Nach der Nachtwache ist vor der Nachtwache

Dienstag, 13. August 2013

Was für ein Mensch muss man sein?


Ich merkte mal wieder, wie satt ich die Arbeit habe. Allein in der Nacht zwischen Kacke und Urin, hilflosen und verwirrten alten Menschen. Zwei waren gestürzt, und ich musste sie vom Boden aufklauben. Eine andere hatte die ganze Nacht die Scheißerei. Der nächste hatte Luftnot und wollte sterben. Beinahe in jedem Zimmer Elend, Krankheit, Depression und Irrsein. Es fällt mir schwer, noch Mitleid zu haben. Ich kompensiere viel mit Routine und Erfahrung – aber nicht alles. Ich weiß, die Alten können nichts dafür. Wie abgestumpft bin ich inzwischen? Wie abgebrüht und hartgesotten muss man für diesen Beruf sein? Was für ein Mensch muss man sein, um diese Arbeit dauerhaft auszuhalten?

Mittwoch, 7. August 2013

Postnachtwachen-Lethargie


Der Nachtwachenblock ist geschafft. Auch die große Hitze scheint ein Ende zu haben. Eigentlich hatte ich vor einzukaufen, danach Kaffeehaus. Es ist bereits früher Abend. Ich schlief lange, schlonzte ein wenig am Computer vor mich hin. Schließlich machte ich mich ausgehfertig. Doch als ich schon beinahe auf dem Fahrradsattel saß, ruderte ich zurück. Plötzlich hatte ich keine Lust mehr auf das Kaffeehaus, und einkaufen musste ich auch nicht unbedingt. Ich habe noch Rotwein, Knäckebrot, vegetarische Pastete und Peperoni – das sollte für den Abend reichen. Manchmal habe ich diese Momente, wo ich mich frage: Was willst du da draußen, zwischen all den Autos, über die du dich sowieso nur aufregst, und den Menschen, zu denen du meist keinen Bezug hast? Und die Trägheit besorgt dann den Rest – oder sie ist der Ausgangspunkt solcher Überlegungen. Egal. Frühestens morgen treibt es mich wieder hinaus ... bevor mir die Decke auf den Kopf fällt. Wäre heute ein Sonnentag, würde ich es freilich bedauern, dass ich nicht mehr aus dem Haus gehe; aber es ist trübe und sieht aus, als könne es jeden Moment anfangen zu regnen – also, sowieso kein Biergartenwetter. Trotzdem ist es irgendwie frustrierend: da freut man sich auf das Frei nach den Nachtdiensten, und wenn es dann so weit ist, hängt man ab. Jedes Mal dasselbe: Kaum dass ich mich einigermaßen erholte und von der Nacht wieder auf den Tag umstellte, fängt flugs der nächste Dienst an; und das Spiel beginnt von Neuem. Heute jedenfalls fehlen mir die Energie und der Antrieb, etwas auf die Beine zu stellen. Ich weiß aber auch, dass ich mich nicht zu früh wieder in die Kiste legen sollte, denn ich würde dann nachts viele Stunden vor einem öden TV-Programm wachliegen. Müde genug wäre ich. Scheiße, ich hätte allein deswegen in die Stadt radeln sollen, um Zeit zu schinden, - um der Verführung zu entgehen, mich gleich wieder hinzulegen. Ablenkung ist das halbe Leben. Der Computer ist zwar ganz nett, aber viel los macht er nicht gerade. Er ist nur eine Art Fenster wie der Fernseher und die echten Fenster. Es gibt Leute, die sitzen den ganzen lieben Tag am Fenster.
(Die Falafel vom türkischen Imbiss schmeckten übrigens gar nicht übel. Zumindest waren sie schön knusprig, und das mag ich. Mit einer pikanten Soße wären sie perfekt gewesen. Der Türke servierte sie mit Salat und einer nullachtfünfzehn Salatsoße. Na ja, war trotzdem okay.)
Ich fühle mich heute wirklich, als würde ich festsitzen. Hätte ich Nachtdienst, wäre ich jetzt auf dem Weg zur Bushaltestelle und würde mir nichts mehr wünschen, als zuhause bleiben zu können – und nun sitze ich zuhause … schaue aus dem Fenster und versinke in Lethargie.

