Der schmale Grat
Phantome zahlloser Toten,
Unsichtbar andern, seid mir Begleiter fortan,
Folgt mir für immer, - verlaßt mich nicht, solange ich lebe.
(Walt Whitman, 1865)
Da man das Fernsehprogramm an Heiligabend getrost knicken kann, legte ich eine DVD ein. "Der schmale Grat" - darin geht es um die Eroberung einer Scheiß Pazifikinsel im 2. Weltkrieg durch die Amis. „Der schmale Grat“ bleibt in meinen Augen der beste Anti-Kriegsfilm – besser als „Der Soldat James Ryan“, besser als „Apokalypse Now“, besser als „Die durch die Hölle gehen“ und besser als „Full Metal Jacket“ … und jedenfalls der poetischste von allen. Laufzeit 164 Minuten und keine leichte Kost – was sich bei einem solchen Film von selbst versteht. Bereits nach wenigen Minuten war ich völlig ergriffen. Was besseres hätte ich an diesem verfickten Heiligabend nicht machen können! Und dazu Dominikaner Pils. Mir liefen die Tränen in Bächen über die Wangen. Es hatte was Reinigendes. Manche Filme scheinen wie auf mich zugeschnitten. „Der schmale Grat“ gehört dazu. Für meine Ex und meine Ex-Ex wäre er freilich nichts gewesen. Die mochten derart aufwühlende und tiefschürfende Filmkost nicht. Geschmäcker sind eben verschieden. Sie hatten außerdem nicht viel Sinn für meine Gedichteschreiberei, und also belästigte ich sie damit nicht weiter. Was sie wohl über mich dachten? Wahrscheinlich gar nichts. Jedenfalls mochten sie lieber Komödien – gegen die ich auch nichts habe, wenn sie nicht zu blöd ausfallen. Ich brauche keine 100% ige Übereinstimmung der Interessen, wenn ich eine Frau liebe. Man muss halt einigermaßen tolerant und offen gegenüber dem anderen sein. Es werden sich doch noch ein paar andere Schnittmengen als den Sex ergeben … So jedenfalls die Hoffnung bei Beginn der Beziehung. Die Euphorie überspielte mögliche Bedenken. Zwischendurch beruhigte ich mich, indem ich mir sagte, dass Gegensätze doch eine Beziehung interessant und abwechslungsreich machen können. Man lernt fremde Interessengebiete kennen, macht Sachen, die man sonst nicht unbedingt gemacht hätte, usw.
Die Praxis sah dann aber so aus, dass ich mir Filme wie „Der schmale Grat“ besser alleine anschaute, weil meine Partnerinnen weder Geduld noch Sinn dafür aufbrachten. Und im Gegenzuge distanzierte ich mich Stück für Stück von ihnen, ohne dass es mir richtig bewusst war. Bis die Leere zwischen uns immer greifbarer wurde: Wo war die Liebe geblieben? War sie nur noch Konstrukt? Machten wir uns die ganze Zeit was vor?
Meine letzte Partnerin stürzte sich in die Arbeit. Sie sagte mir indirekt: Ich liebe meine Arbeit mehr als dich. Und direkt formulierte sie es: „Ich will dich nicht ständig enttäuschen, also machen wir besser Schluss.“
…
Die Liebe ist ein schmaler Grat. Anfangs haben wir genug Schwung, um die Richtung zu halten, aber wenn wir nach einer Weile langsamer werden, zur Besinnung kommen, beginnen wir zu torkeln ... Ein Stupser genügt, und wir stürzen nach einer Seite ab.
bonanzaMARGOT
- 25. Dez. 11, 12:44
- Die Arschwischmaschine hat frei