Ich greife in den Raum, als wäre er aus weicher, durchsichtiger Butter. Nichts bewegt sich. So fühlt es sich also an. Wahrscheinlich träume ich. Alexis Korner klimpert einen Blues, das heißt, es hört sich wie ein Schrammen an. Es ist kalt. Ich spüre die Kälte wie eine zweite Haut. Ich wippe auf einem Bürostuhl und sehe vor mir ein weißes Licht. Seltsamerweise blendet es mich nicht. Von einem Tunnel ist nichts zu sehen. Ich bin ganz eingehüllt in das weiße Licht. Ich denke an eine weiße Leinwand, auf der sich die Welt mit seinen tausend Dingen und Erscheinungen erst manifestieren muss. Alles ist da und gleichzeitig nicht da.
Ich dachte schon als junger Mann viel über den Tod nach. Aber wenn er dann da ist, ist alles nochmal anders, als man es sich vielleicht vorstellte. Die ganze Zeit läuft Musik. Ich höre nur nicht immer hin. Es ist die Musik, die ich in meinem Leben gern hörte. Ich schaue aus dem Fenster in einen frühlingshaft grünen Blätterwald. Alles ist da und gleichzeitig nicht da. Das Meer, die Sonne, die Stadt, der Himmel und die Wolken, mein Zimmer, der Schreibtisch, der Computer …
Da ist das weiße Licht, das alles in sich birgt. Und die Kälte, die mich aber nicht frieren lässt.
Der Tod ist nicht schlimm. Er bettet mich weich und riecht nach dir.
Es gibt Tage, an denen ich mich wie gelähmt fühle. Mir fehlt der Hintern, in den ich reinbeißen kann. Mir fehlt das zweite Augenpaar. Stattdessen absolute Windstille. Kein anderer Atem, kein Lachen. Ich lasse mich von belanglosen TV-Sendungen berieseln und starre Löcher in die Luft. Ich stehe im Vorzimmer der Verzweiflung. Die Sekretärin ist eine alte Jungfer mit müdem Gesichtsausdruck. An der Wand hängt ein Pin-up Kalender. Frau April hat dunkle Haare und dreht mir ihren Arsch zu.
„Haben Sie einen Termin?“ fragt die Sekretärin und mustert mich gelangweilt.
„Nein, nicht wirklich.“
„Nicht wirklich?“
„Gefickt.“
„Ach so.“
Licht und Schatten wechseln in rasantem Tempo. Wolken ziehen über mein Gesicht. Ich stehe nur so da, während alles seinen Gang nimmt. Ich spüre nichts, fast nichts, bin von der Sekretärin leicht angewidert. Eine weit entfernte Stimme in mir fragt sich: Was für ein Leben …? Sie kaut Kaugummi und lächelt, als hätte sie meine Gedanken gelesen und wolle mich verhöhnen.
„Gefickt“, wiederhole ich.
„Die Gefickten müssen warten“, sagt sie gedehnt.
Wie lange warte ich schon? Egal. Zu lange. Es kommt nicht mehr drauf an. Warum hockt da diese abgenutzte, frigide Sekretärin und nicht Frau April? Zu der würde ich mich auf den Schreibtisch setzen …
So war es schon immer. Jeder Gefickte hat sein Vorzimmer. Ganz für sich. Es ist Anfang und Ende.
Ich trage mich schon länger mit dem Gedanken, meine alten Notizbücher aufzuarbeiten. Es betrifft meine handschriftlichen Aufzeichnungen vor meiner Zeit im Internet und ohne Computer.
Auf meinen Ausflügen hatte ich immer ein Notizbuch dabei, und mit den Jahren schrieb ich einige voll.
Nun machte ich mir endlich die Mühe, ein neues Blog zu eröffnen, auf dem ich meine alten Sachen nach und nach in einer überarbeiteten Fassung ablegen werde.
Ich nutze diese Gelegenheit und probiere einen anderen Blog-Anbieter als
twoday.net aus – ich landete bei
wordpress. Warum? Einfach spontan.
An die neue Beutzeroberfläche muss ich mich freilich erst gewöhnen. Learning by doing – wie es so schön heißt.
Das neue Blog heißt "
ink blood wine & dreams ". Als Bild für den Header verwendete ich einen Ausschnitt des Notizbuch-Covers. Die Gestaltungsmöglichkeiten sind beschränkt – ich nutze die Gratis-Version.
Über Besuche und Kommentare auf dem neuen Blog freue ich mich natürlich!
Auch bin ich als Neuling bei
wordpress über Tipps froh, wie ich das ein oder andere besser machen kann.
(Apropos: Die Blogs bei twoday.net bleiben natürlich aktiv.)
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Könnte ich mit der Sprache malen. Worte verwandeln sich in farbige Formen, die immer wieder neu und anders erscheinen. Sprache und Geist gehen labyrinthisch ineinander über. Worte gehen zu Worten zu Worten. Die Buchstaben treten zurück. Die Geschichte erzählt sich selbst. Sie führt meine Hand. Sie ist bei mir, solange das Blut durch meine Adern fließt. Alle Bedeutungen verschwinden in dem Labyrinth. Die Vielgestalt der Seele zeichnet sich ab. Ein Leben lang werde ich an ihr malen. Mein Herz ist nur ein Gefäß. Die Welt ist nur ein Gefäß. So weich und hart, wie ich es zulasse. Die Menschen sterben an Einsamkeit. Sie krallen sich an die Dinge und Bedeutungen. Sie verlieren sich in Erklärungen. Dabei vergessen sie das einfache Sein, das bedeutungslose Sein. Auch ich klebe fest an dieser Scheinwelt. Aber sie hat mich nicht ganz. Mein Geist ist zu ketzerisch. Absurd. Es ist, als könnte ich nichts fühlen. Die Welt fliegt mir um die Ohren. Sie zerfällt in ihre Größen. Ich habe Angst. Der Tod ist weniger als nichts. Er zerstört meine Bilder. Der Tod macht alles lächerlich. Ich mag es nicht, wenn er sich über mich lustig macht. Aber er hat recht. Mir fehlt es an Humor.