Dienstag, 6. August 2013

Ich bin noch da


Als ich aufwache, wird Nacht – ein Gewitter. Ich öffne das Fenster und lausche dem Regen, genieße die frische Luft, die ins Zimmer strömt. Es ist halb Fünf. Noch ein Nachtdienst liegt vor mir. Die Kühle wird mir und den Altenheimbewohnern gut tun. Die Hitze wollte in der letzten Nacht nicht aus den Räumen weichen. Kein Lüftchen ging. Alle litten darunter.

Ich war gerührt, als mir Frau E. das Du anbot. Sie ist 91 und befürchtete, dass sie in der Nacht sterben würde. Sie wies auf das Adressbuch hin, dass sie geöffnet auf den Tisch gelegt hatte. Ich hielt ihre Hand. „Eine schöne Zeit hatten wir noch“, sagte sie und meinte die zweieinhalb Jahre, welche ich sie als Nachtwache betreue. Sie bedarf viel menschlicher Zuwendung, und ich bemühe mich. Sie leidet darunter, wenn manche Kollegen oder Kolleginnen sie nur abfertigen. Mit der Zeit schloss sie mich ins Herz, dabei hatten wir uns ganz am Anfang wegen einer Dummheit in die Wolle bekommen.
„Sie sind auch eine ganz liebe Oma“, meinte ich tröstend.
„Ich wäre auch eine gute Frau gewesen“, entgegnete sie mit fester Stimme.
Ich grinste verlegen. „Wir haben uns einige Jahre in der Zeit verfehlt.“
Die zierliche Greisin lehnte ihren Kopf an mich und ich drückte sie kurz und sanft.
Manchmal haben die alten Menschen eine Vorahnung vom Tod. Ihr ging es in den letzten Wochen nicht gut. Eigentlich bräuchte sie einen Herzschrittmacher, aber sie konnte sich nicht recht zu der Operation entscheiden.
Als sie in der Nacht klingelte, damit ich ihr beim Toilettengang helfe, begrüßte sie mich mit den Worten: „Ich bin noch da!“

Das Gewitter ebbt ab. Noch ist es düster. Ich höre das Rauschen der Autos auf dem nassen Asphalt. In zwei Stunden fährt mein Bus. Wie immer werde ich vorher eine Kleinigkeit essen gehen. Vor Kurzem entdeckte ich am türkischen Imbiss ein Plakat, dass er Falafel hat. Hoffentlich sind die gut.





Sonntag, 28. Juli 2013

Fuck it!


Immer wieder erschrecke ich über die körperliche und geistige Degeneration alter Menschen.
Als besonders belastend empfinde ich die Beobachtung des geistigen Abbaus bei Demenz – und natürlich den Umgang mit diesen Menschen. Auch für die Alten, die noch klareren Verstandes sind, ist es ungeheuer enervierend und beängstigend, die dementen Mitbewohner im Altenheimalltag zu erleben. Viele ziehen sich darum lieber nach den Mahlzeiten schnellstmöglich wieder auf ihre Zimmer zurück. Ich höre sehr oft Sätze wie „Alt werden ist nicht schön“ oder „Warum holt mich der liebe Herrgott nicht endlich zu sich“. Für mich ist es dann nicht einfach, die richtigen Worte zu finden. Trost bedeutet in solchen Fällen einfach nur da sein, die Hand halten, etwas Nettes sagen oder ablenken. Mit einer Greisin kann ich über diese Erfahrungen offen reden. Wenn sie sagt, dass sie am Liebsten sterben würde, schwingt in ihren Worten keinerlei Selbstmitleid mit. Gestern Abend, als ich sie zu Bett brachte, hatten wir mal wieder das Thema, ob ein solches Leben noch lebenswert sei. Ich sagte, dass wir mit unseren Haustieren oft gnädiger verfahren, aber Euthanasie sei eben ein heißes Eisen. Die alte Dame stimmte mir zu. Wir lachen viel – trotz der ernsten Themen. Sie besitzt einen ausgeprägten Galgenhumor. Am Meisten schätze ich an ihr, dass sie nicht wie viele in Gejammere und Selbstmitleid verfällt. Obwohl ich mit ihr einige Arbeit habe, ist sie mir weniger Last sondern eher eine Freude in der Nacht. Es gibt nicht mehr viele unter den Bewohnern, mit denen noch ein ordentliches Gespräch möglich ist. Die meisten fokussieren im Gespräch ständig ihr Leid und ihre Beschwerden. Und ich entgegne mit Plattitüden wie „Die Nacht wird auch vorbei gehen“ und „Versuchen sie zu schlafen“, oder ich verweise auf den Hausarzt. Manchmal bleibt das Wehklagen der Alten buchstäblich an mir kleben. Ich schleppe es mit nach Hause, nehme es mit in meinen Tag und in mein Denken. Ich frage mich nach dem Sinn des Ganzen. So langsam bin ich reif für die Insel.

