Die Arschwischmaschine hat frei

Mittwoch, 23. Oktober 2013

Wie ich zu einem Wintermantel kam


Gestern blitzte der Sommer noch mal kurz auf. Ich machte mich auf den Weg in die Stadt. Eigentlich wollte ich zum Friseur. Leider schloss mein Lieblingshaarschneider im Hauptbahnhof sein Geschäft. Er wechselte in eine Filiale derselben Kette im Zentrum. Ich fragte bei den Mädchen, die dort arbeiteten, wegen eines Haarschnitts nach, und wurde vertröstet – ich solle in einer halben Stunde wiederkommen. In der Zwischenzeit saß ich in einem Biergarten in der Sonne beim Weizenbier. Am Tisch neben mir saßen junge Baritone, redeten über ihre Arbeit und machten Stimmübungen. Von der Straße tönte von einer Baustelle Baggerlärm herüber – es ist ein schönes Plätzchen dort, aber den städtischen Lärm empfand ich als nervtötend. Auch die seltsamen Geräusche vom Nebentisch. Das Thermometer kletterte in der Sonne auf weit über 20°Celsius. Ein Wahnsinnsstag, was das Wetter anging! Als ich den Friseurladen zum zweiten Mal betrat, wurde ich erneut abgewiesen: „Versuchen Sie es in einer halben Stunde wieder.“ Diesmal hatte ich die Nase voll. In einem Second Hand Laden kaufte ich mir einen Wintermantel. Etwas weit geschnitten, aber die Ladenbesitzerin hatte nur den einen. Derselbe fiel mir schon vor einem Jahr auf. Damals konnte ich mich nicht entscheiden. Ich hatte noch meinen alten in petto, den ich aber inzwischen in der Altkleidersammlung entsorgte. Wir unterhielten uns über das Wetter, während sie den Mantel in einer Tüte verstaute. Ich meinte, dass der Winter sicher schnell Einzug halten würde.
Vor einem Café standen ein paar Stühle, und ich ließ mich noch mal nieder. Es war erst früher Nachmittag. Ich blinzelte in die Sonne und trank Wodka Lemon. Das Weizenbier war mir nicht bekommen. Beinahe hätte ich mich übergeben müssen. Um mich herum das pralle Leben der Innenstadt. Die Menschen strömten an mir vorbei, viele in sommerlichen Kleidern. Auch ich hatte längst die Jacke ausgezogen und die Ärmel hochgekrempelt. Meine innere Uhr stand bereits auf Herbst, und ich spürte eine seltsame Dissonanz, obwohl ich mich natürlich wie alle über diesen wunderbaren Tag freute.
Den Mantel gab ich auf dem Nachhauseweg in einer Änderungsschneiderei ab, um die Knöpfe versetzen zu lassen.
Nach einem Einkauf im Supermarkt landete ich zu einem letzten Drink vorm Kaffeehaus. Es wurde langsam dunkel. Ich beobachtete den Tanz der Blätter, die zuhauf durch die Luft segelten, und las in „Das weingetränkte Notizbuch“.

Das Leben finden und bis zum Tod dranbleiben
das ist das Problem
in unserer feigen, brutalen Pappnasengesellschaft
sagte die Katze
und sprang rückwärts über ihren
Arsch.

(Bukowski)

Kaum war ich zuhause, hörte ich meinen Vermieter meinen Namen rufen. Ob ich kurz Zeit hätte. Er wolle einen Feuermelder bei mir anbringen – neue Bestimmungen, blablabla. „Na gut“, sagte ich, „dann haben wir es hinter uns.“ „Es geht auch ganz schnell“, sagte er. Während er das Ding an die Decke schraubte, packte ich meinen Einkauf aus. Nach fünf Minuten war mein Vermieter damit fertig, und ich machte mich daran, die gekaufte Gulaschsuppe mit den Nudeln vom Vortag zu verrühren ...
Da wird ja wohl keine Wanze drin versteckt sein, überlegte ich, - denn ich komme mir ziemlich subversiv vor.

