boMAs Gedichte und Texte
Ich träumte von einem Boule-Spiel an einem Hang. Ein alter Mann und eine alte Frau spielten. Zuerst dachte ich: Wie kann das sein – die Kugeln rollen den Hang doch wieder herunter? Aber nach Kurzem war mir die Kunst dieses Spieles klar. Eine grob behauene Mauer säumte den Hang. Sie schmissen ihre Kugeln derart, dass sie an der Mauer zurückrollten, bis sie an einer der vielen Unebenheiten oder an Vorsprüngen zu liegen kamen ... natürlich möglichst nah an der kleinen Kugel. Die beiden Alten waren ziemlich gut, und ich verfolgte fasziniert ihr Spiel ...
5
Alles ging ständig weiter. Wenn man nicht am Ball blieb, lebte man am Leben vorbei. Wie ein Ersatzspieler, der vergeblich auf seinen Einsatz wartete. Oder wie eine Taube im Käfig.
Brasko dachte unwillkürlich an die versifften und nach Pisse stinkenden Toiletten der Altstadtkneipen, an die ordinären Kritzeleien an den Wänden. Wie war das eigentlich mit seinem letzten Fall ausgegangen? Man konnte doch nicht mit einer Sache anfangen, sei sie noch so verrückt, und dann kurz vor Schluss den Kopf in den Sand stecken. Nein, das wäre unschön. Brasko brachte bisher jeden Fall zu Ende. Auch wenn das Ergebnis oft bitter ausfiel. Nicht unbedingt für ihn aber für die Beteiligten. Er hatte den Auftrag der Liga der echten Buchhelden zu deren Zufriedenheit ausgeführt. Was blieb ihm auch anderes übrig – er wollte seinen Körper behalten, auch wenn der nicht gerade das Gelbe vom Ei war - aber immer noch besser, als in einem nicht näher definierten Nirwana mit anderen körperlosen Seelen seine Zeit abzusitzen. Dafür wurden fünf seiner Mitmenschen von den echten Buchhelden sozusagen gekapert, und Brasko hatte dabei wesentlich mitgeholfen.
„Ich bin zufrieden mit Ihrer Arbeit, Mr. Brasko“, sagte Harry Potter, der nun eine aufreizende Blondine war.
Sie saßen in der Destille, einer Altstadtkneipe. An den Wänden hingen Kunstwerke ansässiger Künstler. Brasko schaute sich um. Eigentlich nichts besonderes. Er wäre besser Kunstmaler geworden, dachte er. Während Brasko mit der Blondine, die Harry Potter sich zueigen gemacht hatte, an der Bar saß, hatten sich Sherlock Holmes, Kommissar Maigret, Lederstrumpf und Old Shatterhand in ihren neuen Körpern an einen runden Tisch gesetzt und zockten. Sie würfelten.
„Wollen Sie mitmachen?“ rief einer aus der illustren Runde.
„Nein danke, Mr. ...“
„Holmes.“
„Ah ja. Nein Danke, sehr freundlich, Mr. Holmes.“
„Nun seien Sie mal nicht so miesepetrig“, meinte die Blondine, die Harry Potter war, und stupste ihn in die Seite, „das Leben geht weiter.“
„Klar, aber nicht für die fünf Menschen, die ich Ihnen zuführte.“
„Glauben Sie mir doch, denen geht es gut dort, wo sie sind.“
„Das muss ich wohl so glauben.“
„Können Sie getrost. Wenn Sie wollen, bringe ich Sie auch an diesen Ort.“
„Nein Danke, Mr. Potter, äh – Fräulein Potter. Da gibt es sicher kein Bier … haha!“
„Dort brauchen Sie kein Bier mehr … haha! Sehen Sie, so gefallen Sie mir schon besser, Mr. Brasko.“
Fräulein Potter hatte ja recht. Alles war in bester Ordnung. Es gab keine Leichen. Nicht mal Kommissar Maigret oder Sherlock Holmes würden hier ein Verbrechen entdecken. Zumal sie dort am Tisch saßen, sich amüsierten und würfelten. Niemand außer Brasko wusste von dem ungeheuerlichen Vorgang, dass fünf Seelen ihre Körper für diese ominösen echten Buchhelden räumen mussten. Und niemand würde ihm diese Geschichte glauben. Am Besten hielt er die Klappe.
