Die Arschwischmaschine hat frei

Freitag, 5. Oktober 2007

Eine alte Liebe neu entdeckt

Unlängst wollte ich ein Gedicht über meine Liebe zu Unterarmen schreiben. Ja, außer Füßen liebe ich grazile, schlanke Unterarme. Sie können auch etwas kräftiger sein. Ich sehe sie am Liebsten fest und wohlgeformt.
Es blieb bei der Idee zum Gedicht. Ich fand nicht die Muse, obwohl die Unterarme der Bedienungen im Kaffeehaus gute Vorlagen hergaben. Besonders die einer jungen Frau.
Neben der Form ist es die Haut, die mich fasziniert, und die in jedem Licht anders schimmert mit ihren Härchen, den Leberflecken und der Äderung - darunter sich die Muskulatur abzeichnet wie ein zärtliches Liebespaar unter einer leichten Bettdecke ... (Na gut, dieser Vergleich war ein leichter Verschütter. Es ist nicht einfach, mit Worten zu balancieren.)
Unterarme gehören zu den schönsten Körperteilen. Mich würde interessieren, was berühmte Künstler wie Michelangelo und Rodin über Unterarme in Hinsicht auf ihr bildhauerisches Schaffen dachten.
Meiner Meinung nach wird die Wirkung von Unterarmen auf uns unterschätzt. Warum krempeln wir zu gern die Ärmel hoch? Doch nicht nur, weil uns warm ist, oder wir etwas anpacken wollen; sondern oft aus Eitelkeit, oder etwa nicht? Wir machen uns darüber bloß kaum Gedanken.

Das Gedicht hätte ich "Als ich heute meine Liebe zu Unterarmen neu entdeckte" genannt. Etwas lang der Titel? Da es kein Gedicht gibt, ist es egal.
Anatomisch gesehen leuchtet ein, warum Unterarme Unterarme heißen. Umso mehr ich aber den Namen für diese hochästhetischen Körperteile auf mich wirken lasse, desto fremder und unpassender kommt er mir vor. Sie hätten einen eigenen Namen verdient - wie die Hände. Die könnten ja auch Unterunterarme heißen oder Armenden. Selbst die Finger bekamen einen eigenen Namen und heißen nicht etwas Armspitzen. Wie kam diese Diskriminierung der Unterarme zustande? Sind wir geistig zu armselig, um sie angemessen wahrzunehmen und wertzuschätzen?

Ich denke, ich werde mir wenigstens einen Namen für meine eigenen suchen. Wie riecht eigentlich so ein Unterarm?
hmmmmmm - gut!

Donnerstag, 4. Oktober 2007

Fußmut

Contergan-Kinder können mit der Großen Zehe in der Nase bohren. Jedenfalls einige von ihnen. Ich finde das beachtlich, da ich mich bereits beim Schneiden der Zehennägel abmühe.
Der Contergan-Skandal fiel in meine Generation. Es hätte mich auch erwischen können.
In der Grundschule hatten wir eine Mitschülerin, Britta, mit Stummelarmen und -beinen. Sie war Klassenbeste. Ich Zweitbester. Eine Diskriminierung kriegte ich damals nicht mit. Jedenfalls nicht gegenüber diesem behinderten Mädchen. Es fielen mehr die Gastarbeiterkinder und die Kinder aus den Asozialenvierteln in den Fokus der Hänseleien und Ausgrenzung.
Ich stecke voller solcher Erinnerungen. Fange ich erstmal an zu bohren, fördere ich immer mehr zu Tage.

