Samstag, 17. September 2011

Hörnchen und zurück


O anstrengender Müßiggang! Wenn es ein Müßiggänger-Gen gibt, dann muss ich es besitzen. Allerdings nicht von meinen Eltern. Ordentlicher und fleißiger als sie kann man sich Deutsche aus der Mittleschicht kaum vorstellen. Hinzu kommen als Tugenden Sparsamkeit und Alkoholenthaltsamkeit. Nichts von alledem habe ich. Sicher sind sie froh, dass ihr Sohn wenigstens einen festen Arbeitsplatz hat. Nach ihren Vorstellungen kann ich nicht geraten sein. Ich bereitete ihnen zwischendurch allerhand Sorgen. Trotzdem habe ich das Gefühl, dass sie mir mehr als meinem Bruder vertrauen, der ein viel sittsameres Leben führt. Er ist Familienvater und verdient recht gut. Eltern tun sich schwer damit zuzugeben, dass sie ein Lieblingskind haben. Ich tat jedenfalls nichts dazu, um ihre besondere Zuneigung zu rechtfertigen. Wenn da nicht dieses Zauberwort "Liebe" wäre. Davon habe ich viel zu geben, wenn ich gut drauf bin. Mein Bruder wirkte in dieser Beziehung schon immer etwas stumpfer und unbeholfener. Noch heute kann ich mit meiner von Natur gegebenen Ausstrahlung punkten - z.B. bei den alten Damen im Altenheim. Ich glaube, ich wecke bei einigen mütterliche Gefühle.

O anstrengender Müßiggang! Gestern war wohl einer der letzten Sommertage. Ich drehte mit dem Fahrrad eine Runde über Heidelberg. Die Septembersonne packte alles aus, was sie noch zu bieten hat. Das Thermometer kletterte auf nahezu 30° Celsius.
Alle paar Kilometer lud ein Biergarten oder eine Kneipe mit Außenbestuhlung zum Klöhnen ein. Ich machte nichts anderes, als mein Bier zu trinken, ein paar Seiten in einem Buch zu lesen, den Gesprächen von den Nachbartischen zu lauschen, in die Sonne zu blinzeln und die Menschen, jung und alt, in ihrer Verschiedenartigkeit zu betrachten.
Die Innenstadt von Heidelberg brauste vom Verkehr. Ich zog mich zu einer Rast in die Altstadt zurück. Ecke Untere Straße - Hauptstraße. Das kleine Café heißt "Hörnchen". Vorallem Studenten und einige (eher intellektuelle) Ur-Heidelberger verkehren dort. Ich habe keinen Kontakt zu der Stammkundschaft, aber ich genieße dort gern mal mein Bier. Mit den Jahren machten einige alte Heidelberger Kneipen dicht. Dafür eröffneten Café- und Restaurantketten ihre Geschäfte.
Die Ur-Einwohner sind immer froh, wenn die Touristenströme im Spätjahr abebben. Dabei verdienen Gastronomie und Handel freilich kräftig an ihnen.
Wenn ich alleine durch Heidelberg tigere, halte ich es selten länger als zwei-drei Stunden aus. Mir sind Verkehr und Menschen einfach zu viel. Da fühle ich mich schnell noch alleiner. Was anderes ist es, wenn ich in Begleitung bin. Dann wirkt die Betriebsamkeit außenherum nicht so erdrückend.

Am Nachmittag zogen Wolken auf, und es wurde zunehmend schwüler. Der Topf hatte sich aufgeheizt. Man spürte förmlich die Elektrizität in der Luft. Oder war`s vom Bier, dass sich mein Blick eintrübte? Ich bekam Kopfweh und trat den Rückweg an. Unterwegs ein Stop an einer Apotheke und Aspirin gekauft ...

O anstrengender Müßiggang! Was soll`s. Ich liebe es. Wenn ich auch oft etwas einsam herumtoure. Schon als Kind machte ich viele Ausflüge allein. Die Horden ziehen mich nicht an. Nein, ein geselliger Mensch war ich nie. Mit den Kumpels oder der Freundin unterwegs zu sein, - okay, aber an größere Menschenaufläufe wie in Discotheken, auf Konzerten und in Großstädten kann ich mich nicht gewöhnen. Ich brauche die intimen Ecken, in die ich mich unbeobachtet zurückziehen kann. Und ich brauche einiges an Alkohol, um eine angeheiterte Gesellschaft zu ertragen. Betriebsfeiern sind mir ein Greuel. Ich hasste ja bereits das Kaffeetrinken mit Tanten und Onkels. Ich mag`s nicht, wenn mir Menschen zu sehr auf die Pelle rücken.
Doch das ist eben nur eine Seite von mir. Was gibt`s heute zu tun?

Nichts als Müßiggang!






das "Hörnchen" - gegenüber der Sitz der Heilsarmee

ein literarisches Tagebuch

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