Mein Wort zum Sonntag


Sind wir nicht von Anbeginn unseres Lebens auf Sonntage konditioniert?
Das Zeitmuster der Woche prägte sich bereits früh in unser Bewusstsein ein.
Es wird als natürlich hingenommen, dabei ist es vollständig künstlich, willkürlich.
Der Mensch tut sich gemeinhin schwer, solche Muster und Traditionen zu durchbrechen. Von Menschen, die im Schichtdienst arbeiten, wird selbstverständlich erwartet, dass sie ihr Leben gegenläufig einrichten - der Verdienstausgleich fällt gemessen an den sozialen und gesundheitlichen Einbußen jedoch gering aus. Warum kriegt es unsere Gesellschaft nicht hin, diesen meist dienstleistenden Professionen eine größere Wertschätzung entgegenzubringen?
Warum werden immer noch Menschen in diesen Berufen geradezu verschlissen?
Menschen, die unheimlich viel für die Sozietät leisten - ähnlich wie beim Stand der Hausfrauen, der noch beschissener dran ist, skandieren die Apologeten unseres Gemeinwesens, dass solche Dienste so weit wie möglich ehrenamtlich oder im Fall der Hausfrauen sogar a priori gratis zu leisten sind - aber wäre es in einer modernen Gesellschaft, welche für sich in Anspruch nimmt, die Würde des Menschen und seine Gleichbehandlung zu achten, welche sich für ihr soziales Netz rühmt, nicht ein unbedingtes Muss, ausreichend finanzielle Mittel für eine menschenwürdige Versorgung der Schwächsten unter uns zur Verfügung zu stellen?
Für Eurofighter und Soldaten in Afghanistan zahlen wir doch auch Steuern. Wo ist das Geld für die Menschen, die mitten unter uns scheinbar "auf dem Mars" leben? Im Zuge des allgemeinen Privatisierungsrauschs sollen die sich wohl selbst finanzieren? Oder noch absurder: Die Pflege hilfsbedürftiger Menschen soll gewinnbringend sein.
Wie lange will man den Spagat, ausgehend von den Erkenntnissen in den Pflegewissenschaften und der Gerontologie einerseits gegenüber einer blauäugigen Politik und immer noch zu geringen gesellschaftlichen Aufmerksamkeit andererseits, noch aushalten? Zumal inzwischen jedermann weiß, dass die Bevölkerungsentwicklung auf einen "Staat der Alten" hinausläuft.
Ehrlich, mich kotzt das alles an!
Ich arbeite ganz unten am Menschen - doch von allen Seiten gibt es nur Druck oder Achselzucken.

Warum können wir nicht einfach gängige Muster, politische Konventionen und Traditionen für eine menschlichere Gesellschaft durchbrechen? Warum tun wir uns derart schwer, wenn es um das Vermeiden von Pflegenotständen geht? Die befahrenen Straßen unserer Republik bessern wir beinahe jedes Jahr aus - warum schaffen wir das nicht dort, wo die Menschen am Ende (ihres Lebens) stehen? Warum sind wir nicht in der Lage, allen Menschen, unabhängig von ihrem sozialen Status, einen würdevollen Lebensabend und ein würdevolles Sterben zu ermöglichen?
Unsere Kinder müssen wir dahingehend erziehen, dass sie humanes Denken und Handeln verinnerlichen. Sie werden uns eines Tages pflegen. Das Beste wäre - diese Worte sind hauptsächlich an die Mächtigen und Reichen unter uns gerichtet - wir gingen schon heute mit gutem Beispiel voran.
Sagen, was Sache ist, und nicht drumrumschwätzen.

...