Wie ich auf das Thema komme? Total blödsinnig: Ich blickte gestern Abend auf meine Füße und dachte darüber nach, wie unnütz Fußnägel eigentlich sind; und was es für eine Arbeit ist, die regelmäßig zu schneiden. Ich mag meine Füße. In der Wohnung bin ich immer barfüssig zugange. Was machten die Menschen eigentlich, als es noch keine Nagelscheren gab? Ich saß also vorm PC, langweilte mich und schaute auf meine Füße hinab. Mir kamen Schlangenmenschen und Yogis in den Sinn, die die Beine hinter ihrem Nacken verschränken konnten ... und auch ein junger Mann mit einer Contergan-Behinderung, dem ich in der Heidelberger Altstadt öfters begegnet war. "Nur" seine Arme waren betroffen. Er lief als Punk in Gummistiefeln durch die Stadt. In der Kneipe streifte er sich die Stiefel ab und gebrauchte ganz selbstverständlich seine Füße zum Biertrinken. Er war schon ein Unikum - nicht nur wegen seiner Behinderung, sondern weil er selbstbewusst damit umging und damit nicht selten seine Umgebung irritierte oder gar schockierte.

Und schließlich sah ich zufällig vor kurzem im TV ein Interview mit einem Contergan-Betroffenen. Er erzählte ziemlich scheußliche Sachen aus seinem Erleben. Wie mies doch die Menschen sein können!
Seine Eltern hätten unmoralische Sexualpraktiken vollzogen, deswegen diese Missgeburt ... und Ähnliches. Auch wurde damals geschrieben, dass die Contergan-Kinder frühzeitig sterben würden.
Wahrscheinlich kursierten noch mehr dumme und kuriose Gerüchte, welche für die Betroffenen eine unglaubliche Demütigung bedeuteten.

1961/1962 wurde der Contergan-Skandal aufgedeckt. Fast ein halbes Jahrhundert verstrich seitdem.
Ich kam gesund und vollständig auf die Welt. Wirklich gesund und vollständig?
Was sind das für Begriffe?

(Schlappe fünf Jahre später setzte der erste Mensch seinen Fuß auf den Mond. Ich wurde eingeschult. Auf dem Erinnerungsphoto halte ich die Zuckertüte tapfer fest.)