Beim Großen Preis von Ungarn drehen die Formel 1 Boliden ihre Runden in der Sommerhitze. Vielleicht ist Ablenkung das Beste. Und wenn es so was Dämliches wie ein Formel 1 Rennen ist. Den Kopf frei kriegen für eine Zeit. Fuck it! Auch dieser Nachtwachenblock wird rumgehen.

Samstag, 27. Juli 2013

Der Weg


Gerade blitzte die Frage im TV auf: „Können Sie sich vorstellen, Bundeskanzler zu werden?“ Spontan antwortete ich stellvertretend in Gedanken: „Nein! Aber ich stellte mir damals auch nicht vor, Altenpfleger zu werden.“
Nein, ich werde sicher nie Bundeskanzler (keine Angst). Es gehört schließlich ein Weg oder zumindest eine Gelegenheit dazu, etwas Bestimmtes zu werden. Zur Altenpflege kam ich, weil ich Zivildienst machte. Ich wollte die Gelegenheit nutzen, einmal ein Altenheim von innen zu sehen. Ich war geschockt - und konnte mir wirklich nicht ernsthaft vorstellen, dass ich diesen Beruf eines Tages erlernen und viele Jahre ausüben würde. Nun, man gewöhnt sich nicht an alles aber an viel. Und so blieb ich auch nach dem Zivildienst der Altenpflege treu, weil sie mir als Broterwerb neben meinen diversen Studiengängen diente. In meinen alten Beruf - ich machte gleich nach dem Abi eine Ausbildung zum Technischen Zeichner - wollte ich nicht zurück. Ich wusste nach der Schulzeit einfach nicht, was ich machen wollte; und so kam ich zu diesem von mir eher wenig geliebten Ausbildungsberuf Technischer Zeichner. Ich gehörte zu den Jugendlichen, die keinen Plan für ihre Zukunft hatten. Die Ausbildung half mir, die Bundeswehr vor mir herzuschieben und etwas unabhängiger von den Eltern zu werden.
Wenn man gute Kollegen und Kolleginnen hat, ist eigentlich jede Arbeit halbwegs erträglich. In der Altenpflege lernte ich einige nette Altenpflegerinnen kennen. Als Mann war ich damals in diesem Metier noch der Hahn im Korb. Inzwischen gibt es circa ein Drittel Pfleger.
Ich arbeitete also 50% im Nachtdienst während meiner Studienzeit; und hätte ich jemals ernsthaft studiert, wäre es sicherlich bei diesem Job als Altenpflegehelfer geblieben. Im besten Falle wäre ich heute Diplompsychologe. Psychologie war der letzte und ernsthafteste Versuch auf eine akademische Laufbahn. Da hatte ich aber bereits meine Altenpflegeausbildung hinter mir. Für das Studium war ich nicht ehrgeizig genug – gebe ich offen zu. Ich habe nicht genug Biss. Vielleicht hätte ich mich trotzdem durchwurschteln können, aber mir saß noch die Schulzeit wie ein Albtraum im Nacken, in der ich mich auch mehr schlecht als recht abgemüht hatte. In der Altenpflegeausbildung, die ich berufsbegleitend machen konnte, war ich dagegen eher unterfordert. Ich begann sie motiviert und schloss nach drei Jahren gelangweilt und genervt aber erfolgreich ab. Zum Feiern sah ich keinen Anlass. Immerhin hatte ich den Schein. Ich bin seitdem examinierter Altenpfleger.
Warum erzähle ich das eigentlich alles? Ach ja, es ging um den Weg. Man wird nicht einfach etwas. Ein Weg führt dorthin, wo man ist. Bei mir war er mitunter ziemlich holprig. Aber ich hatte im Großen und Ganzen noch Glück, denn im Prinzip bin ich der geborene Tunichtgut. Das Ehrgeiz-Gen fehlt mir fast vollständig, dafür habe ich eine Professur in Tagträumerei (die habe ich erfunden). Ich kann also nicht ganz unglücklich mit meinem Weg sein, weil ich meist meiner Bestimmung folgte. Freilich wünschte ich mir manchmal, kein Altenpfleger zu sein. Die psychische Belastung in dem Beruf ist hoch. Es gibt einen hohen Frust-Faktor. Man wurschtelt sich so durch …
Ich bin mir wirklich nicht sicher, ob das mein Platz bis zur Rente bleiben soll. Doch wie damals habe ich keine andere Idee (außer einem Bankraub). Es kommt auch drauf an, wer (oder was) einem noch so über den Weg läuft.