„Noch ein Bier, bitte! Und was trinkt das Fräulein Potter?“
„Auch ein Bier.“
„Also zwei Bier, bitte!“
„Sei doch nicht so förmlich. Du kannst mich Harry nennen. Hast Du auch einen Vornamen?“
Harry Potter schmiegte sich an Braskos Seite.
„Vornamen? Ne. Ich heiße einfach nur Brasko.“
„Okay, dann bist Du mein lieber Knurrbär. Gefällt Dir das?“
„Egal.“
Brasko trank in hastigen Zügen ein Bier nach dem anderen. Er fühlte sich gar nicht wohl in seiner Haut. Die Kunstwerke an den Wänden gefielen ihm jetzt immer besser. Und das Fräulein Potter gewann zunehmend an Liebreiz. Dieser Harry Potter war schon ein Teufelskerl, dass er sich einen Frauenkörper ausgesucht hatte. Das war doch mal was anderes. Brasko spürte, wie sich ein weicher Vorhang vor seinen Sinnen zuzog. Er sah sich lachen und mit einer sexy Blondine schäkern. „Darf ich vorstellen!“ rief er die Bedienung heran, „das ist Harry … Harry Potter, der Zauberlehrling! Jawohl! Sieht man ihr gar nicht an, gel? HAHA! Und ich bin Brasko, der einzig echte Detektiv! Jawohl!“ Die Bedienung lächelte gütig und fuhr mit dem Putzen der Gläser fort.
Das erste, was Brasko sah, als er wieder zu sich kam, waren die Worte „Gaddafi ist Gott*", auf die Klotür gekritzelt. Mit heruntergelassenen Hosen saß er auf der Toilette. Scharfer Uringeruch gemischt mit Chlor stieg ihm in die Nase. Er stand ächzend auf und schaute an sich herunter. Ein Kondom hing lose an seinem schlaffen Glied.
Zurück im Gastraum – war nur noch die Bedienung am werkeln, die ihn mitleidig musterte und lapidar meinte: „Wird aber auch Zeit. Feierabend.“
* Ich bitte um bessere Klospruchvorschläge. Es muss nicht zur Story passen. Am Besten ordinär und größenwahnsinnig. Jedenfalls richtig gut blöd sollten die Sprüche sein.
Ich sitze wie jeden Vormittag (außer ich hatte Nachtwache oder bin im Urlaub) vor meinem Computer und überlege, was ich schreiben könnte, ob es was gäbe, das mich besonders bewegt oder bedrückt. Solche Überlegungen sind gar nicht so einfach. Oft fühle ich mich leer oder zu dicht mit allem möglichen bepackt. Ich verspüre keinen rechten Antrieb und sinniere an meinem Schreibtisch lediglich Wirrwarr. Alles erscheint mir interessant als auch uninteressant. Mein Blick schweift willkürlich umher: ich blicke aus dem Fenster auf den sich hin und her wiegenden Blätterwald – nein, eigentlich wiegt da heute kaum was hin und her, nur zwischendurch fährt eine unsichtbare Hand durch die Gräser und Bäume … einem Streicheln gleich. Ich lasse meinen Blick auch durch mein Zimmer schweifen, hinüber zu meinem Bett und dem Bücherregal. Ich war schon lange nicht mehr am Bücherregal – nur zum Abstauben. Trotzdem, die Bücher liegen mir am Herzen. Und ich habe eine Idee, keine Ahnung, woher die plötzlich auftauchte. Bei Ideen weiß man nie – vielleicht sind sie einfach nur blöd. Wie wäre es, wenn ich willkürlich ins Bücherregal greife, 11 Bücher nacheinander herausziehe, sie etwa in der Mitte aufschlage und jeweils den Satz notiere, der mir zuerst oder als zweites ins Auge springt? Und diese ziemlich zufälligen Sätze würde ich nacheinander aufschreiben. Gedacht – getan. Wer weiß, was dabei rauskommt. Ist auch wurscht. Mir wird heute wahrscheinlich nichts besseres einfallen.