Mittwoch, 3. Oktober 2007

Die Horrorkneipe

Als ich gestern vom Kaffeehaus nach Hause radelte, war es bereits dunkel. Zwei Bier lang halte ich es an der Theke aus, lese Zeitung oder zur Zeit "Schöne neue Welt" und schaue den Bedienungen ... bei der Arbeit zu. Das klingt nicht sehr spannend. Also, ich bekam Lust auf Pizza. Auf dem Weg liegt ein Italiener, der ausschließlich Gerichte Zum Mitnehmen anbietet. Eine Pizza Calzone passt prima oben in die Satteltasche, ohne dass der Belag runter läuft. Bis sie fertig sein würde, wartete ich in einer Kneipe zwei Häuser weiter. Der Schankraum liegt etwas tiefer als die Straße. Das Fenster ist mit einer Gardine verhängt und mit Zimmerpflanzen verstellt. Früher war mal eine Eisdiele drin. Von außen würde man keine Kneipe erwarten. Die Tür ist aus dickem, mattem Glas wie die Eingangstüre von meinem Zahnarzt. Ich stieg die Stufen hinunter und trat ein. Wie immer waren nur wenige Gäste zugegen. Ehrlich gesagt, war es das erste Mal, dass ich überhaupt Gäste in der Kneipe antraf. Ich setzte mich an die Bar. Links von mir ein Pärchen, mittleren Alters, und hinter mir ein Tisch voll besetzt mit jungen Leuten, die irgendwas feierten. Die Bedienung ist eine Frau um die fünfzig, die immer etwas ängstlich und nervös blickt. Wenn ich alleine bei ihr sitze, plaudere ich mit ihr ein paar Worte. Ich erzählte ihr von meiner Arbeit im Altenheim. Keine Ahnung, ob sie mich wiedererkannte. Häufig kehrte ich bei ihr noch nicht ein. Ich nehme an, dass sie den Laden führt, der wie ein Zwischending von Kneipe und Wohnzimmer anmutet. Ziemlich düster. Ich bestellte ein Pils. Heute hat sie wenigstens ein paar Gäste, dachte ich. Ich hatte immer ein schlechtes Gewissen, dass ich nur auf ein Pils blieb.
Es war eine seltsame Atmosphäre. Ich fühlte mich wie ein Fremder. Und dann die Chefin hinter der Bar, die stets unsicher schaute, als ob sie etwas zu verbergen hätte. Das Pärchen, die Gesellschaft hinter mir, alles wirkte gestellt - wie auf dem Holodeck von Raumschiff Enterprise (falls das jemandem was sagt).
Ich überlegte mir, ob sich das Paar schon länger kannte. Aber ich glaube, er war noch dabei, bei der Frau zu landen. Die Frau hatte ein hübsches, schön geschnittenes Gesicht. Er war eher gewöhnlich und trug ein hässliches Hemd. Ich mochte ihn nicht. Was fand sie nur an dem Typ? Vielleicht lernten sie sich im Internet kennen, und heute hatten sie ihr erstes Date. Aber ausgerechnet hier?! Der Laden war irgendwie unheimlich. Ich erinnerte mich der Schauergeschichten, die ein Gruppenleiter am Lagerfeuer erzählte, als ich elfjährig mit der katholischen Jugend im Zeltlager war. Irgendwer, meist ein junges Pärchen oder zwei, verirrt sich und kommt zu einem abgelegenen Landgasthof oder Motel. Dort treffen sie auf sehr nette und zuvorkommende Herbergsleute ... und blablabla, die aber ein furchtbares Geheimnis hüten. Ich bin kein allzu guter Geschichtenerzähler. Der Gruppenleiter damals am Lagerfeuer konnte es besser. Es waren Untote, und aus der Herberge gab es kein Entkommen!
Ich trank den letzten Schluck Pils, schaute mich noch einmal um und bezahlte. Meine Pizza sollte jetzt fertig sein. Als die schwere Glastür hinter mir ins Schloss fiel, fühlte ich mich, als hätte ich die Schwelle zwischen zwei Welten übertreten. Die Untoten ließ ich hinter mir und freute mich auf eine Pizza Calzone mit viel Käse und Pilzen. Sie lag schon auf der Warmhaltefläche bereit ...

Und jetzt liegt sie mir schwer im Magen.
Das nächste Mal schreibe ich nicht über eine Horrorkneipe sondern eine Horrorpizza, eine Pizza, die sich im Bauch in ein Alien verwandelt.

Montag, 1. Oktober 2007

Die Arschwischmaschine hat frei

Herrlich die Freude der deutschen Fußballdamen über den errungenen Weltmeistertitel zu sehen. Wie gerne wäre ich auch in China. Irgendwo an einen Sack Reis gelehnt über Gott und die Welt sinnierend und um mich herum nur grinsende, quasselnde Schlitzaugen. Konfuzius steh mir bei!
Durch das Fernsehen und Internet schrumpft und verdichtet sich die Welt, so dass man den Blick für ihre Größe verliert. Wäre ich ein Baum, ich würde den ganzen Tag fern sehen. Jeder meiner Äste wäre ein anderer Kanal.
Herrlich dieser Sonnentag. Das Leben zeigt mir seine prallen Titten. Ich muss nur hinfassen. Es ist erlaubt. Ich sehe mich selbst durch die Welt wandeln, wie ich das Haus verlasse, die Tür hinter mir ins Schloss drücke, mit dem Fahrrad hinunter in die Stadt rolle, wie ich geduckt in die Pedalen trete und konzentriert auf den Verkehr achte, wie das Altenheim und die Häuser an mir vorbeirauschen, als wären sie Kometen aus einer anderen Wirklichkeit ... vielleicht bin ich ein Baum und reise über meine eigenen Äste.
Herrlich die Freiheit, selbst wenn sie eine Illusion ist.

