Was ich lese

Samstag, 28. April 2012

Homo Faber (169/170)


Diskussion mit Hanna! - über Technik (laut Hanna) als Kniff, die Welt so einzurichten, dass wir sie nicht erleben müssen, Manie des Technikers, die Schöpfung nutzbar zu machen, weil er sie als Partner nicht aushält, nichts mit ihr anfangen kann; Technik als Kniff, die Welt als Widerstand aus der Welt zu schaffen, beispielsweise durch Tempo zu verdünnen, damit wir sie nicht erleben müssen. (Was Hanna damit meint, weiß ich nicht.) Die Weltlosigkeit des Technikers ...
... Mein Irrtum: dass wir Techniker versuchen, ohne den Tod zu leben. Wörtlich: Du behandelst das Leben nicht als Gestalt, sondern als bloße Addition, daher kein Verhältnis zur Zeit, weil kein Verhältnis zum Tod. Leben sei Gestalt in der Zeit. Hanna gibt zu, dass sie nicht erklären kann, was sie meint. Leben ist nicht Stoff, nicht mit Technik zu bewältigen ...

(aus "Homo Faber" von Max Frisch)

Freitag, 30. März 2012

Homo Faber (22)


„Ich glaube nicht an Fügung und Schicksal, als Techniker bin ich gewohnt mit den Formeln der Wahrscheinlichkeit zu rechnen. Wieso Fügung? Ich gebe zu: Ohne die Notlandung in Tamaulipas wäre alles ganz anders gekommen; ich hätte diesen jungen Hencke nicht kennengelernt, ich hätte vielleicht nie wieder von Hanna gehört, ich wüßte heute noch nicht, daß ich Vater bin. Es ist nicht auszudenken, wie anders alles gekommen wäre ohne diese Notlandung in Tamaulipas. Vielleicht würde Sabeth noch leben. Ich bestreite nicht: Es war mehr als ein Zufall, daß alles so gekommen ist, es war eine ganze Kette von Zufällen. Aber wieso Fügung? Ich brauche, um das Unwahrscheinliche als Erfahrungstatsache gelten zu lassen, keinerlei Mystik; Mathematik genügt mir.
Mathematisch gesprochen:
Das Wahrscheinliche (daß bei 6000.000.000 Würfen mit einem regelmäßigen Sechserwürfel annähernd 1000.000.000 Einser vorkommen) und das Unwahrscheinliche (daß bei 6 Würfen mit demselben Würfel einmal 6 Einser vorkommen) unterscheiden sich nicht dem Wesen nach, sondern nur der Häufigkeit nach, wobei das Häufigere von vorneherein als glaubwürdiger erscheint. Es ist aber, wenn einmal das Unwahrscheinliche eintritt, nichts Höheres dabei, keinerlei Wunder oder Derartiges, wie es der Laie so gerne haben möchte. Indem wir vom Wahrscheinlichen sprechen, ist ja das Unwahrscheinliche immer schon inbegriffen und zwar als Grenzfall des Möglichen, und wenn es einmal eintritt, das Unwahrscheinliche, so besteht für unsereinen keinerlei Grund zur Verwunderung, zur Erschütterung, zur Mystifikation.“

(aus „Homo Faber“ von Max Frisch)




Fügung oder nicht. Diese Frage ist für mich noch nicht geklärt. Ich erinnere mich, wie faszinierend ich gerade deswegen die Wahrscheinlichkeitsrechnung in der Oberstufe fand. Leider bekam ich ausgerechnet die letzten drei Jahre vorm Abi einen Mathelehrer, der mir den ganzen Spaß am Fach verdarb. Ich benötigte damals noch etwas Anleitung und Motivation, um mich in einer Sache weiterzuentwickeln, denn eigentlich hatte ich ganz andere Dinge im Kopf: Ich hatte meinen ersten Liebeskummer zu verdauen, und überhaupt kotzte mich die Tretmühle Schule total an. Es ging nur noch darum, irgendwie zu überleben. Bei diesem Mathelehrer, er war Konrektor auf der Schule, sackte ich glatt um 3 Noten ab. Er wurde von uns „Schwein“ genannt. Die Herleitung aus seinem Namen war naheliegend. Er machte es sich zum Vergnügen, schwächere und weniger selbstbewusste Schüler an der Tafel vor der gesamten Klasse vorzuführen. Ein Sadist. Und einer von der Sorte, die das pädagogisch völlig in Ordnung fanden. Inzwischen ist er sicher längst in Rente, gestorben oder dümpelt noch in einem Altenheim vor sich hin …
Tja, was wäre wohl aus mir geworden, wenn er mich damals nicht derart frustriert hätte? Vielleicht hätte ich nach der Schule erfolgreich Mathematik studiert. Wer weiß. Ich bildete mir damals jedenfalls ein, dass ich für das Fach eine gewisse Begabung besitze. Nun, es kam alles ganz anders, und ich bin auch nicht traurig drum. That`s Life. Fügung? Schicksal? Oder einfach nur blöder Zufall?

