Ohne Zukunft leben
Im Leben ist es gut, wenn man weiß, was man will. So richtig wußte ich das für mich nie: weder beruflich noch in der Liebe. Ich wusste immer besser, was ich nicht will.
Meine Biografie liest sich wie eine endlose Versuchsreihe. Nirgendwo fasste ich richtig Fuss. Die stabilsten langjährigen Komponenten sind auf freiwilliger Ebene die Schreiberei, und auf eher gezwungener Weise meine Arbeit als Altenpfleger. Demgegenüber: Frauen und Freunde kamen und gingen, wechselnde Studiengänge - mal mehr, mal weniger Alibi ...
Immer gab es zu viel, was mir die Sache vergällte. Nach dreizehn Jahren Schule hatte ich meine Geduld und meinen Ehrgeiz verspielt. Ich trank mir lieber einen, als über meine Zukunft nachzudenken. Die Jahre vergingen trotzdem. Meine Eltern wurden alt - heute rief ich meinen Papa an und gratulierte ihm zum 79sten. Er klang gut am Telefon. „Wo blieben die Jahre?“ sagte auch er.
Nein, ich bereue nichts. Sicher hätte alles in meinem Leben anders laufen können. Wer weiß? Mit mehr Ehrgeiz und weniger Alkohol wäre ich heute unter Umständen Philosoph und Kunsthistoriker, Diplom Psychologe oder wenigstens Pflegedienstleiter im Altenheim. Nun bin ich Nachtwache und ein Möchtegern-Dichter. Auch mit den Frauen hätte alles anders laufen können: Mit einer unkritischeren Lebenshaltung und weniger Alkohol wäre ich heute unter Umständen Vater von inzwischen erwachsenen Kindern, geschieden und wieder neu verheiratet.
Wie auch immer: Alles hätte ganz anders kommen können. Stellt sich nur die Frage, ob es immer so weiter gehen kann. Ich meine, irgendwann bin ich auch so alt wie meine Eltern. Und dann wahrscheinlich aufgrund meiner Lebensweise weniger gesund. Eine Ex-Freundin stimmte mich gestern mit einer SMS nachdenklich. Sie schrieb: „Aber du musst dich endlich ändern. Du brauchst einen Menschen, der dir beisteht. Wie du bist, ist es schwierig ...“
Das Leben ist verrückt. Klaus mag mich, weil ich in seinen Augen „authentisch“ bin.
Das will ich auch bleiben. Also, wie soll ich mich verändern? Es kann nur eine Veränderung sein, die aus meinem Herzen kommt - und nicht aus Bedingungen. Ich bin ein fertiger Mensch. In meinem Alter ist man ziemlich fertig (- lach).
Vielleicht machen wir uns das Leben oft schwieriger, als es ist. Es ist, wie ich es anfangs sagte, eine Versuchsreihe. Manche „Experimentatoren“ ziehen zu früh Schlussfolgerungen, während ich ... mit der Interpretation lieber noch warte. Ich vertraue auf meine inneren Kräfte. Und wenn es vorbei ist, bin ich wenigstens so klug wie alle anderen.
bonanzaMARGOT
- 03. Feb. 11, 15:38
- Die Arschwischmaschine hat frei
Und das ist jetzt so erstrebenswert??
atlanticum
doch würde ich etablierter leben, hätte ich z.b. weniger geldsorgen ..., bestimmt mehr gesellschaftliche kontakte.
und ich wüßte, was es bedeutet, kinder zu haben, sie groß zu ziehen.
fatalistischer weise könnte man freilich sagen: das beste ist, wenn man gar nicht lebt, denn was ist denn schon besonders erstrebenswert??
ich schau auch manchmal auf leute in meinem alter die sich ein haus gebaut, eine familie gegründet, karriere gemacht haben und manche die schon in pension sind.
dann denke ich, schön, aber wenn ich da zu besuch bin und mitbekomme wie es ihnen geht, da möcht ich wirklich nicht tauschen.
ich seh das so; man soll sich mit sich selbst anfreunden, mit allem was man ist und nicht ist, ich bin ich und kann nie ein anderer sein, wie süß auch immer die kirschen in nachbars garten schmecken mögen, wissen werd ich es nie, aber meine kenn ich!
Außerdem: Womöglich sind die Häuslbauer jetzt krank vom Schuften und die Kinder der Familiengründer bleiben mit ihren Erzeugern nur wegen der Erbschaft in Kontakt.
So what?
nur vergleiche ich mich in meinem beitrag nicht mit anderen leuten. ich stelle mir ganz persönlich die frage, ob ich, wenn ich einen anderen weg eingeschlagen hätte, heute (unter umständen) beruflich und privat besser da stände.
damit meine ich, dass man sich, wie es sich meine eltern wünschten, nicht ständig sorgen um mich machen müßte.
hm, ich kann morgen oder übermorgen schon ein penner bzw. stadtstreicher sein. es gibt da kein "bett", was mich vorher auffängt.
allerdings betrachte ich schon selbstkritsich meinen lebensweg.
familie, haus und hund waren nie im focus meiner vorstellung. aber "unter umständen" hätte doch alles ganz anders laufen können, wenn eine meiner freundinnen von mir schwanger geworden wäre, oder wenn ich in einem moment der umnachtung einer heirat zugestimmt hätte.
genauso hätte mein beruflicher werdegang anders und vielleicht besser verlaufen können ...
da hast du meinen beitrag falsch verstanden, wenn du darin hauptsächlich ein beklagen von defiziten siehst.
(stelle mir dabei bitte keine frage.)
oje, ich bin kommentarsüchtig!
.