Samstag, 24. März 2012

TV-Tipp:

"Palindrome", 23 Uhr 35, Einsfestival

Das Frühstück auf dem Campingplatz


Ich war gerade auf einem Morgenspaziergang (dazu muss man wissen, dass ich nie Morgenspaziergänge mache – jedenfalls nicht im eigentlichen Sinne); also, ich schlappte runter zum Campingplatz, der gegenüber meiner Wohnung liegt, überquerte ihn und kam auf einen Waldweg, der sich entlang des schmalen Tals schlängelt. Ich war noch nicht besonders weit gekommen, da begegnete mir ein weibliches, fleischfressendes Känguru. Sie lachte mich an. „Guten Morgen“, sagte ich, „auch schon unterwegs?“
„Ja, wie man sieht. Ich habe noch nicht gefrühstückt. Ein paar Camper wären nicht schlecht.“
„Ich kann mich also glücklich schätzen, dass ich nicht auf Ihrem Speiseplan stehe.“ Erleichtert wollte ich meinen Spaziergang fortsetzen, doch sie versperrte mir breitbeinig den Weg.
„Nicht so schnell, junger Mann.“ Nun erst sah ich die zwei Augenpaare, die aus ihrem Beutel lugten.
„Mein Nachwuchs: P & P“
„Hallo P & P“, begrüßte ich die zwei neugierigen Augenpaare, offensichtlich ein Junge und ein Mädel.
Das fleischfressende Känguru beäugte mich eine Weile mit schiefem Kopf und sagte dann:
„Herr Spaziergänger, ich finde Sie nett. Wollen Sie nicht mit uns gehen?“
„Tja, in Anbetracht dessen, dass ich nie Morgenspaziergänge mache, und dass es fleischfressende Kängurus nicht gibt ...“, ich hatte einen kurzen, heftigen Hustenanfall, „ – warum eigentlich nicht? Aber vielleicht können wir den Campingplatz und das Frühstück heute mal ausfallen lassen? Also, nicht dass ich will, dass Sie Kohldampf schieben, vor allem nicht die Kinder, aber der Gedanke, dass ich mitansehen muss, wie Sie einen Camper zerfleischen, ist im Moment etwas viel für mich ...“
„Tja, was machen wir denn da?“
„Ich kann ja wegschauen“, sagte ich schnell.
Und so kam es, dass wir vergnügt zurück zum Campingplatz gingen. Ich hatte bis dato nicht viel von fleischfressenden Kängurus gewusst. Jenes Exemplar war jedenfalls recht lustig unterwegs. Sie erzählte mir einen Witz nach dem anderen.
„Kennen Sie den schon, Herr Spaziergänger?
Die Kängurumutter kratzt sich ausgiebig, dann sagt sie zu ihrem Kleinen: Wie oft habe ich dir schon gesagt, dass du den Zwieback nicht im Bett essen sollst!, - haha!“
„Ne, den kannte ich noch nicht. Der ist ja süß!“
Auch P & P kicherten. Sie hörten aufmerksam zu.
Bald hatten wir den Campingplatz erreicht, und ich meinte, dass ich lieber draußen solange warten wolle. Das fleischfressende Känguru hüpfte also mit ihrem Nachwuchs im Beutel auf den Platz und verschwand hinter einem Wohnwagen. Es war ein schöner Frühlingsmorgen. Unfern blökten ein paar Schafe, Vögel zwitscherten, und eine leichte Brise kitzelte meine Nase. Dann hörte ich ein Poltern vom Campingplatz her, auch einen erschreckten, kurzen Aufschrei. Hoffentlich werden sie nicht entdeckt, dachte ich besorgt. Ich fühlte mich wohl in der Gegenwart des fleischfressenden Kängurus. Sie hatte mich verzaubert, einen alten Bock wie mich, fünfzig Jahre auf dem Buckel. Das Leben nimmt seltsame Wege. So sinnierte ich vor mich hin und inhalierte glücklich die Frühlingsluft.
Plötzlich stand sie wieder neben mir. Ich hatte ihr Kommen gar nicht bemerkt, weil ich ganz gedankenverloren war.
„Und hat`s geschmeckt?“ fragte ich wie in Trance.
„Etwas trocken das Fleisch. Es ist noch nicht Saison. Jetzt waren da nur der alte Platzwart und seine gammelige Frau.“
„Ach so.“
„Hm.“
Wir setzten unseren Weg fort. Ich wusste gar nicht genau, wohin wir gehen wollten. Irgendwann, nach einigen tausend Schritten, fanden sich unsere Hände. Es war gut an ihrer Seite.

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