Das Telefon reißt mich aus meinen Gedanken. Mein Herz steht fast still. Was, wenn es das Altenheim ist? Ich gehe nicht dran.

Mittwoch, 26. September 2007

Wirkliche Träume und erträumte Realitäten

Ich wachte weichgespült auf. Das Weichspülmittel war eine schlanke, junge Frau mit halblangen, rotblonden Haaren. Wir waren in einem Hotelzimmer, irgendwo im Urlaub am Meer. Eigentlich wollten wir gleich nach dem Kino essen gehen, aber im Hotelzimmer zog ich sie gurrend an mich. Ich konnte mich nicht satt sehen an ihr. Wir waren frisch verliebt. "Okay, du hast mich überredet", sagte sie lächelnd und streifte ihre Hose herunter. Sie zierte sich ein wenig, was ich sehr reizvoll fand. Wir konnten später immer noch Essen gehen. An ihrer linken Schulter hatte sie ein Tattoo, das sich bis zum Brustansatz zog. Ihre Brüste waren klein und fest ... .
Ich liebe solches Kopfkino am Morgen. Doch einmal wach fand ich nicht mehr zurück in den Traum.
Ich lag in meinen Kissen und spürte ganz realistisch das wonnige Gefühl der Verliebtheit, wusste dass ich es nicht würde festhalten können, außer es aufzuschreiben. Es kommt nicht zu häufig vor, dass ich mich im Traum verliebe. Ich sitze am PC und überlege, was es damit auf sich hat.
Dabei kommt mir ein kurzer Text von Günter Wallraff in den Sinn, den Wolf Biermann auf einer LP musikalisch interpretierte. Gut dass ich noch nicht alle Platten wegwarf. Biermanns Liedtext lautet wie folgt:


""Ich träumte


Ich träumte, träumte, träumte
das Leben sei ein Traum
und wachte auf davon
Da war das Leben
gar kein Traum
Und da schlief ich
nie mehr ein""



Oft wollte ich, mein Leben und alles, die gesamte Existenz, sei nur ein Traum. Aufwachen will ich gar nicht. Oder wenn, dann sollte einfach alles verschwinden, die Träume, das Leben - Alles!
Wie vor meiner Geburt - da war doch auch alles weg für mich. Meine Eltern zerstörten meine Leere, mein Nichts. Ich wäre so gern in meinen Träumen geblieben. Auf ewig. Nun erwache ich jeden Morgen ...
Ist das für irgendwas eine Strafe? Und schon bin ich bei dieser Karma-Geschichte, an die ich nicht wirklich glauben mag.
Das Leben hat so was unwiederbringliches. Was mal ist, das ist. Nach 45 Jahren hadere ich noch immer mit dem Dasein. Ich kann mich einfach nicht daran gewöhnen, da zu sein. Ich funktioniere. Ich bin ein Mensch. Wer weiß, was ein Mensch ist? Nennt man das Nihilismus? Ich kann an nichts glauben.
Wahrscheinlich können meine Eltern gar nichts dafür, dass es ausgerechnet ich bin, den sie zeugten.
Ich mache ihnen nicht wirklich einen Vorwurf.
Ich habe keine Ahnung, wer dahinter steckt. Diesen Fall habe ich noch nicht gelöst. Ich sollte Columbo oder Brasko engagieren.
Irgendwer muss doch hinter allem stecken, oder? Ist es möglich, sich selbst zu erfinden? Bin ich meine eigene Erfindung, mein eigener gelebter Traum? Was seid aber dann ihr? Ihr seid eine verdammt gute Kulisse.
Ich merke schon, das führt zu nichts. Heute nicht mehr. Der Traum am Morgen war aber wunderschön.

Alle Frauen, auf die die Beschreibung passt, mit dieser markanten Tätowierung, bitte hier melden.
Am Besten mit Photo - vielleicht hatte eine denselben Traum.