Montag, 21. Oktober 2013

Kosmische Umsiedelungen


Ich stelle mir das Universum als große Wiese vor, auf der viele unterschiedliche Gräser und Blumen wachsen – die Erde ist eine besonders schöne Blume. Ich komme auf diese Allegorie, weil ich in einem Tagtraum die Erde vor mir sah, wie sie abertausende Raumschiffe in den Himmel entließ – eben wie eine Blume Pollen. Und ich dachte dazu, dass es doch sein könnte, dass es für Planeten wie die Erde eine Bestimmung sei, intelligente Zivilisationen zu entwickeln, bis diese reif genug wären, ins All entlassen zu werden. Vielleicht muss darum alles so sein, wie es ist …, bis wir so weit sind - bis die Erde für uns unbewohnbar sein wird, und uns nur der Weg in die kosmischen Weiten bleibt. Mir geht einfach das Bild nicht aus dem Kopf: eine Blume oder Knospe, die ihren Samen ausstößt. Natürlich kann man auch andere Vorstellungen haben. Ich bin kein Botaniker. Womöglich kommen riesige Alien-Raumschiffe, die ein paar Exemplare von uns mitnehmen. Analog dazu darf man an die Bienen und Hummeln denken.
Seltsame Eingebungen hat man manchmal. Oft sind sie diffus und müssen gedanklich erweitert und konkretisiert werden. Diese Eingebung wollte ich notieren, weil sie eine fantastische Hoffnung für die Zukunft der Spezies Mensch darstellt. Unter Umständen ist diese „Wiese“ lebendiger, als wir denken. Sie lädt zum träumen ein ... (Leider ist nun die Zeit erst mal wieder vorbei, auf einer Wiese zu liegen und dabei in den Himmel zu schauen. Es ist noch nicht mal Winter, und ich habe bereits Sehnsucht nach dem nächsten Frühling.) ... Die Astronauten sehen die Erde von oben. Sie sehen eine wunderschöne Blume. Alles ist eine Frage der Perspektive. Auch Raum und Zeit. Eines Tages werden wir aufbrechen und die Welt ganz anders betrachten.

Donnerstag, 17. Oktober 2013

Herbstgedanken


… die Wirklichkeit ist wie Schnee, der fällt und am nächsten Tag wieder taut …
Noch schneit es nicht. Der Winter ist noch nicht Wirklichkeit. Aber er kommt im Sauseschritt. Ich rieche ihn durch meine schnupfen-verstopfte Nase hindurch. Die Bäume hängen noch voller Laub. Mitte Oktober. Die Tage schon deutlich kürzer. Die Sommerzeit endet in zehn Tagen. Wozu eigentlich diese Hin- und Herstellerei?
Was werden die Wintermonate bringen? Alles nimmt seinen Lauf. In der großen und in der kleinen Welt. Die Machenschaften eines Bischofs in Limburg stinken zum Himmel. Eine Beleidigung für den Limburger Käse. Die politischen Parteien beenden ihre Sondierungsgespräche. Ich schätze, es wird auf eine Große Koalition hinauslaufen. Gestern versäumte ich einen Betriebsarzttermin. Mir war nicht danach. Die nächste Woche hat auch einen Mittwoch. Ich mag die Herbstsonne, wie sie durch die Blätter fällt. Sie wirkt gütig. Zehn Nachtwachen innerhalb von vierzehn Tagen stehen vor der Tür. Im Dunkeln gehe ich zur Arbeit, und im Dunkeln kehre ich morgens zurück. Demnächst muss ich meine Pflanzen aus dem unbeheizten Vorraum in die Wohnung stellen. Die Minuten verstreichen eine nach der anderen. Ihnen ist alles egal. Auch ich übe mich in Gleichmut. Ich muss meine Kräfte einteilen.
Das Leben nimmt einen einfach mit – wie ein Bus durch die Zeit. Nicht immer bequem. Es gibt scharfe Kurven und Schlaglöcher auf der Strecke. Festhalten ist in jedem Falle sinnvoll.
Ich schnäuze mich und pfeife mir einen Hub Schnupfen-Spray in jedes Nasenloch. High wird man nicht davon. Das wäre doch was. „Ein „Schnupfen-Glück, bitte“, und der Apotheker reicht mir völlig legal die ultimative Droge*, um die kalten und düsteren Wintermonate zu überstehen. Warum soll man sich die Wirklichkeit immer in seiner vollen Härte und Erbarmungslosigkeit reinziehen? Dieses ganze Elend in der großen und kleinen Welt … all die Wiederholungen der Soap-Folgen, das Sterben im Altenheim, das Sterben außerhalb des Altenheims, die ganzen jämmerlichen Affektiertheiten von Bischöfen, Politikern und allen anderen Wichtigtuern, der nie abreißende Autoverkehr, Menschen, die sich wie Geier auf Sonderangebote stürzen, Menschen, die vor der Küste des reichen Europas verrecken - es ist leichter, ihre Leichen aus dem Meer zu bergen, als sie bei uns durchzufüttern …
Ach ja, ich wollte mich in Gleichmut üben. Oberflächlich durch die Minuten plätschern. Mich tragen lassen, gedankenlos, in jahrelang eingeübten Mechanismen, automatisch, zombie-like. Nichts leichter als das. Niemand erwartet von mir, dass ich an der Welt verzweifle. Mit dem ewigen Gezetere gehe ich meinen Mitmenschen nur auf den Wecker. Und ich verpasse mein eigenes Leben …
Leben?