Mittwoch, 14. März 2012

Seide (65)

Der Schlußsatz:

Bisweilen, an windigen Tagen, ging er zum See hinunter und schaute Stunden lang hinaus, denn es schien ihm, als zeichne sich auf dem Wasser das unerklärliche, schwerelose Schauspiel dessen ab, was sein Leben gewesen war.

(aus "Seide" von Alessandro Baricco)

Donnerstag, 8. März 2012

Seide (17)


einfach, poetisch, kraftvoll



"Wie ist das Ende der Welt?" fragte ihn Baldabiou.
"Unsichtbar."
Seiner Frau Hélène brachte er ein Seidengewand mit, das sie aus Schüchternheit nie trug. Wenn man es anfaßte, war es, als hätte man das Nichts in Händen.


(aus "Seide" von Alessandro Baricco)



Manche Bücher in der Straßenbahn oder in der Dönerbude zu lesen - ist wie ein Tor zu einer anderen Welt vor Augen.
Als wäre man in einem Zwischenreich hin- und hergerisssen.
Um Danke zu sagen.

Montag, 13. Februar 2012

Herr Lehmann (über Liebe)


"Ich weiß nicht, ob ich dich liebe", sagte sie, "Ich meine", korrigierte sie sich sofort, "ich glaube, ich liebe dich, aber ich bin nicht in dich verliebt, wenn du weißt, was ich meine."
"Weiß ich nicht."
"Na ja, lieben tu ich dich auf jeden Fall. Aber ich bin nicht direkt verliebt, das ist noch mal was anderes."
"Das ist gar nichts anderes. Wenn man jemanden liebt, dann ist man auch verliebt."
"Eben nicht." Sie richtete sich auf und schaute ernst auf ihn hinunter. Ihr Haar kitzelte ihn in den Augen. "Wenn man jemanden liebt, dann ist das allgemein und überhaupt. Aber wenn man in jemanden verliebt ist, dann ist das ganz drängend, dann ist das in diesem Moment und so."
"Soso", sagte Herr Lehmann. "Du meinst, das eine ist akut und das andere chronisch, oder wie?"
Sie dachte kurz nach. "Ja, irgendwie so."
"Das eine wie Lungenentzündung, das andere wie chronische Bronchitis, oder wie?"
...

(Auszug aus "Herr Lehmann" von Sven Regener: Dialog zwischen Herrn Lehmann und der Köchin)

Dienstag, 24. Januar 2012

Herr Lehmann


Herr Lehmann ist mir sympathisch. Wieder ein Buch, bei dem mir oft ein Lacher entfährt. Schon nach den ersten Seiten kann ich sagen, dass mir die Lektüre Spaß machen wird. Streckenweise fühlte ich mich an Fausers „Rohstoff“ und an Salingers „Fänger im Roggen“ erinnert - schon allein wegen der leicht schnodderigen Sprache und dem Schreibstil: frech, locker, flüssig …
Dieser Herr Lehmann ist mir wirklich sympathisch in seiner etwas störrischen Art und seiner unfreiwilligen Komik, seinen Gedankengängen – ich teile einige seiner Meinungen, z.B. seine Meinung über Sonntage und die Sonntagsfrühstücker: "... dieser Frühstückskram macht alles kaputt, wie er jeden Sonntag alles kaputt macht ..."
Herrlich, wie Sven Regener, der Autor, gleich auf den ersten Seiten Herrn Lehmanns nächtliche Begegnung mit einem Hund beschreibt …, - oder wie Herr Lehmann sich in die Köchin verliebt. Da ist so viel Dialogwitz drin!
Ich könnte mir vorstellen, dass Mico (Harte Zeiten für Träumer) sich in diesem Herrn Lehmann ganz gut wiedersieht. Man müsste halt die Tanke nach Berlin versetzen und mit der Kneipe tauschen.
„Herr Lehmann“ ist ganz ausgezeichneter, mitreißender Lesestoff für alle Micos der Welt, für die Loser, Angesoffenen, Träumer und unverbesserlichen Tunichtgute. Wie gesagt, Herr Lehmann ist mir sehr sehr sympathisch ...

Sonntag, 4. Dezember 2011

Alleinsein ... das ist das Leben


Am Abreisetag hatte ich noch ein paar Kronen in der Tasche. Im Prager Hauptbahnhof kaufte ich mir darum noch 2 Stangen Hartwurst, ein paar Dosen Bier und „Stranger Than Fiction“ von dem amerikanischen Autor Chuck Palahniuk, eine Sammlung wahrer Geschichten. (Er schrieb u.a. das Buch „Fight Club“, welches von David Fincher verfilmt wurde.) Chuck Palahniuk – für mich eine kleine literarische Entdeckung. Seine Geschichten sind flott geschrieben, teilweise skurril, obskur – eben wie der Titel ankündigt stranger than fiction, darunter einige Porträts bemerkenswerter Zeitgenossen, z.b. Marilyn Manson. Auf dem Klappentext lese ich: „Jede Geschichte zeigt einzigartige Facetten menschlicher Existenz, wie sie von einem der kompromisslosesten und talentiertesten Autoren unserer Zeit gelebt oder beobachtet wurden.“
Dieser Chuck Palahniuk wurde im selben Jahr wie ich geboren. Warum erwähne ich das? Ja, warum erwähne ich das eigentlich?
Nur so am Rande. Vielleicht träume ich insgeheim doch von einer Karriere als Schriftsteller.

