Die Arschwischmaschine hat frei
Heute morgen dachte ich über eine Analogie zwischen "Leben" und "Träumen" nach.
Es gibt Träume, die sich von den üblichen dadurch unterscheiden: man bemerkt in ihnen, dass man wahrscheinlich träumt.
Meist erscheinen mir die absurdesten und verrücktesten Dinge im Traum völlig normal. Wenn ich aber annehme, dass ich in einem Traum stecke, schaue ich mich neugierig um - ich versuchte mir z.B. Straßenschilder zu merken, als ich durch eine Stadt flog - um das, was ich sehe, zu überprüfen, wenn ich wieder wach wäre. Leider konnte ich kein einziges Straßenschild entziffern, obwohl mir das Szenarium total real erschien - selbst das Fliegen. Ich strengte mich derart an, etwas aus dem Traum "mitzunehmen", dass ich schließlich aufwachte.
Auch im Leben erscheint uns alles normal und folgerichtig. Es gibt wenig Dinge, die uns im Alltag noch wirklich wundern. Geburt, Eltern, Schule, Himmel, Sonne, Erde, Bäume, Computer ... - alles hundsnormal. Oft, wenn ich am Schreibtisch brüte, denke ich jedoch, die Welt und das Leben seien völlig irre - ähnlich wie Traumgeschehen - nur stecken wir derart fest im Leben, dass wir gar nicht merken - nicht auf die Idee kommen, die Wirklichkeit an sich in Frage zu stellen. Jedenfalls in aller Regel.
Seit Kindertagen habe ich dieses unbeschreibliche Gefühl, dass über der Wirklichkeit des Lebens noch eine andere "Ebene" oder ein anderer "Raum" existiert. Damals war das Bild eines Tunnels, den ich durch eine Sandburg grabe, exemplarisch: sobald ich auf die andere Seite durchbrach, stürzte die Burg über meinem Arm ein ... Ich kann mich noch so anstrengen - ich komme nicht auf die andere Seite.
Während ich aus dem Traum aufwachte, gibt es im Leben nur wieder ein Aufwachen im Leben.
Aber vielleicht eines Tages ... wache ich auf, wache ich wirklich auf. Das Leben kann nur ein seltsamer Traum sein. Ich muss mich nur angestrengt konzentrieren. Nein, es geht mir gar nicht darum, dem Leben zu entfliehen - wie im Traum versuche ich lediglich eine Verbindung herzustellen ..., eine Verbindung zwischen den "Räumen", um das Gesamte besser zu verstehen.
Und selbst, wenn ich es zu Lebzeiten nicht schaffe, ergibt sich als abgeleitete Erkenntnis ein faszinierender, mich in seinen Bann ziehender Gedanke: das Vorhandensein einer Realität birgt per se das in Frage stellen derselben.
Wie Indiana Jones Jagd auf geheimnisvolle Artefakte macht, jage ich voller Abenteuerlust solchen Gedankengängen nach - und weiß nicht, wohin sie mich letztlich führen ...
Das Altenheim steckt mir noch in den Gliedern. Oder die Pizza Diavolo von gestern Abend liegt mir schwer im Magen. Jedenfalls wachte ich die halbe Nacht und schlief dann bis Mittag. Vielleicht trank ich auch zu gierig die Havanas im Kaffeehaus. Passend dazu heute das Ambiente eines fahlen, kühlen Tages. Ein Lüftchen scheint zu gehen. Die Zweige der Büsche wiegen sich behäbig. "Hallo Buschwerk", sage ich halblaut und winke zurück. Wie konsterniert sitze ich an meinem Schreibtisch und lasse mich gen Nachmittag stupsen. Die Angelschnur hängt im Gedankensee, der glatt wie ein Kinderpopo schimmert. Ich warte, dass ein dicker Fisch anbeißt. Doch es rührt sich nichts. Ich rühre mich nicht.
Dann meditiere ich halt, denke ich. Klingt besser als Lethargie. Ich staune über die Struktur der Raufasertapete. Und erst die Pinwand aus Kork. Der Dielenboden knarrt, wenn ich aufstehe. Wie immer unglaublich, die Existenz.