Donnerstag, 18. Juli 2013

Alles ist gut


Ich sehe mich selbst umherirren … durch die Flure und Zimmer des Altenheims, treppauf, treppab im Zeitraffer – gerade so, als wäre ich eine Laborratte in einem Labyrinth. Zwei Notfälle in drei Nächten. Die Hitze hängt in den Bewohnerzimmern. Immer wieder renne ich zu einem Bewohner, der orientierungslos in seinem Zimmer steht. Er ist stark sturzgefährdet. Ich packe ihn wieder zurück ins Bett - wieder und wieder. Zwischendurch stehe ich am Medikamentenschrank und schütte Millionen Pillen in Medikamentenbecher. Der Schweiß läuft mir den Rücken hinunter. Es ist kein Traum. Der Rettungswagen kommt. Ich helfe, eine Bewohnerin vom Bett hinüber auf die Trage zu wuchten. Ich frage mich, warum ich das alles mache. Ein letztes Mal gehe ich durch die Zimmer, wechsele Windeln, helfe Bewohnern auf die Toilette, schiebe Bettpfannen unter Gesäße, fange demente Bewohner in den Fluren ein, halte sie an der Hand, tröste.
Der Morgen bringt Kühle. Die Vögel zwitschern. Nur noch die Dokumentation am Computer, die Tropfen für den Frühdienst richten, den Kaffee anstellen, die Außentür öffnen, Kalenderblätter abreißen. Ich schaue auf die Uhr – das Ende der Nacht ist in greifbarer Nähe. Komm langsam wieder runter, denke ich bei mir, - ich hab`s wieder geschafft. Die Kollegen und Kolleginnen laufen langsam ein, Stimmen und Lachen, Türen gehen, Husten, Guten Morgen, Begrüßungen, die Dienstübergabe. Für einen Moment habe ich das Gefühl, dass ich nicht in mir stecke. Ich sehe mich selbst umherirren … hinunter zu den Umkleideräumen gehen, den Spint aufschließen, wie ich die Dienstklamotten ausziehe, meine Tasche packe, und hinaus. Hinaus. Alles ist friedlich. Alles ist gut.

Samstag, 13. Juli 2013

Gruppenphoto ohne Nachtwache


Anstatt mich nach der letzten Nachtwache Schlafen zu legen, nahm ich den Bus zum Hauptbahnhof, trank ein Feierabendbierchen und wartete darauf, dass die Geschäfte öffneten. Nach zwei Stunden fühlte ich mich total alle. Es macht keinen Sinn, dachte ich bei mir. Eigentlich wusste ich es schon vorher: Die Müdigkeit zwingt mich über kurz oder lang in die Knie, wenn ich nach der Nachtwache durchmache.
Wenigstens ging ich noch zum Friseur und kurz Einkaufen. Gegen 12 Uhr war ich zuhause, futterte schnell etwas und kuschelte mich ins Bett.

