinkerlitzch3n - 17. Jul. 11, 18:53

Ich arbeite als Persönliche Assistentin. Hauptsächlich erledige ich dabei den Haushalt (außer Putzen), also Wäsche, Kochen, Heimwerken, Garten und transportiere und begleite meine Arbeitgeberin zu Veranstaltungen, Besuchen bei Freunden, Shopping, alles was anfällt ...

Ich hab mal eine Aufzählung gemacht, was ich so alles mache, die könnt ich wieder einmal überarbeiten, ist sicher was dazugekommen. ;o)
bonanzaMARGOT - 17. Jul. 11, 19:42

na ja, für mich als fachkraft kommt das kaum in frage.
was verdient man damit?
ich kenne außerdem die familienpflege, welche eigentlich dieselben bereiche (wie die persönliche assistenz) abdeckt, doch es gibt eine fundierte ausbildung. wo sind die unterschiede?
Kinkerlitzch3n - 17. Jul. 11, 20:11

Da ich im Arbeitgeber-Modell arbeite, verdiene ich ganz gut. Ist halt Vereinbarungssache, reich wird man natürlich damit auch nicht, aber das kann man sich im sozialen Bereich sowieso abschminken.

Familienpflege sagt mir nix, aber ich bin ja in Österreich daheim.
Was ich dazu jetzt gefunden hab, stimmt aber in keinster Weise mit persönlicher Assistenz überein. PA ist nicht für die Betreuung von Kindern bzw. Familien in Notsituationen vorgesehen und auch nicht zeitlich begrenzt.
Hast du die von mir verlinkte Beschreibung von PA durchgelesen oder nur meinen Blogbeitrag?

Es geht darum, einem Menschen mit Behinderung ein selbstbestimmtes Leben zu ermöglichen, das er sich frei einteilen kann.
D.h. er muß z. B.: nicht um 18:00 im Bett liegen, weil die ambulante Betreuung es nicht anders im Zeitplan unterbringt.
PA bedeutet, daß ich die körperlichen Mängel ausgleiche, es geht dabei weniger um Pflege, als um Hilfestellung im Alltag, um Handreichungen und auch um Begleitung, damit ein soziales Leben besser möglich ist. Dazu gehört eben auch der Transport mit dem Auto.
Und es gibt auch Persönliche Assistenz am Arbeitsplatz.

Da jeder Klient andere Bedürfnisse und Erwartungen an PA hat, gibt es auch keine Ausbildung. Es kommt dabei weniger auf klinisches Wissen, sondern stark auf Persönlichkeit und Soft Skills, die man sich im Laufe des Lebens erworben hat. Wir sind keine Pfleger oder Betreuer. PA und Klient sind ein eingespieltes Team, die sehr eng miteinander zusammenarbeiten, oft ohne Worte, da muß die Chemie auf jeden Fall stimmen.

Vielleicht hast du jetzt eine bessere Vorstellung davon?
bonanzaMARGOT - 18. Jul. 11, 08:08

nun, ich hatte mal aushilfsweise für eine familienpflege-einrichtung gearbeitet, und da half ich nicht "familien in not" bei ihren täglichen verrichtungen sondern behinderten und alten, teilweise pflegebedürftigen menschen. deswegen war mir der unterschied zur "persönlichen assistenz" nicht klar umrissen.
nach deiner erläuterung kann ich es mir nun besser vorstellen. danke.
Kinkerlitzch3n - 19. Jul. 11, 09:05

Das war dann wohl was anderes, das was ich gefunden habe, sah z. B.: so aus.

Schöne Woche dir!
bonanzaMARGOT - 19. Jul. 11, 10:20

dir auch eine schöne woche, kinker.

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