Ob mit dem Fahrrad oder im Bus, jedes Mal, wenn ich die Straße hoch fahre, sehe ich den alten Mann auf dem Bürgersteig - er läuft auf langen, schlacksigen Beinen, leicht vornüber gebeugt immer den selben Weg rauf und runter. Anfangs dachte ich an ein merkwürdiges Zeichen oder ein Omen, dass nur mir auffällt, welches vielleicht nur für mich bestimmt war. Ich glaube fest daran, dass es solche Zeichen gibt, die wir nur nicht zu deuten wissen - sie manifestieren sich im Alltag durch obskure Zufälligkeiten oder unwahrscheinliche Begebenheiten. Bestimmt läuft der alte Mann auch jetzt, während ich dies schreibe, die Straße entlang. Ich sehe ihn im Geiste vor mir: seine gebückte Haltung, welche den Oberkörper verkürzt erscheinen lässt - seine Anatomie hat sich bereits derart verformt, dass er zugespitzt wie ein Kopf auf Beinen wirkt. Wie viele Jahre macht er das schon? frage ich mich.
Wann fing er damit an? Und warum muss er ständig laufen? Mir fällt der Kinofilm "Forrest Gump" mit Tom Hanks ein - das Laufen war für ihn eine Befreiung, eine Emanzipation; er lief sozusagen um sein Leben, um seine Identität.
Wahrscheinlich hat der alte Kerl, den ich sehe, nur einen Knall. In der Nähe ist ein Altenheim. Ich beobachtete schon bei einigen alten Menschen diese Unruhe, die sie mit ewigem Gehen kompensieren, sofern sie es konstitutionell können. Obwohl die Erklärung womöglich ganz simpel ist, werde ich das Bild nicht los, wie er den ganzen lieben Tag lang die Straße hoch und runter läuft. Sähe ich ihn längere Zeit nicht, müsste ich denken, dass er krank ist oder tot.
Die Züchterklause liegt am Ortsrand, eine Vereinswirtschaft, die in den Sommermonaten aufblüht. Der Zaun zum Biergarten ist von wildem Wein umrankt, und man sitzt gemütlich mit dem Blick auf die Felder. Von der Seniorenclique und den bierseligen Stammgästen abgesehen, machen viele Ausflügler an den Wochenenden dort Rast. Bei sonnigem Wetter brummt der Laden auch unter der Woche. Die Leute kehren dort gern nach Feierabend ein, Studenten treffen sich, und Liebespärchen schmausen bei günstigen Preisen.
Ich war überrascht, als ich Thomas, die Bedienung aus dem Kaffeehaus in der Züchterklause antraf. Mit seinem Pferdeschwanz und dem Unterlippenbärtchen könnte er einen der drei Musketiere abgeben. Dieser Charmeur, der lieber mit den Kolleginnen flirtet, als sich um mein Bier unterm Zapfhahn zu kümmern. Seit kurzem ist er solo. Nach sieben Jahren trennten sie sich. Die Gewohnheit hatte die Liebe langsam zerfressen. "Ich nutze die Zeit, die ich nun habe, um Sport zu machen ...; ich genieße meine Freiheit", sagte er mir. Thomas ist ein interessanter Typ, 10 Jahre jünger als ich, gut aussehend - er sollte keine Probleme haben, bald wieder eine Frau aufzureißen, wenigstens für die Kiste. Wir unterhielten uns noch ein Viertelstündchen über die Beziehungsproblematik: über Einengung, Entfremdung ... Schließlich machte er sich auf seinen Inlinern wieder davon. Die Wege über die Felder sind ideal für solcherart sportliche Aktivitäten.
Ich schaute mich nach einem sonnigen Plätzchen um und setzte mich zu zwei fülligen, matronenhaften Wesen. Sie flachsten über Hartz IV Empfänger und Drogenabhängige, die sie offensichtlich von Amtswegen zu betreuen haben. Nachdem ich ungewollt eine Weile zugehört hatte, konnte ich nicht mehr an mich halten und fragte sie nach ihrer Arbeitsstelle. Sie antworteten ausweichend, und die dickere, deren Kopf halb zwischen den Schultern versank, meinte entschuldigend, dass man den Job nur schwer ertragen könne, wenn man nicht mal über die "Kundschaft" ablästere. Da hatte ich nun einen Anknüpfungspunkt und sagte, dass ich in der Altenpflege arbeite, und dass wir da auch ab und zu über die Heimbewohner ironischerweise reden, auch mal etwas derber ...; man müsse halt aufpassen, dass man nicht tatsächlich den Respekt vor den hilfsbedürftigen Menschen verlöre. Die beiden Matronen stimmten zu, und es entwickelte sich noch ein recht lustiges Gespräch. Die jüngere und etwas schlankere hatte einen zusammengelöteten CD-Ständer dabei, und ich erzählte, dass ich gestern einen derselben Art mitsamt CDs in die Abfalltonne geschmissen hatte. Diese Merkwürdigkeit war Anlass zu großem Gelächter. Inzwischen hatte ich einige Bier intus ...