Am Abend fand ein Mitarbeiterfest vorm Altenheim statt. Eine Kollegin hatte noch am Morgen gefragt, ob ich komme. Und ich antwortete: „Ich weiß nicht, ob ich`s packe.“ Das war relativ ehrlich. Eigentlich hatte ich mir vorgenommen, diesmal zu gehen – die letzten Jahre hatte ich Nachtdienst während der Mitarbeiterfeste. Betriebsfeiern sind mir schon lange suspekt, so dass ich meistens froh bin, wenn ich drumrum komme. Es ist irgendwie seltsam, den Kollegen, Kolleginnen, Chefs und Chefinnen pseudoprivat zu begegnen. Man muss aufpassen, dass man sich nicht die Zunge verbrennt. Andererseits will ich mich nicht ständig ausklammern. (Als Nachtwache ist man schon genug ausgeklammert.)
Die Kollegin hakte nach: „ Wir können dich mitnehmen.“
„Hochkommen ist nicht das Problem“, sagte ich, „abends dann hinunter – weil kein Bus mehr fährt.“
Es ist nicht so, dass ich meine Kollegen und Kolleginnen (vom Tagdienst) nicht mag. Einige sind echt nett. Aber momentan ist da niemand darunter, den ich unbedingt näher – also auch privat – kennenlernen möchte.
„Klar, dann fährst du mit uns zurück“, sagte sie und fügte hinzu, dass sie ein Gruppenphoto machen wollten, „mache dich also schick!“ Sie lachte mich an, und ich verabschiedete mich in meinen Feierabend.
O je, dachte ich. Wenn es so was wie eine Phobie gegen das Sich-Fotografieren-Lassen gibt, dann habe ich die. Es gibt für mich kaum was Schlimmeres als fotografiert zu werden. Insgeheim hatte ich in diesem Moment entschieden, nicht zu dem Mitarbeiterfest zu gehen. Ich wusste ja, dass ich es nicht packen würde, wenn ich mich nach dem Nachtdienst nicht gleich hinlegte.

Ich pennte mit wenigen Unterbrechungen (einen halben Tag und eine Nacht) durch. Am späten Nachmittag wachte ich auf, weil das Telefon klingelte. Jetzt müsste ich schon langsam aufstehen, dachte ich, wenn ich doch hinginge. Allerdings würde ich, abgeschlagen, wie ich mich fühlte, nicht lange durchhalten – und keine Freude an dem Ganzen haben. Ich ließ mich zurück ins Bett plumpsen.
Jedes Mal aufs Neue bin ich erstaunt, wie lange ich nach einem Nachtwachen-Block schlafe. Ich habe Kreuzweh vom vielen Liegen – was aber auch an meiner Matratze liegt, die ich schon vor zwei Jahren austauschen wollte ...
Immerhin kam ich um das dämliche Photo herum.

Montag, 1. Juli 2013

Die Lady im Bus


Ich fahre viel mit dem Bus. Durch die Arbeit habe ich ein Jobticket, dass ich auch privat nutzen kann, und dass im gesamten Verbundnetz gilt. Prima Sache. Auf meiner Linie begegnen mir manche Fahrgäste seit Jahren immer wieder. Darunter befinden sich auch ein paar Dummschwätzer. Ich meine die Dummschwätzer, die vorne beim Fahrer stehen oder sitzen und den voll labern und dabei den ganzen Bus unterhalten. Meistens sind es Männer, Alkoholiker oder Pensionäre, etwas heruntergekommen im Aussehen, - oder Ureinwohner, die jede Neuigkeit aus dem Dorf wissen und mit der Welt teilen müssen. Die meisten Fahrer lassen sich das sogar gefallen. Wahrscheinlich ist ihnen langweilig von der öden Herumfahrerei. (Mir würde es nicht im Traum einfallen, ein Gespräch mit dem Busfahrer anzufangen, zumal es verboten ist, mit ihm während der Fahrt zu sprechen.) Manche dieser Gestalten scheinen den ganzen Tag nur Bus zu fahren, denn immer wenn ich einsteige, sind sie auch im Bus. Auf meiner Buslinie fallen sie mir jedenfalls besonders auf. Ich denke aber, dass man diese Typen überall im Lande antrifft. Oder nicht? Sonst wäre hier ein Nest.
Umso mehr war ich gestern erstaunt, als ich statt eines heruntergekommenen, ungepflegten Individuums an der Stelle eine sexy Lady sah. Der Weihnachtsmann fuhr – ich nenne ihn so, weil er einen langen, weißen Rauschebart hat, - sympathischer, älterer Kerl, der nie die Tickets kontrolliert. Als ich noch kein Jobticket hatte und bezahlen wollte, winkte er einfach ab. Jedenfalls stand die Lady neben ihm und versuchte ihm während der Fahrt etwas zu erklären. Um was es dabei ging, konnte ich nicht verstehen. Sie schienen sich zu kennen, aber ich sah diese Frau zum ersten Mal im Bus. Vielleicht seine Tochter? Möglich. Mir sah es eher nach einer wie auch immer gearteten Bekanntschaft aus. Ganz jung war sie nicht mehr. Beim Einsteigen hatte ich kurz einen Blick auf ihr Gesicht werfen können. Sie machte einen etwas nuttigen, verlebten Eindruck.
Mit ihren Stöckelschuhen und hautengen Jeans stand sie ziemlich aufreizend in meinem Blickfeld, so dass mir die Idee kam, ein Foto zu machen, - natürlich, ohne dass die Beiden es merken sollten. Ich glaube, die Lady wollte vom Weihnachtsmann einen Rat, weil sie ihm irgendwelche Papiere zeigte. Vielleicht ist der Weihnachtsmann ja nur im Nebenberuf Busfahrer.
Meine Haltestelle kam, und ich musste aussteigen. Plötzlich sagte eine kräftige Stimme: „Ich wünsche Ihnen noch einen schönen Abend!“ Die Stimme kam vom Weihnachtsmann. „Danke“, sagte ich nach einem kurzen, erschrockenen Moment. Ich fühlte mich ertappt. Hatte er gemerkt, dass ich sie fotografiert hatte? Mist! Am Ende denkt er, ich wäre ein notgeiler Spanner. Mit diesen blöden Gedanken im Kopf eilte ich zur Kupferkanne. Die Abendsonne schien. Die Terrasse der Pizzeria war offen. Bei einem italienischen Salat wartete ich den Beginn meiner Nachtwache ab.