Hier das Ergebnis:
11 Sätze aus meinem Bücherregal
„Yeh. Dachte mir doch, dass du das gesagt hast.“
Es war später Nachmittag, als wir vor Geralds Haus vorfuhren.
Dieser schmähliche Zusammenstoß mit einem Bauernlümmel, der seinen Vorschriften gerade entgegen gehandelt hatte und doch geheilt worden war, irritierte den Doktor mehr als alles andere und machte seinen sonst so milden Blick hinter den Brillengläsern ganz wild.
„Wenn man sich alles überlegt, so war der Plan recht gut entworfen und löste auch das schwierige Problem, wie die Leiche beseitigt werden sollte. ...“
„Ist dir je bewusst geworden“, sagte er, „dass es für uns das Beste wäre, einfach hier wegzugehen, bevor es zu spät ist, und einander nie wiederzusehen?“
Ich arbeitete für eine Gruppe, die als Islam-A.G. bekannt war und von A.J., dem berühmten Sexhibitionisten finanziert wurde.
„Sie werden es zu gegebener Zeit verstehen, aber auch das wird nur ein nächster Schritt weiter sein.“
Die Sonne und die stetige Bewegung seiner Finger hatten seine linke Hand jetzt vollständig entkrampft, und er suchte mehr Druck auf sie abzuwälzen, und er bewegte die Rückenmuskeln, um den Schmerz von der Schnur ein wenig zu verlagern.
Wenn ich über mich selbst nachdenke und mich wundern muss, dass es so gar niemanden und nichts auf der Welt gibt, was ich zu hassen, ja nicht einmal als antipathisch zu empfinden imstande wäre, außer „ihn“ und seinen Stamm – beschleicht mich oft das widerliche Gefühl: ich könnte das sein, was man einen „guten Menschen“ nennt.
Durch mein Fernglas sah ich den Hang eines Hügels mit ein paar vereinzelten Bäumen und ohne jedes Unterholz.
Auf dem Schauplatz bleiben zurück ein trauriger Emmentaler und ein kleiner Junge, der die dicken Arme zum Himmel hebt und, den Kosmos anklagend, weithinhallend ruft: „Mama! Wo kommen die Löcher im Käse her - ?“
Die Autoren in der Reihenfolge von oben nach unten:
Charles Bukowski, Henry Miller, Knut Hamsun, G.K. Chesterton, George Orwell, William S. Burroughs, Stanislaw Lem, Ernest Hemingway, Gustav Meyrink, Joseph Conrad, Kurt Tucholsky
Überall auf der Welt wäre ich vielleicht an dir vorbeigegangen, ohne dich zu bemerken. Und dann ging an diesem Tag und an diesem Ort plötzlich eine Tür auf. Wie soll ich es sonst verstehen. Die Türen zu unseren Mitmenschen, die meist verschlossen sind – und sich nur zufällig öffnen. Nicht immer nach unserem Geschmack. Aber damals, als du aus dem Nichts auftauchtest, hinter mir am Schalter des Bahnhofs standst …, wollte ich den Fuß in die Tür stellen, damit sie nicht einfach wieder zugeht. Man könnte auch sagen: es ergab sich so. Doch das ist viel zu wenig, wenn ich mir überlege, wie sehr ich dich heute liebe.