Er porträtiert einige zeitgenössische Autoren (Andrew Sullivan, Amy Hempel) und schreibt über das Schreiben – was ich natürlich als literarisch ambitionierter Mensch sehr interessant finde.

Ich zitiere aus dem Porträt „Andrew Sullivan“ Worte, die er ihm in den Mund legt, oder die Sullivan selbst sagte, bzw. schrieb:

„Ein Mensch, der für sich allein steht, hat etwas Reizvolles – und sicher beziehe ich das in gewisser Hinsicht auch auf mich selbst. Ein Mensch, der einfach da ist und sich durch nichts beirren läßt. Man fragt sich: `Warum wankt der nie? Was geht da vor? Warum? Warum? Warum?`“

„Das ist die große Frage: `Warum bis du allein?` Ich meine, wir sind doch alle allein. Alleinsein … das ist das Leben. Entscheidend ist, wie wir allein sind. Ob unsere Einsamkeit eine gewisse Qualität hat. Ich bin ein Einzelgänger. Schon immer gewesen, auch als Kind. Es fällt mir schwer … es verlangt mir einiges ab, jemanden an mich heranzulassen.“

„... Ich stelle mir gerne vor, dass ich nur für mich selbst denke und schreibe, und das bringt es manchmal mit sich, dass man Leuten auf die Füße tritt, ziemlich oft sogar. Einsamkeit ist die natürliche Situation eines Schriftstellers. Und keines meiner Vorbilder war der Kopf irgendeiner Gruppe.
Orwell zum Beispiel war sehr für sich allein. Wenn jemand Anhänger hat, macht mich das sehr mißtrauisch.“

Ich strich mir diese Textstellen an, weil sie so oder so ähnlich aus meiner Feder stammen könnten. Es ist immer wieder faszinierend und berührend, wenn man seine Gedanken von fremden Menschen/Autoren widergespiegelt sieht.

Samstag, 22. Oktober 2011

Der Fänger im Roggen (176)


Holden sinniert über Mädchen:

... Das Blöde mit Mädchen ist, wenn sie einen Jungen mögen, egal, was für ein großer Arsch er ist, sagen sie, er hat einen Minderwertigkeitskomplex, und wenn sie ihn nicht mögen, egal, wie nett er ist oder wie groß sein Minderwertigkeitskomplex ist, sagen sie, er ist eingebildet. Sogar schlaue Mädchen machen das.
...

Der Fänger im Roggen (219/220)


Holden unterhält sich mit seiner kleinen Schwester Phoebe über seinen Schulrausschmiss, und was er nun vorhat:

...
Ich bin mir nicht sicher, ob die gute Phoebe wusste, wovon ich überhaupt redete. Schließlich ist sie bloß ein kleines Kind und so. Aber wenigstens hörte sie mir zu. Wenn jemand wenigstens zuhört, ist es schon mal nicht schlecht.
"Daddy bringt dich um. Er bringt dich um", sagte sie. Aber ich hörte nicht zu. Ich dachte an etwas anderes - etwas Verrücktes. "Weißt du, was ich gern tun würde? Also, wenn ich die verfluchte Wahl hätte?"
"Was? Hör auf zu fluchen."
"Du kennst doch das Lied >Wenn einer einen fängt, der durch den Roggen kommt<. Ich würde gern ..."
"Das heißt >Wenn einer einen trifft, der durch den Roggen kommt<", sagte die gute Phoebe. "Das ist ein Gedicht. Von Robert Burns."
"Ich weiß, dass es ein Gedicht von Robert Burns ist."
Aber sie hatte Recht. Es heißt tatsächlich >Wenn einer einen trifft, der durch den Roggen kommt<. Aber das wußte ich da nicht.
"Ich dachte, es heißt >Wenn einer einen fängt<", sagte ich. "Jedenfalls stelle ich mir dabei immer lauter kleine Kinder vor, die in einem großen Roggenfeld spielen und so. Tausende von kleinen Kindern, und niemand ist da - also, kein Großer -, nur ich. Und ich stehe am Rand eines verrückten Abgrunds. Und da muß ich alle fangen, bevor sie in den Abgrund fallen - also, wenn sie rennen und nicht aufpassen, wo sie hinlaufen, dann muss ich irgendwo rauskommen und sie fangen. Und das würde ich den ganzen Tag lang machen. Ich wär einfach der Fänger im Roggen und so. Ich weiß, es ist verrückt, aber das ist das Einzige, das ich richtig gern wäre. Ich weiß, es ist verrückt."
...

Samstag, 8. Oktober 2011

Der Friedhof in Prag


Passend - kurz vor meiner Reise nach Prag kommt mir Umberto Ecos neues Buch "Der Friedhof in Prag" in die Quere. Die Kritiken klingen interessant.





Ich merke es mir als Lektüre vor.

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