Dienstag, 25. September 2007

Was sind Geranien?


Ich stelle mir gerade eine wippende Urinflasche vor. Wolken leuchten wie gebrauchte Wattebäusche vom Himmel herab. Ein blaues, schnittiges Auto steht am Hang. Ich trinke Colaweiß. Dabei höre ich Black Sabbath. Der Tag frisst sich durch meine Glieder. Noch habe ich meine Schublade nicht verlassen.
Ich könnte an alles denken und an nichts. Das Schwierigste ist die Entscheidung bei einem Gedanken zu bleiben. Bin ich mein eigener Herr? Muss ich mich dazu nötigen?
Was sind Geranien?

Hinter den Wolken gähnt der Kosmos. Trotz den Ausführungen des Professor Lesch wissen wir herzlich wenig über das, was da hinter den Wolken ist. Ist die Nacht der Tod? Ich stelle mir vor, dass jeder Tote ein Stern ist. Und wir, was sind wir? Sternenkinder? So unfassbar klein. Aber in unserer Welt sind wir groß. Bald zu groß.
Die Reden des Professors verwirren mich. Wo bleiben darin meine Gefühle? Wo ist die Liebe?
Gott schicke ich zum Teufel. Ich brauche niemanden, der für meine Seele zuständig ist. Ich will autark sein.
Warum komme ich immer wieder auf Gott zurück?
Zu oft stelle ich mir die Frage: "Glaubst du an Gott?" Diese Frage ist beinahe eine magische Formel.
Der Algorithmus des Seins.

Inzwischen läuft Blood Sweat and Tears. Ich habe alle meine CDs auf dem Computer gespeichert.
Sie reichen mindestens für tausend Stunden. Wieviel sind tausend Stunden?
Heute werde ich sie nicht mehr unterbringen.

"I love you, I love you, I love you, baby ..."

Dienstag, 18. September 2007

Ich träumte von Urlaub am Kilimandscharo



"Es ist nicht notwendig, laufend bewusst Entscheidungen für sein weiteres Leben zu treffen. Diese Entscheidungen ergeben sich automatisch, sobald der Zeitpunkt hierfür gekommen ist."
(Aus "Die memetische Theorie" von Susan Blackmore)


Gestern auf dem Fahrrad wurde ich noch ganz schön nass.
Das Laub färbt sich langsam gelb. Die Luft schlägt mir kalt und feucht ins Gesicht. Ich fahre durch Pfützen. Die Autos verwirbeln die Nässe zu einem Nebel. Keuchend ackere ich mich den Berg hinauf und schimpfe über die Automania unserer Gesellschaft. Nein, ich habe nichts gegen Autos - aber ich hasse den Stellenwert, den sie für die Menschen inzwischen haben; ich hasse diese Rücksichtslosigkeit und Gewalt, die von diesen motorisierten Objekten ausgeht und die ganz selbstverständlich hingenommen wird. Oft stoße ich auf meinem Fahrrad Flüche aus, wenn sie mich an den Straßenrand drängen und mich brüllend überholen.

War ich eigentlich schon immer so empfindlich?
Mir kommt es vor, als ob ich mit der Zeit dünnhäutiger wurde. Immer seltener drehe ich die Musik laut auf, ich gehe nur noch ungern in die geschäftigen Innenstädte, ich fühle mich von den vielen Menschen, den vielen Eindrücken und dem Verkehrsaufkommen bedrängt. Wenn ich mich dennoch in diesen urbanen Moloch wage, suche ich nach den notwendigen Erledigungen schnellstmöglich eine Eckkneipe auf.
Vielleicht sollte ich meine Nerven wieder trainieren? Nerven lassen sich doch bestimmt trainieren?
Oder liegt es gar nicht an meinen Nerven sondern daran, dass ich nicht mit dem Strom schwimme und selbstverständlich mehr Kraft für ein eher unkonventionelles Leben aufwenden muss?
Warum fahre ich auch mit dem Fahrrad in einer Autowelt herum? Warum arbeite ich im Schichtdienst und mache die Nächte zu Tagen und unmgekehrt? Warum heiratete ich nicht und gründete eine Familie?
Warum mache ich nicht Urlaub auf Mallorca, relaxe mit Freunden am Strand und lasse am Abend in den Diskotheken die Kuh fliegen? Warum arbeite ich nicht in einem Büro sondern im Altenheim?
Gäbe es ein nevenschonenderes Leben für mich? Könnte ich zufriedener sein?