Die Sonne scheint. Sie schien in Barcelona, und sie scheint hier. Sie schien am Bodensee, und sie scheint hier. Fliegen summen durch das offene Fenster zu mir ins Zimmer, und sie finden den Weg wieder hinaus. Manchmal muss ich etwas nachhelfen. Ich schreibe von dem Glück, das wie Lava erkaltet, erstarrt. Der Alltag kühlt alles hinunter. Bis lediglich eine Glut in meinem Herzen bleibt. Immer zu Schandtaten bereit. Um neu auszubrechen. Hin zu dir. Hin zu meiner Liebe. Verrückt nach lebendigen Träumen. Die Sonne und ich. Wir haben ein Bündnis. Ich spüre die Kernfusion. Die Sterne am Himmel sind meine Kinder. Ich will zur Supernova werden. Eines Tages. Hin zur Ewigkeit. Gott scheiße ich dabei auf den Kopf. Mein lieber Gott. Du bist nur ein Zwischenstopp. Der Größenwahnsinn hat die Welt erschaffen. Insbesondere den Menschen. Und die Liebe, die wie Lava fließt. Und ewig nachdrückt.
Zum verrückt werden. Das Alles.
Die Sonne scheint. Ein paar Wolken rücken vor. Das Fenster steht offen. Fliegen summen in mein Zimmer. Alexis Korner spielt einen Blues. Jeder Blues ist mein Blues. Denke ich, einsam, wie ich bin.
4
Wo war ich stehengeblieben?
Der Mai fiel buchstäblich ins Wasser. Die Tage gingen ins Land. In der Ukraine kloppten sich immer noch die Idioten. Europawahlen fanden statt. Das Grün sprießte munter bei dem feuchten Wetter. Brasko hatte einen erotischen Traum. Skurriler Gruppensex: Sherlock Holmes fickte Kommissar Maigret, während Old Shatterhand und Lederstrumpf mit einer ominösen blonden Schönheit in Sandwichposition …
Brasko wachte schweißgebadet auf. Er hatte in den vergangenen Tagen fünf Menschen telefonisch mitgeteilt, dass sie per Zufallsgenerator ausgesucht worden seien, um mit Thomas Gottschalk ein Wochenende in Kalifornien zu verbringen. Eine renommierte ansässige Firma würde sich die Aktion einiges kosten lassen, und bla bla bla. Mit zuckersüßer Stimme log Brasko den „Kandidaten“ das Blaue vom Himmel herunter. Sie sollten sich die Gelegenheit auf keinen Fall entgehen lassen. Ein erstes Treffen mit dem berühmten Showmaster würde am Vatertag im Kaffeehaus stattfinden. Tatsächlich sagten alle zu. Die Leute waren einfach zu doof. Die wollten es nicht anders. Seltsamerweise war eine der ausgesuchten Personen weiblich. Brasko fiel keine einzige Buchheldin ein.
„Prima“, sagte Harry Potter am Telefon.
„Ja prima, aber sagen Sie mal, warum eine Frau?“
„Tja …“, Harry Potter zögerte, „lassen Sie sich überraschen, Mr. Brasko.“
„Ist ja Ihre Sache.“
„Genau. Haben Sie auch einen Raum?“
„Ja, ich mietete einen Gastraum im Kaffeehaus, wenn es Ihnen recht ist.“
„Wenn wir dort unsere Ruhe haben ...“
„Ich denke schon. Solange ich nicht auf mein Bier verzichten muss.“
„Oder Gin Tonic.“
„Genau“, Brasko lachte, „für Sherlock Holmes.“
„Seien Sie nicht albern. Also gut. Ich verlasse mich auf Sie, Mr. Brasko. Ansonsten müsste ich auf Sie zurückgreifen. Sie verstehen ...“
„Sie sind aber auch ein Witzbold, Mr. Potter.“
„Eigentlich nicht.“
„Es wird schon alles klappen. Die Armleuchter haben mir die Geschichte abgenommen, HAHA. Die glauben tatsächlich, dass Thomas Gottschalk ...“
„Gut. Wir sehen uns dann.“
„HAHA, stimmt, dann sehen wir uns endlich mal, HAHA!“
Vatertag. Ein paar Sonnenstrahlen kitzelten die Blätter des gewaltigen Baumes vor Braskos Fenster.
