Oder wie soll man Glück definieren
Glück und Geld in einen direkten Zusammenhang zu bringen, ist in etwa so sinnig, wie Sex mit Liebe zu verwechseln.
Geld benötigen wir in erster Linie für unsere Grundsicherung, also zur Befriedigung existentieller Bedürfnisse wie Nahrung, Trinken, Kleidung, Wohnung, Mobilität und Information. Sex benötigen wir existentiell für unsere Fortpflanzung, damit unsere Art nicht ausstirbt. Erst in zweiter Linie bedienen wir mit Geld und Sex unser Lustempfinden. Wenn wir Geld übrig haben, können wir uns schöne Dinge kaufen, die wir zwar nicht notwendig brauchen, aber die uns glücklich machen. Jedenfalls soweit wir uns dies einbilden. Einiges, was uns glücklich machen soll, wird uns auch eingeredet. Und vieles lässt sich uns nicht ausreden, weil wir daran als glücklich machend glauben wollen – und zwar unbedingt. Die Ratio verliert, wenn es um die Definition von Glück geht. Mit dem Sex ist es ähnlich. Wie viel Sex wir brauchen, um glücklich zu sein, sieht jeder für sich anders. Ich könnte mir aber vorstellen, dass mit zunehmender Menge automatisch eine gewisse Entwertung einhergeht. Was ich im Überfluss habe, verliert an Wert und Reiz. Sex kann wie Geld zur Manie, zur Sucht werden. Dann wird allein die Quantität zur treibenden Kraft, und wir wollen immer nur mehr und mehr von dem Einen.
Eine Gesellschaft, die ihr Heil in ständigem Wachstum sieht, verhält sich mechanisch und manisch. Und diese Manie beeinflusst nicht nur Politik, Wirtschaft und Bankenwesen sondern jeden einzelnen Bürger, jedes Individuum. Wir leben im Kleinen das Abbild des Großen. Sex wurde immer mehr zur Ware stilisiert, und Geld muss man nicht mehr selbst erwirtschaften - man kann es sich kaufen, indem man Zinsen zahlt. Somit hat man Geld, ohne wirklich Geld zu haben, und man hat Sex ohne echte Lust. Wir machen es, weil wir uns sonst leer fühlen, weil wir sonst nichts mehr im Leben haben. Ich glaube, dass in einer Gesellschaft die Pervertierung von Geld, Macht und Sex mit der Abnahme von Liebe und Glück einhergeht. Nicht wirklich fassbare Werte wie Liebe und Glück werden im Materialismus durch zählbare, messbare Dinge und Beziehungen ersetzt. Dieser Prozess verläuft schleichend, so dass die Mehrheit der Menschen gar nicht merkt, wie oberflächlich und rücksichtslos die Welt, in der sie leben, zunehmend wird.
Dies sind nun keine neuen Erkenntnisse. Jede Hochkultur hatte mit ähnlichen Schwierigkeiten zu schaffen, welche schließlich u.a. zu ihrem Untergang führte.
Andererseits wussten wir noch nie so viel wie heute über uns und die Welt. Technik und Wissenschaften sind fortgeschrittener denn je. Wir haben fast weltweit freien Zugang zu Informationen und können beinahe grenzenlos kommunizieren. Immer mehr Staaten bewegen sich hin zur Demokratie. In Mitteleuropa hatten wir noch nie eine solch lange Friedensperiode. Die USA wählten erstmals einen schwarzen Präsidenten. In Deutschland regiert seit Jahren eine Frau.
Unzweifelhaft sind all dies positive Entwicklungen und Errungenschaften hinsichtlich einer friedlicheren, gerechteren und menschlicheren Welt. Aber werden sie den Wettlauf gegen Gier, Materialismus und Großmannssucht gewinnen? (Man darf Bedenken äußern.)
Ich wollte gar nicht so weit ausholen. Angeregt von einer Doku im TV, welche über das Glück in Bhutan berichtete, machte ich mir einen eigenen Kopf über den Zusammenhang von Glück und Geld – und stieß dabei (eher provokativ) auf die Parallele Liebe und Sex. Wahrscheinlich hinkt der Vergleich gewaltig, doch ich mag solche Bilder, weil sie auf meine Gedanken äußerst anregend wirken.
Eigentlich wollte ich heute Vormittag etwas ganz anderes thematisieren, - nämlich: „Das Fanal der Mehrheit“. Ich wollte darüber schreiben, wie grausam und intolerant Mehrheiten oft gegenüber Minderheiten und Aussenseitern sind, ohne dass es jemanden juckt ...
Ein andermal. Vielleicht.