Nein! Quatsch! Hirnschiss!
Alles ist gut, wie es ist. Habe ich mir es etwa nicht ausgesucht - wenn auch unbewusst?
Eines schönen Tages werde ich morgens aufwachen, die Erde anhalten und sie andersherum drehen lassen. Wenn dieser Tag kommt, werde ich gar nicht registrieren, dass er da ist. Erst viel später.
Kann sogar sein, dass er schon da war.
Mal sehen, ob sich Ergebnisse einstellen.
Noch folgt der Abend dem Morgen und nicht umgekehrt. Oder ist mir da etwas entgangen?

Es wird Herbst. Ich mag den Herbst - auch wenn ich über sein Wetter fluche. Ist der Herbst nicht die aufrichtigste Jahreszeit?
Als ich gestern Abend zuhause ankam, schmiss ich die klammen Klamotten von mir und fletzte mich aufs Bett. Das Fahrradfahren und das Bier hatten mich hungrig und schlapp gemacht. Ich aß die Steaks vom Kerwemetzger. Mit Kartoffelpüree ("Das Komplette mit entrahmter Milch"). Was lief gestern eigentlich im TV? Dunkel erinnere ich mich an Günther Jauch. Wie heißt diese Sendung noch mal? "Wer gewinnt die Million?" ... ?
No - jetzt fällt`s mir ein: "Wer wird Millionär?" Günther Jauch könnte ich regelmäßig den Hals umdrehen ... . Im anderen Programm lief "Quiz-Taxi" mit Prominenten. Die Sendung spielt zur Zeit auf Mallorca. Ich zappte hin und her, lachte sogar einmal, wälzte mich auf die andere Seite und ließ meine Träume das Ruder übernehmen.



Montag, 17. September 2007

Hanglage

Ich wohne leicht oberkünftig, das heißt, ich wohne am Berg, eigentlich im Berg.
Okay beides. Die Straße bohrt sich die ersten zwei, drei Kilometer beinahe kerzengerade in die Berge. Ständig denkt man, jetzt müsste aber das Ortsschild gleich kommen, aber noch immer tauchen Häuser links und rechts auf - wie ein Lindwurm zieht sich die Häuserschlucht bergan.
Auf beinahe gleicher Höhe zum Ortsschild liegt mein Zuhause. Die Taxifahrer, die mich vom Bahnhof heim fahren, sind ganz berauscht von der Idylle. Ja, ich wohne sehr schön inmitten hängender Gärten, das Tal umrahmt von dichtem Wald. Störend ist lediglich die befahrene Straße hinunter in den Ort. Sie ist für mich die einzige Verbindung zur Zivilisation.
Zwei Kilometer stürze ich mich auf meinem Fahrrad in rasanter Fahrt in die Ebene - das Altenheim liegt links, etwas versetzt am Waldrand. Ich komme nicht umhin, meinen Kopf in Richtung des Altenheims zu wenden, wenn ich den Berg hinunterflitze. Dabei habe ich oft ein dumpfes Gefühl in der Magengegend. Ganz merkwürdig. Nein, ich darf mich auf meiner Talfahrt nicht ablenken lassen, die Autos preschen trotz der Geschwindigkeitsbegrenzung an mir vorbei, und der Straßenrand ist brüchig und weist Schlaglöcher auf.
Schließlich bin ich im Ort, der mich beinahe warm umschließt. Zum Supermarkt ist es nicht mehr weit. Ich radle an den Weinbergen entlang, wo die Weinlese in vollem Gange ist. Als ich zum Markt abbiege, erstreckt sich die Rheinebene vor mir bis zum Horizont. Es ist diesig. Die Pfälzer Berge zeichnen sich heute nicht ab. Ich denke oft, wie sehr ich meine Heimat für dieses Panorama liebe.