* apropos Droge: in den USA ist inzwischen in vielen Bundesstaaten der Verkauf von Cannabis als Heilmittel über die Apotheken erlaubt.

Freitag, 4. Oktober 2013

Tja


Politisch bleibt es spannend. Nur eins ist sicher: es wird Winter. Noch sehe ich vor meinem Fenster ein grünes Blattgehänge … mit nur vereinzelt braunen Flecken und Rändern. Nach dem ersten Frost wird es schnell gehen. Ich öffne den Kleiderschrank und überschaue meine Pullover. Ich sollte nicht so viel zur Altkleidersammlung geben. Der Tag begann düster. Nun zeigt sich doch die Sonne, blinzelt zu mir ins Zimmer. Ich blinzele zurück. Im TV Politik. Natürlich könnte ich umschalten. Wie viel man doch reden kann, ohne wirklich etwas zu sagen. Das ist ganz hohe Schule. Ein Klo, das sich selbst bekackt. Und dann die Rückblenden auf vergangene Tage. Seit dem Fernsehen hat man einen klareren Blick auf die Geschichte. Man sieht sie alle wieder: Brand, Schmidt, Genscher, Kohl … Hach, lebte ich damals schon? Kaum zu glauben. Wie oft wurde seit damals Herbst und Winter? Wie viele unnütze Worte wurden seitdem verloren? Nicht nur im Bundestag. Wir Menschen reden uns in die Zukunft hinein. Weiter und weiter – ein einziger großer Laber-Strom, dem ich lausche, ohne etwas verstehen zu müssen. Ich höre einfach zu, wie das Leben dahinplätschert - wie Wasser, wie ein Bach, wie viele Bäche … wie tausend Mann, die nebeneinander pinkeln.
Nein, ich schalte nicht um. „Noch habe ich das Recht, hier zu reden!“ skandiert Helmut Schmidt vorm Bundestag. Damals verpasste ich diese Sternstunde. Politik war für mich ein Unwort. Politik war eine Sache von alten Männern, und ich war jung und knackig und verliebt. Oder ich hatte Liebeskummer. Eins von Beiden. So war das also damals, als ich mir an der Theke des Billard-Cafés die Rübe weg soff. Mein Gott, wie schlank Helmut Kohl da noch war! Aber auch schlank mochte ich ihn nicht. Und der Strauß lebte noch! Den konnte man richtig gut hassen.
Plötzlich ist wieder 2013. Die Bundeskanzlerin heißt Angela Merkel. Die Bundestagswahlen liegen hinter uns. Und mit der neuen Regierungsbildung will es nicht richtig klappen. Ich lausche den Worten, wie sie dahinplätschern. Dann drehe ich am Zeitrad, so dass alles ungeheuer schnell vorwärts fließt. Bis die Worte zu einem hellen nicht identifizierbaren Rauschen werden. Die Jahreszeiten fliegen in ihren Farben an mir vorbei. Jahr um Jahr. 2040 halte ich an. Ich lebe noch. Das ist zumindest nicht unrealistisch, dass ich 2040 noch lebe. Aber ich bin jetzt ein alter Knacker. Möglicherweise sitze ich in einem Altenheim und drückte gerade den Schwesternruf. Aber es kommt niemand. Jedenfalls dauert es sehr lange, bis jemand kommt. Ich stelle mir vor, dass dann keine Schwester sondern ein Pflegeroboter in mein Zimmer tritt, beziehungsweise fährt. Natürlich bin ich keineswegs überrascht, denn ich habe es schon damals kommen sehen. Wann war das? Es regierte diese furchtbare Frau, die man weder hassen noch lieben konnte … Der Pflegeroboter fragt mich, was ich wünsche. Ich sage, dass ich eigentlich gar nichts will, nur etwas Gesellschaft, aber eine lebendige! Fuck! Der Roboter spricht beruhigend und monoton auf mich ein. Er wird niemals böse. Er ist niemals genervt. Ich bedanke mich und schicke ihn aus dem Zimmer. Kaum ist er draußen, drücke ich wieder den Schwesternruf. Vielleicht wird er irgendwann den Geist aufgeben, denke ich. Der größte Idiot aus Fleisch und Blut wäre mir lieber als diese Maschine. Ich schließe die Augen – und als ich sie wieder öffne, bin ich zurück in der Gegenwart: Anfang Oktober 2013. Der Fernseher läuft und zeigt Rückblenden aus der Politik der letzten Jahrzehnte. „Noch habe ich das Recht, hier zu reden!“ skandiert Helmut Schmidt. Ich sitze in meinem Zimmer am Computer. Schreibe wirres Zeug auf. Die Sonne weiß nicht recht, was sie will. Mal ist sie weg, dann wieder da. Ich drehe meinen Kopf zum Fenster und halte inne.