Die Sonne sank gen Horizont, und die zwei Damen verabschiedeten sich. Auch ich bestieg meinen Drahtesel, um noch Einkaufen zu fahren.
Wahrscheinlich war es einer meiner letzten Ausflüge zur Züchterklause in diesem Jahr.
Vor mir liegt der nächste Nachtwachenblock. Ich bin fürs Erste bedient.
inzwischen ist alles zugewachsen
Mein Herz singt mit dem Tag, es singt mit den Farben, es singt mit der Musik.
Mein Herz hat viele Saiten. Heute klingt ein lila Blues. Abwechselnd umarme ich die Verrücktheit und fliehe vor ihr. Sie ist unbestimmt wie Schrödingers Katze. Das Licht regnet sich ab. In meine Augenseen. Und fließt wie Magma durch die Gedankengewölbe. Ich streichle das Fell meiner Sehnsucht.
Sie bellt mich an. Ich reiche ihr den Knochen, auf dem "Seele" steht.
Die Zeit tropft durch die Wände in mein Zimmer. Die Eltern warten auf einen Anruf von mir. Ich warte auf den Gammablitz und frage mich: Wenn das Universum stirbt - wie ist das dann mit der Wiedergeburt? Geht es noch toter als tot? Wäre ich als Vogel glücklicher?
Die Einsamkeit ist lila. Sie pinselt mal wieder gründlich mein Innenleben aus. Ich überlege mir einen Geruch für sie. Vielleicht riecht sie nach nichts.
Ich weiß nicht, wohin mit mir. Die Jahre hängen an mir wie Ketten. Manchmal wünsche ich mir eine Amnesie - ein Grabtuch für mein Gedächtnis. Ich wäre frei von den Ketten: meinen Eltern, den Erinnerungen an meine Liebe, den Erinnerungen an Schule und Beruf ...
Das Glück ist ebenso unbestimmt wie die Verrücktheit. Es lässt sich nicht festhalten. Ich hatte eine Menge Glück. So viel verteufeltes Glück.
Da läuft man in sich zusammen wie ein zu heiß gewaschenes Wäschestück - bei den Zukunftsaussichten. Kann es denn kein Jahr ohne eine irgendwie geartete Misere geben? Warum drückt es einen immer wieder die Luft ab? Sich die Leichtigkeit ins Herz zu holen - muss ich dazu erst senil werden?
Die Unbeschwertheit des Kindes erscheint mir kaum noch wirklich in Erinnerung zu sein. Zwischendurch erfasst mich die Abenteuerlust wie ein frischer Wind von der See. Ich beginne von Reisen und Unternehmungen zu träumen, von Freiheit und einem neuen Leben. Ich sehne mich nach Menschen, die diese Freiheit leben, die mir etwas zu sagen haben, an die ich mich anlehnen kann ...
Doch die Wirklichkeit ist ein Käfig in einem Zirkuszelt. Allein tröstlich zu sehen, dass man einer von unzähligen dressierten Affen ist. Es gibt wenige, die sich verweigern. Was bringt es auch als Ärger und Existenzprobleme. Mit Schaudern denke ich an die mir noch verbleibenden Jahre. Sie schmelzen dahin wie Schnee im Frühling, und ich sitze dabei auf meinen Träumen, meiner Sprache und einem Leben, das sich im Kreise dreht.