...

Sonntag, 16. September 2007

Mein Wort zum Sonntag


Sind wir nicht von Anbeginn unseres Lebens auf Sonntage konditioniert?
Das Zeitmuster der Woche prägte sich bereits früh in unser Bewusstsein ein.
Es wird als natürlich hingenommen, dabei ist es vollständig künstlich, willkürlich.
Der Mensch tut sich gemeinhin schwer, solche Muster und Traditionen zu durchbrechen. Von Menschen, die im Schichtdienst arbeiten, wird selbstverständlich erwartet, dass sie ihr Leben gegenläufig einrichten - der Verdienstausgleich fällt gemessen an den sozialen und gesundheitlichen Einbußen jedoch gering aus. Warum kriegt es unsere Gesellschaft nicht hin, diesen meist dienstleistenden Professionen eine größere Wertschätzung entgegenzubringen?
Warum werden immer noch Menschen in diesen Berufen geradezu verschlissen?
Menschen, die unheimlich viel für die Sozietät leisten - ähnlich wie beim Stand der Hausfrauen, der noch beschissener dran ist, skandieren die Apologeten unseres Gemeinwesens, dass solche Dienste so weit wie möglich ehrenamtlich oder im Fall der Hausfrauen sogar a priori gratis zu leisten sind - aber wäre es in einer modernen Gesellschaft, welche für sich in Anspruch nimmt, die Würde des Menschen und seine Gleichbehandlung zu achten, welche sich für ihr soziales Netz rühmt, nicht ein unbedingtes Muss, ausreichend finanzielle Mittel für eine menschenwürdige Versorgung der Schwächsten unter uns zur Verfügung zu stellen?
Für Eurofighter und Soldaten in Afghanistan zahlen wir doch auch Steuern. Wo ist das Geld für die Menschen, die mitten unter uns scheinbar "auf dem Mars" leben? Im Zuge des allgemeinen Privatisierungsrauschs sollen die sich wohl selbst finanzieren? Oder noch absurder: Die Pflege hilfsbedürftiger Menschen soll gewinnbringend sein.
Wie lange will man den Spagat, ausgehend von den Erkenntnissen in den Pflegewissenschaften und der Gerontologie einerseits gegenüber einer blauäugigen Politik und immer noch zu geringen gesellschaftlichen Aufmerksamkeit andererseits, noch aushalten? Zumal inzwischen jedermann weiß, dass die Bevölkerungsentwicklung auf einen "Staat der Alten" hinausläuft.
Ehrlich, mich kotzt das alles an!
Ich arbeite ganz unten am Menschen - doch von allen Seiten gibt es nur Druck oder Achselzucken.

Warum können wir nicht einfach gängige Muster, politische Konventionen und Traditionen für eine menschlichere Gesellschaft durchbrechen? Warum tun wir uns derart schwer, wenn es um das Vermeiden von Pflegenotständen geht? Die befahrenen Straßen unserer Republik bessern wir beinahe jedes Jahr aus - warum schaffen wir das nicht dort, wo die Menschen am Ende (ihres Lebens) stehen? Warum sind wir nicht in der Lage, allen Menschen, unabhängig von ihrem sozialen Status, einen würdevollen Lebensabend und ein würdevolles Sterben zu ermöglichen?
Unsere Kinder müssen wir dahingehend erziehen, dass sie humanes Denken und Handeln verinnerlichen. Sie werden uns eines Tages pflegen. Das Beste wäre - diese Worte sind hauptsächlich an die Mächtigen und Reichen unter uns gerichtet - wir gingen schon heute mit gutem Beispiel voran.
Sagen, was Sache ist, und nicht drumrumschwätzen.