Donnerstag, 3. Oktober 2013

Gedanken nicht zum sondern am Tag der Deutschen Einheit


Eine makabere Vorstellung, dass die Eltern unter der Erde in ihren Särgen liegen und langsam verwesen. Ich werde in mein Testament schreiben, dass ich verbrannt werden will. Es sollte eigentlich egal sein. Tot ist tot. Viele können sich gar nicht wünschen, was mit ihnen nach ihrem Tod passiert. Das heißt, wünschen können sie es sich schon, aber dann werden sie z.B. in Massengräbern irgendwo verscharrt. Ich denke an die vielen Soldaten, die auf Schlachtfeldern fielen. Oder an die Menschen, die ethnischen Säuberungen zum Opfer fielen. Oder an jene, die in Konzentrationslagern umkamen. Auch gibt es sehr viele Menschen, die sich nur ein Armenbegräbnis leisten können – sie haben keine Wahl.
Mir als Atheisten sollte es egal sein. Trotzdem ist es ein komisches Gefühl, sich vorzustellen, dass da plötzlich nur noch die körperliche Hülle von einem liegt. Schließlich war man mit der ein Leben lang verbunden. Sie ist was anderes als ein Auto, in das man einfach einsteigt und wieder aussteigt. Obwohl selbst solche Dinge wie ein Auto nach jahrelangem Gebrauch beinahe physisch mit uns verwachsen. Wir empfinden dann sogar etwas wie Trauer, wenn wir es verschrotten lassen. Das gilt für viele Dinge des täglichen Gebrauchs.
Im Falle unseres Todes geht es um unseren Körper – das "Ding", ohne welches wir nicht leben können, mit dem wir originär von Geburt an verwachsen sind. Ganz normal finde ich es darum, dass man sich um diese Hülle auch nach dem Ableben sorgt. Dummerweise ist man dann aber tot. Der Körper überlebt einen – so paradox das klingt. Also, falls der Tod nicht zu gewaltsam war. Der Körper kann als Echo von uns verstanden werden, das noch ein wenig nachhallt. So lassen sich vielleicht auch die Riten mancher Kulturen verstehen, wo man den Körper der Verstorbenen konserviert, oder zumindest eine Totenwache abhält.
Im Zuge meiner Arbeit als Altenpfleger sah ich einige Menschen sterben. Und ich musste die Toten anfassen und neu betten. Ich kann schwer erklären, was ich dabei empfand. Jedenfalls waren sie für mich mehr als leblose Hüllen. Vielleicht auch deswegen, weil ich die Menschen zu Lebzeiten kannte.
...