Die Tragik lässt sich nicht aus dem Leben verbannen. Sie ist eine Gesetzmäßigkeit. Wenn man jung ist, glaubt man, dass sie stets von außen kommt; aber mit dem Alter erhärtet sich die Erkenntnis, dass die Tragik in die Seele eingewoben ist. Manchmal ist es gar zum Lachen - als hätte man Dope geraucht. Alles ist urplötzlich komisch, sich selbst eingenommen. Würde man mich fragen, warum ich lache, ich könnte es nicht sagen. Vielleicht tut sich plötzlich ein Spalt auf, der mich das Skurrile der Welt erblicken lässt; oder ich entdecke, dass der Lebensernst lediglich ein Anstrich ist, der abblättert. Das Leben als Tragikkomödie. Der Sterbende hat gut Lachen - er hat es geschafft!
Heute trinke ich auf das Leben! Heute ist heute. Zwar nicht das beste, aber was weiß ich vom morgigen?
Der heutige Tag ist ein Spundloch - finster und öde. Der Wein schwer wie meine Gedanken. Ich brauche keine Schwerkraft - ich würde auch im Weltall senkrecht stehen. Richtung Urknall. Es gibt sowieso nur eine Richtung. Ist das nicht witzig?
Und was kann ich über die Liebe stöhnen. Wenn das alles hörbar wäre, was die Menschen über die Liebe stöhnen, es würde den "Verkehr "übertönen. Da bin ich mir fast sicher. Ein Gejaule wäre das wie von einer hungrigen Hundemeute, oder wie wenn der Wind durch ein Gewölbe fährt - gespenstisch ...
Ach, die Liebe - manche morden für sie, und andere spielen mit ihr.
Heben wir das Glas auf die Liebe! Sie schmeckt köstlich, hat aber leider
eine Menge Nebenwirkungen.
(Und es gibt keinen Beipackzettel.)
Man könnte meinen, dass es sich ohne Erwartungshaltung leichter leben ließe. Aber komisch, ich bin trotzdem enttäuscht. Es ist einfach unangenehm, wenn es schlecht läuft. Man krankt am Leben. Wie oft krankte ich schon am Leben? Es kennt nur eine Richtung, und im Kopf herrscht Kreisverkehr.
Ich muss kein Prophet sein, um mich älter werden zu sehen ... bis zum Tod. Eigentlich sollte mich diese Sicherheit beruhigen, doch tut sie es nicht. Wohl eher sehe ich darin einen Fluch.
Aber scheiß drauf! Auf das Leben! Auf heute!
Auf das Ableben, haha!
Immer wieder muss ich über die Flüchtigkeit im Leben nachdenken - wie die Zeit vergeht und alles mit sich nimmt, schöne und hässliche Erlebnisse, wie man altert und die Jugend verliert, wie Menschen ins Leben treten und das Herz leer hinterlassen ... Mein Stolz war verletzt, als sie mir sagte, dass sie sich unsere Beziehung nur als Freundschaft vorstellen kann, allerdings mit Sexeinlage. "Wir haben einfach zu unterschiedliche Lebenseinstellungen", meinte sie. Auf der anderen Seite könne sie sich aber nicht vorstellen, mich nicht mehr in den Arm zu nehmen, und so weiter ... Wir saßen vorm Kaffeehaus und genossen die letzten Strahlen der Abendsonne. Sie trank Bananenweizen. Ich zog meine Hand von ihr zurück. Alles in mir verfinsterte und verhärtete sich. "Ich bin also nichts weiter als ein Notnagel für dich", sagte ich und trank hastig von meinem Bier. Ich wollte allein sein mit meiner Enttäuschung und meinem Schmerz. Sie schwieg und startete auf dem Weg zum Auto noch einen Annäherungsversuch, den ich abschüttelte.
Wir haben wirklich ziemlich verschiedene Lebensanschauungen. Sie ist materialistischer eingestellt, was sie auch unverhohlen zugab. Sie träumt von einer Karriere im Vertrieb von Kosmetik- und Körperpflegeprodukten. "LR" heißt die Zauberfirma. In der Realität lebt sie in Scheidung, hat zwei Jungs im Alter von Zehn und Sieben und muss 50% als Nachtwache im Altenheim arbeiten, um über die Runden zu kommen. Bei der Arbeit hatten wir uns auch kennen gelernt.
Wir redeten selten über Politik, da schnell klar war, dass wir auf diesem Feld unterschiedlich gepolt sind.