Sonntage bedeuten mir nichts mehr.





schreiben wie atmen - 16. Sep. 07, 14:58

Verdrängungskünstler

Wenn wir hier in diesem Staat irgendwas gelernt haben, dann ist es der Satz: "geht mich nix an". Wahlweise noch: "ist nicht meine Baustelle", "da gibts doch Fachleute für".
Das ist ein bißchen wie mit dem Tod, wir haben ihn glücklich so weit aus dem Alltag entsorgt, dass sich jeder der das will der halb eingestandenen Phantasie hingeben kann, dass es die Anderen wahrscheinlich erwischt, ihn aber nicht. Ist doch verrückt, wie schwierig es ist mit einem gesunden Menschen mittleren oder fortgeschrittenen Alters über seinen Tod zu reden. Man hat das Gefühl der Tod wird bundesweit zum PAL (Problem anderer Leute) erklärt. Das mit der älter werdenden Gesellschaft ist hauptsächlich deswegen in aller Munde, weil der Aufwand an Pillen, Wässerchen und Wellnesmaßnahmen nun noch besser vermarktbar ist. Es gibt neuerdings die Generation 50+. Die Alten hingegen sind offenbar ausgestorben. Schlimmstenfalls hat man Seniorin oder Senior zu sein. Das hört sich so ein bisschen auch nach Chef und erfolgreich an. Immer wieder werden uns Menschen gezeigt die mit achtzig Jahren noch Golf spielen, segeln, schnelle Autos fahren und ihre faltenarme Haut kreuzfidel an den teuersten Stränden zu Markte tragen.
Man kann es sich einfach nicht leisten das Elend der Altenpflegeheime in den Fokus zu rücken - da bliebe ja vielleicht die ganze Lust auf den Erwerb von "Ewig-jung-Produkten" auf der Strecke. Nein, nein. Dafür hat man ja seine Fachleute - die haben gefälligst im stillen Kämmerchen zu pflegen, Essen zu geben, Händchen zu halten. Was geht das denn die Tattergreise auf dem Golfplatz an??
Hast Recht cher Felix - manchmal könnt man kotzen über unsere Gesellschaft und über unseresgleichen.
Was bleibt übrig? Es selbst besser machen? Dafür kämpfen, dass die Gesellschaft endlich dahin guckt wo es weh tut? Wahrscheinlich beides - jeder so gut er kann.
Lass uns aber dennoch nicht vergessen unsere SONNEN-tage zu feiern.

Herzliche Grüße

Angela

bonanzaMARGOT - 16. Sep. 07, 15:28

Man wird es sich leisten müssen

das Elend zu fokussieren, um seine "Sonnentage" weiterfeiern zu können.
Oder wir schaffen die humane Gesellschaft, unsere Verfassungen sowie die darin verhafteten aufklärerischen Gedanken wieder ab, verfallen nach und nach in die Barbarei, sprengen uns gegenseitig je nach fatalistischer Ausprägung in die Luft und vollziehen die Menschlichkeit nur noch in Enklaven.

Ich wurde in eine Generation hineingeboren, die das Glück hatte, nur den Frieden zu erleben. Hier bei uns.
Die Alten, die ich pflege, erlebten grauenhaftere Zeiten.
Zeiten, in denen ein Menschenleben nicht viel wert war. Als selbst Kinder und Alte vergast wurden.
Die wenigsten können darüber sprechen.
Sie sind Menschen mit ganz normalen Ängsten - eine der größten Ängste ist die Angst vor dem Tod - wer kann sich schon zur moralischen Instanz aufschwingen, ohne zu heucheln?
Ich mache niemandem Vorwürfe ... dass er nicht genügend Mut aufbrachte. Ich bin selbst viel zu feige, um auf meine Kosten die Welt zu verbessern. Aber ein Idealist bin ich schon, gel? Es darf nur nicht ans eigene Leder gehen ...

Der Tod ist mein Schatten. Ich trage ihn mal leicht, mal schwer auf meinen Schultern wie einen Umhang. Es macht wenig Sinn, sich mit ihm anzufeinden.
Er sagt, dass er sich nicht vereinnahmen lässt.
Die Lebenden sollen leben.
Die Lebenden sollen lieben.


Felix

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