Dass meine Eltern auf dem Friedhof langsam in ihren Särgen verwesen …, könnte zur Horrorvorstellung werden. Kein Mensch will sich so etwas ausmalen. Dabei gibt es nichts Natürlicheres. Es ist der Lauf der Dinge. Erde zu Erde, Staub zu Staub. Das würde auch passieren, wenn wir Menschen uns gar nicht darum kümmerten. Wir sind Natur wie alles. Nicht mehr und nicht weniger. Im Tod verlieren sich alle unsere Hirngespinste. Nichts als ein Echo bleibt. Wer weiß, was es damit auf sich hat.

Mittwoch, 2. Oktober 2013

Für den Arsch


Wenn ich nicht weiß, was ich schreiben soll, gibt es mehrere Möglichkeiten:

1. Ich schalte die Musik an. Also, das mache ich dann mal … Okay, ist passiert. Ich lasse einen Mix meiner Einkäufe bei iTunes laufen. Dort kamen mit der Zeit einige hundert Titel zusammen.
2. Ich trinke etwas Alkoholisches. Ach so, bin ja schon dabei.
3. Ich öffne ein Fenster und lasse frische Luft rein. Warum habe ich das Fenster nicht schon längst geöffnet? Die Sonne scheint. Es ist ein herrlicher Oktobertag. Jetzt ein paarmal kräftig ein- und ausatmen … Guuuuut!
4. Ich gehe mich rasieren, um mich langsam auf den Tag vorzubereiten. Auch das ist bereits geschehen.
5. Ich lasse die Luft aus meinem Glas. Kein Problem.
6. Ich lausche der Musik …, bis ich in Stimmung komme.
7. Ich schließe das Fenster wieder, weil der Autoverkehr zu laut ist.
8. Da bereits Mittag ist, steige ich die Treppen hoch zum Postkasten – und nehme gleich den Abfall mit. Ist erledigt.

Nun beginne ich zu schreiben. Ich weiß noch nicht, was. Ich lasse mich treiben. Da ist die Musik. Meine Finger hämmern auf die Computertastatur. Ich nippe an meinem Glas. Heute Spätlese. Ich liebe die Abwechslung. Solange sie schmeckt. Heute morgen wäre ich beinahe aus dem Bett gefallen, als das Telefon klingelte. Ich träumte gerade unanständiges Zeugs. Es war so gegen 10 Uhr. Wer kann das um diese Uhrzeit sein? Entweder das Altenheim oder die Bank. Es war das Altenheim. Aber ich ging nicht dran. Ich lag schließlich noch im Bett. Wenn das Altenheim anruft, bedeutet es zu 99%, dass sich einer meiner Nachtwachenkollegen krank meldete. Ich habe keine Lust, schon wieder einzuspringen. Und wenn die Bank anruft, wollen sie mich nur fragen, was ich mit dem Haufen Geld auf meinem Konto zu tun gedenke. Diese Arschficker – entschuldigt! Sie machen auch nur ihren Job.