...


Sonntage bedeuten mir nichts mehr.





Samstag, 15. September 2007

Ein schöner neuer Tag, völlig zwangfrei

Als ich das Blog anlegte, dachte ich, es wäre ein Leichtes, jeden Tag etwas von sich abzusondern.
Aber dem ist ganz und gar nicht so. Ich hätte es mir denken können. Scheinbar unterliegt die Kreativität Gezeitenströmungen. Meistens ist Ebbe. Man watet fast immer durch Banalitäten und führt bedeutungslose Selbstgespräche. Etwa in der Art: "Uuuuuaaah - ist heute wieder ein verdammt schöner Tag! Aber irgendwie kühl, ich sollte aufstehen, warm duschen, oder erst nachher? Okay, nach dem Bier. Eine Flasche ist schnell getrunken. Nichts drin in diesen kleinen Flaschen. Wie viele habe ich eigentlich noch? Uuuuuuaaah - gut, dass mich niemand am Morgen sieht, ach so, ist bereits Mittag. Egal ..."
Die nachfolgenden Gedanken kann ich nicht annäherungsweise wiedergeben. Sie sind wie Dickicht, undurchdringlich und emotional überlagert. Überhaupt muss ich ständig dieses emotionale Störfeuer in meinem Kopf herunter dimmen. Wenn ich das nicht machte, würde ich keinen vernünftigen Satz herausbringen. (Wird "herunter dimmen" eigentlich zusammen oder getrennt geschrieben?) Es braucht viel Mut, sich den eigenen Gedanken zu stellen. Viele Menschen umgehen diese schwierige Konfrontation, indem sie ständig beschäftigt sind. Beinahe jede Minute ihres Lebens ist verplant, ihre Tagesabläufe ordentlich strukturiert. Es fängt mit den festen Mahlzeiten an. Ich dagegen esse erst am Abend. Ich lasse mich tagsüber nicht ablenken. Ich genieße die Zeitfolter in ihrer ganzen brutalen Banalität.
"Uuuuuuaaah - das Bier ist leer. Wer bringt mir ein Neues? Niemand, ergo muss ich selbst zum Kühlschrank pilgern. Der Gang zum Kühlschrank - der kürzeste Pilgerpfad, den`s gibt, haha ..."
Zurück - wer wäre für die Nachtwache geeigneter als ich? Ich brauche weder Kreuzworträtsel noch Stricknadeln, um zwischen den Rundgängen auszuharren. Ich bin total autark. Freilich, ich lasse mich gern berieseln, der TV läuft nebenher, auch habe ich nichts gegen eine angenehme Konversation mit der Kollegin einzuwenden. Doch ich finde, man sollte sich nachts zu einem Gespräch nicht genötigt fühlen. Ich bin überhaupt gegen Zwänge. Wenn meine Kollegin die Stunden bis zum Feierabend zählt, sage ich beruhigend: "Die Nacht wird rum gehen, sie geht immer rum." Ja, ich bin wie ein Fels in der Brandung.
Ich schone meine Energie und meine Nerven, denn schon im nächsten Moment könnte ich 200%ig gefordert werden - schließlich befinde ich mich in einem Altenheim. Niemand würde mir widersprechen, dass die Arbeit in einem Altenheim viele Nerven kostet.
"Uuuuuuaaah - gut, dass ich noch ein paar Tage frei habe. Was will ich eigentlich heute machen? Es ist so ein verdammt schöner Tag! Wollte ich nicht nach dem Bier duschen? Okay, nach dem nächsten. Schließlich drängt mich niemand, hehe, ich bin mein eigener Herr, ich unterliege keinen Zwängen ..."



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