Das Treffen im Kaffeehaus war erst für 16 Uhr angesetzt. Brasko hörte Musik, trank Cola Weiß und schaute sinnierend auf den grünen Urwald. Auf was hatte er sich eingelassen? Fünf dumme, unschuldige Menschen würden von seltsamen Geistwesen, die sich „Die Liga der echten Buchhelden“ nannten, übernommen werden. Konnte er das mit seinem Gewissen vereinbaren? Harry Potter hatte ihm eine wirklich ansehnliche Summe Geldes aufs Konto gezaubert. Außerdem hatte er ihm doch versichert, dass den Seelen nichts passieren würde. Brasko goss sich am Kühlschrank das nächste Glas ein. Die Welt ließ sich schwer nüchtern ertragen. Er setzte sich zurück an seinen Schreibtisch, ging auf Youporn und holte sich einen runter ..., während Alexis Korner „Will the Circles be unbroken“ spielte.
Walgesänge auf den Kopf gestellt. Morgen ist erst Sonntag. Das Grün frisst mich auf. Lila Raketen zünden auf der Wiese. Mozart ist grau. Ich sei in ihrer Vorstellung weiß, sagte sie. Die Sonne ist ein bärtiger Mormone. Die Wäscheklammern wippen im Wind. Ein rotes Fahrrad steht seit Jahren am Wegesrand. Die nächste Bushaltestelle ist auf der Venus. Haut wird wie Packpapier.
Ich will nach Genua. Warum Genua? Auf dem Nachhauseweg trat ich auf eine Schnecke. Das Knirschen erschreckte mich. Ich weine. Ein Kristallschädel lächelt mich an. Morgen ist erst Sonntag. Herztöne. Das Herz eines Blauwales wiegt bis zu einer Tonne. Die Farbe meines Herzens ist Blau. Ich liebe dich. Warum liebe ich dich?
3
Er hörte ihre Stimmen ganz deutlich in seinem Kopf, wenn man das so sagen konnte. Wurde Brasko in seinem fortgeschrittenen Alter noch schizophren? In seiner Familie gab es zumindest die Anlage dafür. Ach was! Schließlich hatte ihn Harry Potter doch angerufen. Das war real und nicht im Delirium gewesen. Oder? Brasko wollte nicht den Verstand verlieren. Er nahm einen kräftigen Schluck von seinem Bier.
„Sie sollten nicht an unserer Echtheit zweifeln“, sagte Harry Potter, und Sherlock Holmes grunzte wieder.
„Wieso grunzt Mr. Holmes eigentlich ständig?“
„Er hat nicht nur keinen Körper sondern auch keine Stimme. Ich bin der einzige, der von uns reden kann. Also richtig telepathisch verständlich für Sie. Wie Sie vielleicht wissen, kann ich zaubern. Wir brauchen Sie, Mr. Brasko, damit Sie uns zu Körpern verhelfen, so dass wir wie ganz normale Menschen auftreten können.“
„Okay. Und wie haben Sie sich das gedacht? Ich meine, wie stellen Sie sich das vor? Körper …, vorausgesetzt sie sind lebendig, sind normalerweise bereits von Persönlichkeiten besetzt. Ich bin kein Mörder. Warum zaubern Sie sich nicht einen?“
„Auch die Zauberei hat ihre Bedingungen und Grenzen. Man kann sich nicht einfach alles, was man sich wünscht, herzaubern. Sie können das mit dem Kapitalismus vergleichen – man kann sich mit Geld auch nicht alles kaufen. Sie sollen niemanden für uns umbringen, Mr. Brasko.“
„Das beruhigt mich. Kleinen Moment, bevor Sie mir weiteres erläutern, mein Bier ist leer … Kei! Mach mir bitte mal`nen Gin Tonic!“
…
„Mist, warum reagiert der nicht?“
„Weil Sie zu Kei laut reden müssen, Mr. Brasko.“
„Ach so.“ Brasko schlug sich an seine Stirn und wiederholte seine Bestellung laut. Er schrie beinahe. Kei zuckte zusammen und schaute Brasko irritiert an. Aber er hatte verstanden und griff bereits nach der Gin Flasche.