Vorm TV kristallisierte sich diese Unterschiedlichkeit am Stärksten heraus. Während ich bei Problemfilmen mit litt, mich bei politischen Fernsehdiskussionen ereiferte, bevorzugte sie leichte Komödien mit viel Flitter und konnte sich nicht satt sehen am Leben der Reichen und Schönen. Da kam es schon mal vor, dass ich darüber ablästerte ... Wer lässt sich aber schon gern seine Träume ausreden? Sind Träume von Reichtum und schönem Leben nicht allzu verständlich?
Mir sind Ideale wie Freiheit und Gerechtigkeit wichtiger. Doch habe ich den Eindruck, dass dies nicht gerade "en vogue" ist.
Die beste Übereinstimmung hatten wir beim Sex. Ihr Ehemann muss eine ganz schöne Niete gewesen sein. Am meisten ärgert mich, dass sie wohl recht hat mit ihrer Einschätzung - eine richtige Partnerschaft wäre bei solchen Unterschieden im Denken schwer möglich gewesen. Ich war dumm, als ich mich in sie verliebte. Blind und dumm (ist ja meist ganz normal in einem solchen emotionalen Ausnahmezustand). Jetzt blutet das Herz erneut, und der Stolz hängt in den Seilen. Natürlich hätte ich es gestern noch abbiegen können, vorm Kaffeehaus oder auf dem Nachhauseweg, und wir würden einfach so weitermachen, freundschaftlich und sexuell ...; bis sie mich dann eines Tages abserviert hätte - Männer, die wie sie materialistisch drauf sind, gibt`s schließlich wie Sand am Meer. Ich, ohne Kfz und mit einer bescheidenen 1 1/2 Zimmerwohnung, könnte und wollte da gar nicht mithalten.
Außerdem bin ich nicht so größenwahnsinnig zu glauben, dass ich der beste Stecher weit und breit bin.
Nein, besser ich schlage die Türe hinter ihr zu, als dass ich zeitbegrenzt hauptsächlich als Objekt ihres sexuellen Appetits diene.
Leichter ließe es sich freilich ohne diesen Stolz und die ganzen Ideale leben. Ist mein Idealismus Heuchelei? Aber ich mag nun mal keine Menschen, die im Luxus schwelgen; und davon zu träumen, verbiete ich mir. Das Totschlagargument Neid ist es nicht. Ich empfinde tiefe Abscheu gegenüber allem, was unverhältnismäßig und ungerecht ist. So gesehen fühle ich sozialistisch. Ich kann mir gar nicht vorstellen, dass man anders fühlen kann.
Good Bye, My Love.
Die Bundesversammlung tritt für die Wahl des Bundespräsidenten zusammen. Gauck oder Wulff.
Ich denke, dass Wulff, der Kandidat von Schwarz-Gelb, bereits im 1. Wahlgang gewählt wird.
Eine Restspannung bleibt. Ich will nicht aufhören zu hoffen, dass Gauck es doch schafft. Ebenso hoffe ich, dass die deutsche Elf am Samstag gegen Rumpelstilzchen Maradonas argentinische Truppe als Sieger vom Platz geht. Beide Fälle wären positive Überraschungen für mich.
Morgen früh starte ich in den Urlaub, werde die blaue Donau von Ulm nach Bratislava hinunter radeln. Nachdem ich letztes Jahr einiges Pech mit dem Wetter hatte, hoffe ich diesmal auf schöne Sommertage. Es lässt sich schon mal gut an. Zum Endspiel der WM werde ich vielleicht in Wien sein. Vielleicht wird die deutsche Mannschaft das Endspiel bestreiten. Vielleicht bin ich dann bereits braungebrannt und ganz beseelt von der schönen Tour. Warum sollte nicht alles mal richtig gut laufen?
Noch eine halbe Stunde, bis die Bundesversammlung zur Wahl schreitet.
Ich schaue nebenher Phoenix, hole schon mal Zelt und Schlafsack aus der Kammer, bereite ein paar Reiseutensilien vor. Heute Abend werde ich alles zusammenpacken und das Fahrrad satteln, denn es geht morgen sehr früh los. Der Zug nach Ulm fährt zehn vor Sieben ab. Ich werde kaum schlafen vor Reisefieber. Wenn ich erstmal in Ulm bin, an der Donau die ersten Kilometer entlang strample, werde ich mich peu à peu entspannen.