Haha, gerade singt Jan Delay den Song „Alles ist im Arsch“. Kennt ihr den? Finde ich gut. Passt.
Passt schon lange.
Hier der Text, weil mir doch nichts mehr Gescheites einfällt:

Alles ist im Arsch und alles ist am Ende
Und alles was du noch sagst
Ist:"Hätte, würde, könnte"
Hätte ich für jedes "hätte ich"
Jedes mal nur so 50 Cent gekriegt
Wär ich ein reicher Mann
Der sichs leisten kann
Auf den ganzen Scheiß hier zu scheißen, Mann
Doch jetzt ist alles kaputt und alles defekt
Nur noch Asche und Schutt und Galle und Dreck
Alles ist Futsch Und alles ist weg
Und ich, ich nehme kein Schluck
Ich sauf es auf Ex
Alles ist im Arsch und alles ist am Ende
Und alles was du noch sagst
Ist: "Hätte, würde, könnte"
Erst wars egal, weil es
Immer irgendwie geht
Man hat nie etwas getan, aber
Jetzt ist es zu spät
Der ganze Traum ging in Rauch auf
Ende. Aus. Für immer.
Wenigstens wurd ich da schlau draus
Auch Seifenblasen hinterlassen Trümmer
Ich kratz die Reste von der Wand ab
Doch sage nicht: "Ich bereue es"
Ich steh zwar wieder ganz am Anfang
Doch hab die Birne frei für Neues
Denn,
Alles ist im Arsch und alles ist am Ende
Und alles was du noch sagst
Ist: "Hätte, würde, könnte"
Erst wars egal, weil es
Immer irgendwie geht
Man hat nie etwas getan, aber
Jetzt ist es zu spät.
...

(Jan Delay)

Samstag, 28. September 2013

Unfassbar


Es kommt mir immer noch unwirklich vor, dass die Eltern tot sind. In nächtlichen Träumen erscheinen sie mir ab und zu. Und auf Photos sehe ich sie, wie ich sie in Erinnerung habe – von meinen zugegebenermaßen seltenen Besuchen in den letzten Jahren. Kein einfaches Thema.
Das Erbe wurde verteilt, aber die Trauer ist noch nicht abgeschlossen. Ich dachte immer, dass mir die Familie nicht so wichtig ist; aber tief in mir drin blieb ein starker Eindruck – eine Prägung, die man nicht einfach abschütteln kann.
Im Traum sah ich sie zusammen bei ihrer Lieblingsarbeit im Garten. Ich spürte die Wärme unserer Verbundenheit. Gleichzeitig dachte ich, dass sie doch tot sind – und weinte fürchterlich im Schlaf.
Es ist so unfassbar ...