„Sie trinken eine ganze Menge.“
„Ja. Das ergab sich so. Die Welt ist ziemlich irre, Mr. Potter, und ich kann nicht zaubern. Wo waren wir stehengeblieben?“
„Sie sollen niemanden für uns umbringen. Wir suchen die passenden Leute aus, und Sie sollen dann bewerkstelligen, dass sie alle an einem Ort zusammenkommen.“
„Das ist alles? Was machen Sie dann mit diesen Leuten?“
„Stellen Sie sich das einfach so wie das Umfüllen von Flaschen vor.“
„Hm, wo gießen Sie denn die Leute hin?“
Kei hatte den Gin Tonic vor Brasko gestellt. Brasko nahm einen tiefen Zug mit dem Strohhalm.
„Also, wo gießen sie dann die Leute hin?“
„Schauen Sie auf ihr Glas, Mr. Brasko.“
Brasko traute seinen Augen nicht. Das Glas leerte sich zusehends, ohne dass augenscheinlich jemand daraus trank. Er hörte Sherlock Holmes in seinem Kopf grunzen.
„Wo trinken Sie das hin, wenn Sie keinen Körper haben?!?“
„Ich wollte Ihre Frage plastisch beantworten. Da, wo jetzt der Gin Tonic ist, da gießen wir auch die Leute hin. Denen passiert nichts.“
„HAHA, und das soll ich glauben?“
„Wenn Sie mir nicht glauben, kann ich es an Ihnen selbst demonstrieren.“
„Sie wollen mich umfüllen?“
„Das könnte ich in der Tat, Mr. Brasko. Natürlich würde ich Sie wieder zurück füllen.“
„Nein Danke. Ich bleibe lieber so voll, wie ich gerade bin.“
Brasko bestellte sich bei Kei noch einen Gin Tonic. Sherlock Holmes grunzte.
„Sagen Sie bitte ihrem Freund, dass ich dieses Getränk alleine austrinken möchte.“
„Keine Sorge. Wie sieht es aus, Mr. Brasko, können wir auf Sie zählen?“
„Und die Bezahlung?“
„Geld ist für einen Zauberer kein Problem. Checken Sie einfach in den nächsten Tagen Ihr Konto. Sie werden nicht enttäuscht sein.“
„Klingt gut. Nur das mit dem Um- oder Ausgießen kapiere ich nicht so richtig.“
„Vertrauen Sie mir. Den Leuten wird nichts passieren. Die werden sich wie im Urlaub fühlen. Wir brauchen nur ihre Körper.“
„Hm“, Brasko ließ den Strohhalm, der aus seinem Gin Glas ragte, nicht los, „na gut. Aber wenn ich merke, dass an der Sache was faul ist ...“
„Daran ist nichts faul.“
Harry Potter vereinbarte mit Brasko ein nächstes Treffen im Kaffeehaus, wo Brasko die Namen und Adressen der Leute erfahren sollte, welche die Liga der echten Buchhelden als zukünftige Körper für sich ausgesucht hatten. Plötzlich waren die Stimmen in Braskos Kopf verschwunden. Niemand grunzte oder redete. Er war wieder ganz allein. Ein sonderbares Gefühl.
2
Brasko dachte an Frauenmösen und daran, warum er an nichts anderes denken konnte.
Warum stand er auf Mösen und nicht auf Schwänze? Wieso hatte er einen Schwanz?
Was für ein Gefühl war es für eine Frau, einen Schwanz im Mund zu haben?