Sonntag, 30. Juni 2013

Wie gehabt


Die ersten fünf Nächte nach dem Urlaub habe ich fast wieder hinter mir. Es fing gleich gut an. Als ich mich zurückmeldete, teilte mir die Chefin mit, dass ich noch einen Tag länger frei hätte. Doch zu früh gefreut: Die Kollegin, die meine Nacht machen sollte – als Ausgleich zu den Nächten, die ich in der letzten Zeit eingesprungen war – meldete sich krank. Wenige Stunden vor dem Nachtdienstbeginn klingelte das Telefon, und ich hatte mich noch auf einen schönen letzten Abend gefreut. Scheiße!
Nun, nach vier Nächten habe ich das Gefühl, nie im Urlaub gewesen zu sein; oder jedenfalls kommt es mir vor, als wäre es schon sehr lange her.
Im Altenheim änderte sich nicht viel: ein paar neue Bewohner, neue Dienstbesprechungsprotokolle, mein Gehaltszettel von Juni …, die Stimmung unter dem Personal scheint zur Zeit ganz gut zu sein, die Chefin erlebte ich gut gelaunt, bei der morgendlichen Dienstübergabe immer noch ein heilloses Durcheinandergequatsche …, einige Bewohnerinnen freuten sich, dass ich wieder zurück bin, kein Sterbefall …, der Heimleiter saß abends, als ich einlief, wie immer noch in seinem Büro (das genau gegenüber der Männerumkleide liegt), meine Dienstklamotten waren frisch gewaschen …, und los ging`s!
Ach ja, der Schirm, den ich vor meinem Urlaub im Schirmständer des Foyers vergessen hatte, ist unauffindbar. Dabei hätte ich ihn in den letzten Tagen gut brauchen können.
Nun noch die letzte Nacht – und auf besser Wetter warten.

Dienstag, 14. Mai 2013

Wegen Matschbirne geschlossen


Der öffentliche Gedankenverkehr wurde auf ein notwendiges Maß reduziert. Die Redaktion bittet um Verständnis. Eine Besserung der Hirnwetterlage sollte nach den Nachtdiensten wieder eintreten. Momentan herrscht Kopfsalat vor. Klare Gedanken sind kaum identifizierbar. Es erreichen uns lediglich Meldungen wie „Kribbelstubbeldampfdingsbums...“ und ähnliches.
Laut einer Insider-Information lief bonanzamargot in der letzten Nacht einer dementen Bewohnerin hinterher, die ihre Tante und ihren Hund suchte. Vor Verzweiflung, weil er die Bewohnerin nicht einfangen konnte, ging er schließlich in die Knie, schlug seinen Kopf gegen die Wand und rief: „Ich glaube nicht an Gott! Ich glaube an Müller-Milch!“

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