Dienstag, 24. September 2013

Auf Teufel komm raus


Eine meiner Ex-Freundinnen meinte vor vielen Jahren, ich sei ein Lebenskünstler. Das war im letzten Jahrtausend, als ich noch Zivi war. Sie war eine Arbeitskollegin und machte gerade ihre Altenpflege-Ausbildung. Sie trug ihre Haare im Pagenschnitt, blond. Ihr Name lautete wie eine warme Jahreszeit. Eine andere Arbeitskollegin brachte uns zusammen. Nach dem Spätdienst gingen wir ab und zu einen trinken. Und eines schönen Abends landete ich danach bei ihr im Bett. Sie wohnte noch bei den Eltern.
Ich mochte sie, weil sie mir gern zuhörte, wenn ich philosophisch wurde. Das wurde ich oft – vor allem nach ein paar Bier.
Ich war damals erst Mitte Zwanzig. Von Lebenskunst hatte ich keine Ahnung. Aber wer weiß schon, wie er in den Augen anderer Menschen wirkt. Über was wollte ich erzählen? Nein, nicht über das damalige Liebesverhältnis – sondern über Prokrastination. Obwohl ich sagen muss, dass mein legerer Umgang mit der Liebe schon was damit zu tun hat. Dabei war ich nie ein Aufreißer. Ich bin viel zu schüchtern im Umgang mit anderen Menschen, insbesondere bei der Annäherung zum anderen Geschlecht. Vielleicht schlitterte ich deswegen relativ schnell in Liebesbeziehungen. Weil es mir jedes Mal vorkam wie ein Wunder.
Was heißt eigentlich Lebenskünstler? Einer meiner Lieblingsfilme ist "The Big Lebowski" von den Coen Brüdern. Der Dude ist darin der Prototyp eines Lebenskünstlers. Er ist ein Original. Er will niemals mehr sein, als er ist. Aber auch nicht weniger. Es gibt zwei Lebowskis aber eben nur einen Dude. Alles fängt damit an, dass ihm aufgrund einer Verwechslung auf seinen Lieblingsteppich gepinkelt wird …
Inzwischen gibt es viele Typen auf der ganzen Welt, die den Dude nachahmen. Dabei vergessen sie, dass es nur ein Original geben kann. Diese Nachahmungen sind Scheißdreck!
Vielleicht bin ich wirklich so was wie ein Lebenskünstler, denn ich prokrastiniere gern. Genau genommen besteht mein ganzes Leben daraus. Ich wurschtelte mich so durch. Mit einem Minimum an Ehrgeiz. Ich wollte immer nur ich sein. Selbst wenn ich hier schreibe, verfolge ich keine Ambitionen. Es ist wie aufs Klo gehen. Es gehört einfach dazu, und ich versuche es für mich gut und vergnüglich herum zu bringen.
Inzwischen wurde ich älter, als ich dachte, dass ich werden würde, als ich Mitte Zwanzig darüber nachdachte. Ich verzeichne dies nicht als besonderen Erfolg, aber eben auch nicht als Misserfolg. Ich liebe die Menschen im Allgemeinen aber nicht immer im Besonderen. Besonders wenig mag ich Autofahrer und Kapitalisten. Und Hundebesitzer.
Manchmal mag ich mich selbst nicht. Was soll`s. Es ist doch kein Wunder. Niemals kommt man um sich herum. Es ist immer dieselbe Scheiße, und der Spiegel grinst einen an wie der Teufel persönlich.
Das Leben selbst ist doch nichts anderes als eine einzige, große Prokrastination – nämlich das Aufschieben des Todes. Warum soll ich mich dagegen auflehnen? Jeder Tag ist ein Geschenk, das sich selbst auspackt. Ich halte einfach nur durch.

Samstag, 14. September 2013

Komm


Ich bin kein Stubenhocker, und doch hocke ich viel in Stuben – zuhause, im Altenheim, in Kneipen.
Kälte, Wind und Regen verabschieden den Sommer. Noch ist die Natur vor meinem Fenster berstend grün. In mir abwartende Unruhe. Wohin geht die Reise des Lebens?

Meine Seele ist aufgefüllt mit Bildern. Immer neue kommen hinzu. Die alten verblassen. Oder sie wechseln in andere Räume. Nur manchmal in der Nacht werden sie wieder lebendig. Die Vergangenheit bekommt ein anderes Gesicht. Die vergessenen Menschen sprechen mit anderen Stimmen. Wenn ich nur an die Herzen der Frauen denke, die ich liebte. Wenn ich an meine Freundschaften denke. Wenn ich an meine Eltern denke. Wenn ich an die Orte denke, die ich bereiste.

Es kommen die Monate der dicken Jacken und Mäntel. Das Lächeln der Sonne wird schmallippig. Die Liebespaare kriegen kalte Nasen. Ich sehe den Hauch ihres Atems. Der Sommer war warm, und doch wärmte er mich nicht. Ich sitze in meiner Stube und verharre in Gedanken. Das Leben ist ein Traum. Nur an einem einzigen Punkt wird es zur Wirklichkeit – Jetzt! Jetzt, immer jetzt.
Ich schenke mir ein Glas Sehnsucht ein. Und warte.