Der 1. Mai war verregnet. Er kam schon eine halbe Stunde vor dem vereinbarten Zeitpunkt ins Kaffeehaus. Kei, der Halbjapaner, bediente. Sie nickten sich zu.
Es saßen ein paar Feiertags-Spießer zum Kaffeetrinken herum.
Harry Potter wird mich schon finden, dachte Brasko.
Fragen über Fragen. Es waren nicht nur die Mösen, die ihn beschäftigten.
Kei stellte das dunkle Hefeweizen vor ihn auf die Theke.
„Danke.“
Kei grinste.
Was für eine Scheiß-Welt! Brasko nahm einen ersten, kräftigen Schluck. Der erste Schluck war immer das Beste. Am liebsten hätte er einen Indianertanz aufgeführt. Er würde so vieles gern machen, aber er traute sich nie. Den meisten Menschen schien es ähnlich zu gehen.
Um sich abzulenken, schaute Brasko auf den Arsch der Bedienung, die im Gastraum servierte.
Aber Frauenärsche lenken einen nur richtig ab, wenn man die Arschbacken in den Händen hält.
Mein Gott! Brasko dachte an den Ukraine-Konflikt, um sich nicht weiter aufzugeilen. Idioten!
Die sollten lieber rumficken als so einen Terror im eigenen Land zu veranstalten. Aber vielleicht ließen ihre Frauen sie nicht mehr ran … Wenn jeder Idiot Politik machen will, dann wird es echt idiotisch!
„Brasko? "
Brasko fuhr auf dem Barhocker herum.
„Ich sitze neben ihnen.“
„Jessas, haben Sie mich erschreckt, Mr. Potter!“
„Und neben mir sitzt Mr. Sherlock Holmes, den sie freilich ebenso wenig sehen können.“
„Guten Tag, Mr. Holmes.“
Kei schaute zu Brasko. „Noch ein Bier?“
„Äh, ja, nein, ja. Moment, Kei.“
„Mr. Potter, wie verständige ich mit Ihnen, damit es nicht so aussieht, als führte ich Selbstgespräche?“
„Konzentrieren Sie sich einfach auf ihre Gedanken.“
„Etwa so ?“
„Genau.“
„Wow. Es funktioniert.“
„Und blenden Sie bitte Ihre Gedanken an Mösen aus.“
„Entschuldigung.“
„Sie sind wohl ziemlich notgeil, Mr. Brasko?“
„Weiss nicht – sind das nicht alle Männer?“
…
„Noch ein Bier, Kei.“ Braskos unsichtbare Bargenossen schwiegen. Sie waren wahrscheinlich nur in seinem Kopf. Alles nur Einbildung. Kei plazierte das frische Bier auf der Theke.
„Können wir nun zur Sache kommen?“ fragte Harry Potter, und Sherlock Holmes grunzte.
1
Ring frei für Putin gegen Obama, dachte Brasko, der den Klitschko-Kampf am Vorabend verschlafen hatte. Brasko brütete vor sich hin und trank Cola-Weiss. Sonntage waren nicht sein Fall.
Er musste erst mal in Tritt kommen. Der schlaksige Obama hätte wahrscheinlich keine Chance …
Das Telefon klingelte.
„Brasko.“
„Hallo Mr. Brasko. Mein Name ist Harry Potter.“
„So so, was kann ich für Sie tun Mr. Potter ?“ Unwillkürlich hatte Brasko einen Lachanfall.