Heute ist es etwas diesig. Ich schalte noch mal die Waschmaschine an, damit ich meine Lieblings-T-Shirts mitnehmen kann. Um die innere Unruhe zu dämpfen, trinke ich eiskaltes Cola-Weiß. Die Wärme drückt schon wieder in meine kleine Dachwohnung.
So, nur noch wenige Minuten bis zur Bundespräsidentenwahl. Schon komisch. Wahrscheinlich wird Gauck keine Chance haben. Falls doch ein Wunder passieren sollte, werde ich wie bei einem WM Tor der deutschen Mannschaft einen kurzen, heftigen Jubelschrei ausstoßen. Und die betretenen Gesichter von Schwarz-Gelb wollte ich dann sehen. Merkel würden die Mundwinkel bis auf die Schulter hinab hängen ...
Wie auch immer. Euch eine schöne Zeit!
Es ist Urlaub. Es ist nicht Urlaub. Es ist. Es ist nicht. Es ist Ich. Es ist umsonst. Es ist niemals umsonst. Es ist vergeblich. Vergeblich. Vergeblich. Vor ein paar Tagen überlegte ich mir, dass wir Menschen alle Teufel sind, aber dass es für uns ganz normal ist, teuflisch zu sein. Und darum merken wir`s also gar nicht wirklich. Wir merken es nicht, können es unmöglich merken, dass wir alle kleine Teufel sind. Klein oder groß. Dem Mechanismus ist es egal. Aber ich habe Urlaub. Für vier Wochen steht die Arschwischmaschine in der Garage. Noch bin ich verwirrt und frage mich, wer ich sonst noch bin.
Gut oder böse. Ein großer oder ein kleiner Teufel.
Es ist Ich. Es ist nicht Ich. Es ist egal. Es kann nicht egal sein. Ich lache. Nein, ich lache mit Tränen. Oder weine ich mit einem Lachen? Vergeblich. Als ich deine Hand hielt - war es vergeblich? Wie viele Hände hielt ich? Wie viele Hände hielten mich? Ich schleiche ums Haus. Es ist meterhoch umwuchert von Gras und Unkraut. Ich bin Teil des Flusses. Alle Gedanken kommen wie Styropor an die Oberfläche.
Ich schätze, ich bin mal wieder gefickt!
Es ist wieder so weit. Die Welt spielt Fußball, und feiert! Diesmal in Südafrika. Freude und Begeisterungen wirken über alle Grenzen hinweg ansteckend. Der graue Alltag rückt ein Wenig in den Hintergrund. Probleme und Sorgen hängen vier Wochen lang in der Warteschleife - jedenfalls oberflächlich. Der Fokus der Öffentlichkeit ist auf den einen Ball gelenkt, und der ist rund wie die Erde; und farbenfroh wie die Welt wird in Südafrika allemal gefeiert und getanzt. Ein interessantes und schönes Land darf sich von seiner besten Seite zeigen. Die Fußball WM in Afrika ist hoffentlich ein positives Zeichen für die Emanzipation dieses großen Kontinents und seiner Menschen in der Welt.
Ich fiebere mit der deutschen Elf, dass sie die Vorrunde übersteht. Auf der sportlichen Ebene ist ein gewisses nationales Verbundenheitsgefühl, wie ich finde, verzeihbar. Ich würde allerdings nie eine Deutschlandfahne aus dem Fenster hängen, oder mein Auto (hätte ich eines) mit Fähnchen schmücken, und schon gar nicht würde ich mir ein Nationaltrikot überziehen. Doch jedermann soll nach seiner Facon feiern, solange es fröhlich und friedlich zugeht.
Mal sehen, wie das Spiel der Deutschen gegen Australien heute Abend ausgeht. Ich finde es schwierig, einen Tipp abzugeben, weil ich, ehrlich gesagt, nicht recht weiß, wie gut die deutsche Mannschaft wirklich in Form ist, wie gut sie Trainer Löw auf die WM einstellte. Und von der australischen Mannschaft weiß ich eigentlich gar nichts. Spielte Deutschland überhaupt schon mal gegen die Aussies?
Wie auch immer. Ich werde mir einen Kneipenfernseher suchen und in der Nähe der Zapfhähne der Dinge harren, die da kommen.
Euch auch viel Spaß!