Mittwoch, 11. September 2013

Trotz verschiedener Welten


Man hat`s nicht leicht. Heute geht es nach einer Woche Frei zurück in den Nachtdienst. Das Ganze bei Regenwetter. Es ist so düster, dass ich ein paar Kerzen anzündete.
Gestern saß ich nochmal vorm Kaffeehaus. Ich setzte mich neben Klaus. Wir lästerten eine Weile über die nachlassende Aufmerksamkeit der Bedienungen. Mein Tisch war noch nass vom letzten Regenguss. Ich musste die Bedienung auffordern, einen Lappen zum Abputzen zu holen. Dabei kam ich mir vor, als hätte ich etwas Unmögliches verlangt. Ich maßregele ungern. Klaus ist schon frecher. Aber was heißt da frech? Man will ja lediglich ordentlich bedient werden. Der Service ist schließlich im Preis enthalten, und das Bier kostet inzwischen einiges. Wenn auch noch nicht so viel wie in der Schweiz oder in Österreich. Also, darüber unterhielten Klaus und ich uns ein Weilchen. Wir kamen zu dem Schluss, dass man in Deutschland noch ganz gut leben kann.
Das Wolkenloch über uns wurde größer. Und schließlich trocknete der Tisch von ganz alleine ab. Die Bedienung hatte nur fahrig darüber gewischt.
Zwei Bekannte von Klaus setzten sich dazu. Beide schon jenseits der Fünfzig. Sie gehören zu einer Clique, die sich vorm Kaffeehaus regelmäßig trifft. Meistens halte ich mich von ihnen fern. Einige sind gestandene Geschäftsleute. Außerdem mag ich keine Cliquen. Vor einigen Jahren rasselte ich mal mit ihnen aneinander. Ich saß an der Bar, und sie drängten mich indirekt von meinem Platz, weil sie anscheinend auf ein Gewohnheitsrecht pochten. Sie umringten mich und quatschten über meinen Kopf hinweg, bis ich mich freiwillig woanders hinsetzte. Okay, gegessener Käse.
Seitdem bekannt ist, dass ich Altenpfleger bin, wendet sich ab und zu der eine an mich. Wegen seiner Eltern oder Schwiegereltern. Ein paar Ratschläge kann ich schon geben. Es sind fast immer dieselben Probleme.
Gestern freute ich mich, dass ich etwas Gesellschaft hatte vorm Kaffeehaus. Sie witzelten über meine kurzen Hosen. Zugegeben, es war bereits etwas zu kühl, um in kurzen Hosen draußen zu sitzen. Vor uns saß ein Betrunkener, der ständig den Blickkontakt zu mir suchte. Im WC war ich zufällig neben ihm gestanden. Am liebsten hätte ich ihn ignoriert, wie es Klaus und die anderen taten. Betrunkene können auf eine unangenehme Art anhänglich werden. Ständig lamentierte er: „Ich bin 71 …“ Und Blablabla. Er fixierte mich und sagte: „Du bist ein edler Mensch“, das sähe er. Ich wollte mich von ihm abwenden, aber er legte nach: „Du bist mir sympathisch ...“ Nein, ich nahm nicht ernst, was er von sich gab. Aus Anstand hörte ich ihm weiterhin zu. Ich hoffte, dass er bald gehen würde. „Ich bin 71!“ krakeelte er.
Klaus und ich schauten uns an. Ich versuchte wieder in die Unterhaltung mit den anderen hineinzukommen.
Schließlich verabschiedeten sie sich. Der Betrunkene ging bald darauf. Ich trank das Hefeweizen aus. Mich fröstelte. War es falsch von mir, dass ich dem Betrunkenen zuhörte? Er tat mir nichts. Und doch war es eine peinliche Situation gewesen. Vielleicht sah er den Trinker in mir. Weiß der Teufel! Oder er sah den Altenpfleger … mit dem sozialen Gewissen. Es steht mir nicht auf der Stirn geschrieben, hoffe ich.

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