„Mr. Brasko??“
„Entschuldigen Sie. Es ist Sonntag, und ich stellte mir gerade vor, wie Putin Obama in die Eier ...“
„Hören Sie auf zu lachen, oder ich verwandele Sie in ein Kaninchen!“
„Übers Telefon? HAHA!“
„Ja, das funktioniert auch telefonisch. Aber jetzt im Ernst. Ich benötige Ihre Hilfe in einer prekären Angelegenheit.“
„Ich bin ganz Ohr. Legen Sie los.“
„Also, wir wollen endlich etwas richtigstellen ...“
„Wir?“
„Dazu komme ich gleich. Unterbrechen Sie mich bitte nicht. Wir wollen aus unserem literarischen Schattendasein hervortreten, denn es gibt uns wirklich! Vorerst sind wir zu fünft: Sherlock Holmes, Old Shatterhand, Lederstrumpf, Kommissar Maigret und meine Wenigkeit. Ich bin mir aber sicher, dass sich uns bald noch mehr anschließen. Wir wollen das falsche Bild, welches von uns in Film und Buch verbreitet wird, geraderücken. Verstehen Sie, Mr. Brasko? Weil es uns wirklich gibt! Es gibt uns wie Sie!
„Mich gibt es allerdings. Wollen Sie mich veräppeln?!?“
„Nein. Keineswegs. Sie wurden mir empfohlen, weil Sie offen für solche … äh … schwierigen Fälle sind.“
„Kann sein. Ich bin ein aufgeschlossener Mensch. Ich glaube an nichts und alles. Das meiste langweilt mich. Heute ist Sonntag. An Sonntagen langweile ich mich ganz besonders. Klingt lustig, was Sie mir da erzählen, Mr. Potter.“
„Ist es aber ganz und gar nicht! Ich bin der echte Harry Potter! Und ich protestiere in aller Entschiedenheit gegen das Verhohnepiepeln meiner Person; und ich spreche nicht nur für mich sondern für all die anderen, die langsam wach werden und sich von ihrem falschen Image lossagen wollen! Darum gründeten wir die Liga der echten Buchhelden.“
„Sie wollen mir also damit sagen, dass sie keine Erfindungen der Buchautoren sind ...“
„Genau.“
„Tut mir leid. Kapiere ich trotzdem nicht. Die meisten von Ihnen müssten doch längst tot sein.“
„Unsereins stirbt nicht.“
„Ach so, verstehe. So wie der Weihnachtsmann.“
„Genau.“
„Hust, der war auch mal mein Kunde.“
„Heißt das, Sie nehmen den Auftrag an, Mr. Brasko?“
„Was für einen Auftrag?“
„Wir wollen die Menschheit über unsere wahren Identitäten aufklären, und Sie sollen uns dabei unterstützen.“
„Da haben Sie sich ja was vorgenommen – die Menschheit aufklären … HAHA. Was soll ich denn dabei tun?“
„Telefonieren Sie mit mir, oder nicht?“
„Mr. Potter, ich habe Sie am Apparat.“
„Genau. Wir können telefonieren, aber unsereins hat noch keinen Körper.“
„Moment ...“ Brasko schlurfte zum Kühlschrank und goss sich nach – zwei Drittel Müller Thurgau und ein Drittel Cola light. Er nahm sofort einen großen Schluck und wischte sich über den Mund. Für solche Fälle war er noch zu nüchtern.
„Sie brauchen also ein paar passende Körper?“
„Genau. Mr. Brasko, die Details erkläre ich Ihnen bei unserem ersten Treffen.“
„Aber Sie haben doch keinen Körper. Wie erkenne ich Sie?“
„Machen Sie sich darüber keine Sorgen. Kommen Sie nur an den vereinbarten Treffpunkt, und ich werde mit Ihnen in Verbindung treten. Haben Sie am 1. Mai Zeit? 16 Uhr vorm Kaffeehaus?“
„Warum nicht.“
„Gut, dann verbleiben wir so, Mr. Brasko. Es war mir eine Freude.“
„Mir auch“, sagte Brasko, aber Harry Potter hatte bereits aufgelegt.
Die Welt war ein Irrenhaus. Obama versuchte es mit einer Serie rechter und linker Haken ... Putin konnte sich immer wieder wegducken. Hitler und Stalin saßen in der ersten Reihe und lachten sich kaputt. Wo lag noch mal die Ukraine? Was gab es dort zu gewinnen? Brasko schaute aus dem Fenster. Alles kam ihm verflucht unwirklich vor.