Die Arschwischmaschine hat frei
Manchmal frage ich mich, warum ich keine Kinder habe. Und dann denke ich, dass es sowieso zu spät ist jetzt. Muss man denn Kinder haben wollen? Bin ich irgendwie unnormal, weil ich nie wirklich den Kinderwunsch verspürte? Mit Sicherheit verpasste ich somit die von der Natur vorgesehene Weiterentwicklung zur Elternschaft. Ich werde viele wunderbare Ereignisse nicht erleben, bzw. sie nur aus meiner Erinnerung heraus aus der Sohnperspektive nachvollziehen können. All das Glück, was meine Eltern mit mir hatten, vom ersten Milchzahn bis zu den Männlichkeitsritualen, also den ersten Besäufnissen ...; wie groß muss ihre Liebe gewesen sein? Liebe ist eigentlich ein viel zu schwaches Wort dafür, was Eltern gegenüber ihren Kindern empfinden müssen. Durch meine Kinderlosigkeit habe ich mir freiwillig die Chance auf dieses Gefühl und die damit zusammenhängende Erlebnisbreite sowie Reife genommen. Wenn ich mir überlege, was manche Paare andererseits auf sich nehmen, um ein Kind zu bekommen ... Ist die Welt nicht verkehrt, dass jene, die sich unbedingt Kinder wünschen, sie nicht einfach bekommen können, währenddessen ein Potenzkamerad wie ich sein Sperma sozusagen zum Fenster heraus wirft?!
Über die Gründe, warum ich keinen Nachwuchs will, kann ich selbst nur mutmaßen: Zusammengefasst: 1. Ich wollte nie heiraten. 2. Ich bin definitiv zu faul. 3. Es gibt meiner Meinung nach mehr als genug Menschen auf der Welt. 4. Ich finde es ungeheuer, dass ich für einen neuen Menschen, ein neues "Ich" mitverantwortlich bin ...
Es sind gleichermaßen rationale wie irrationale Gründe, - vielleicht weniger emotional als bei jenen, welche sich unbedingt fortpflanzen und in diese Welt eine Nachkommenschaft entlassen wollen. Ich weiß nicht, denn ich kann real nicht nachvollziehen, warum das Erwachsenenleben notwendigerweise mit einer Elternschaft verknüpft sein soll. Ich finde es ganz gut, dass die Zahl der Singlehaushalte anwächst. In meinem Alter finde ich meist nur Frauen nach Scheidungen oder kurz davor, alleinerziehend mit mehr oder weniger schwierigen Kindern. Anfangs geht das auch ganz gut, weil diese Frauen eh erstmal keine feste Bindung eingehen wollen, aber wenn dann doch richtige Liebe im Spiel ist, kommt die Familie mitsamt Kindern also auf Umwegen auf mich zu. Nun lehne ich Kinder nicht ab - da würde man meine Haltung gänzlich falsch verstehen - aber ich will kein Vater sein, auch nicht von anderen Kindern. Bestenfalls will ich ihnen ein Kamerad oder (sogar) Freund sein. Dummerweise gerate ich in der Praxis früher oder später in eine Zwickmühle, weil es gar nicht einfach ist, sich nicht einzumischen. Am Besten läuft es, wenn die Kinder bereits groß sind und ihre eigenen Wege gehen. Na ja, in wenigen Jahren bin ich auch schon Fünfzig. Mit Omas ist es hoffentlich unkomplizierter.
Als Zwanzigjähriger dachte ich nicht darüber nach, wie schwierig es für mich als Dauersingle mal werden sollte. Ich sah nur die Vorteile, vorallem meine Freiheit. Nein, auch heute bedaure ich meine Haltung nicht. Allerdings hätte ich mir nicht vorgestellt, dass ich immer wieder indirekt durch die Scheidungsgeschichten und Erziehungsprobleme anderer dann doch in die ganze Familienmisere und die Verantwortungsfrage hineingezogen würde. Alles fordert seinen Tribut. Ich wollte keine Kinder, aber auch nicht ins Kloster. Heiraten war mir schon als Kind irgendwie suspekt. Und Familie empfand ich die meiste Zeit als eine Bürde, als ein Muss ...
Die Jahre vergingen. Ich hatte meine guten und schlechten Tage. Ich liebte. Ich durfte viel lieben; das hätte ich gar nicht gedacht, wo ich doch in gewisser Weise mit meiner Einstellung ein Sonderling bin.
...
Nachsatz:
Wenn Kinder erstmal da sind, sollten wir ihnen auch eine gute Zukunft bereiten, und Chancen zur Selbstverwirklichung. Aber die Bedingungen sind in einer Leistungsgesellschaft nicht gerade die Besten. Wo bleiben unsere schwachen Kinder, die doch ebenso liebenswert sind?? Schon bei den Kindern rutschen wir in eine Zweiklassengesellschaft. Chancengleichheit ist eine Schimäre. Finanzschwache und alleinerziehende Eltern sind benachteiligt. Sie kämpfen oft wie die Löwen, doch es werden ihnen immer wieder Steine in den Weg gelegt. (An dieser Stelle meine Hochachtung vor alleinerziehenden Frauen.)
Ich kann gut verstehen, wenn manche Mütter am Liebsten den Bettel hinschmeißen würden. Sie leisten unglaubliches, wenn sie gleichzeitig mit Scheidung, altem Partner, neuem Partner, den Eltern, den Schwiegereltern, natürlich und vorallem den Kindern und schließlich noch mit einer Berufstätigkeit zu tun haben.
Es gibt nach wie vor viel zu wenig Unterstützung durch die Gesellschaft für solche problematischen Lebenslagen; dabei wäre es eine sinnvolle Investition, weil Folgeerkrankungen der Kinder und Eltern vorgebeugt würde. Wir fordern ständig Leistung, aber ermöglichen erst gar nicht, dass die Schwachen und Benachteiligten eine gerechte Chance bekommen.
Hamburg
Samstag Vormittag angereist / Stadtbummel / Rathaus und Jungfernstieg im Sonnenschein / Speicherstadt erlaufen / Am Abend Straßenfest in der Langen Reihe / Müde im Hotel abgelegt / Klitschko gewinnt seinen Titelkampf durch K.O. / Schnarch ...
Sonntag - sehr früh aufgestanden - in die U-Bahn nach Landungsbrücken / kopfschüttelnd registriert, dass Lena Meyer-Landrut den Song Contest gewann / im Fischmarkt den Durst gestillt / die verregnete Reeperbahn / Mittags ins Kino: "Die Friseuse" / Danach ein Nickerchen im Hotel / Es regnet wie aus Kübeln / Keine großen Sprünge mehr / In einer Schwulenkneipe bei ein paar Bier trockengelegt / Schließlich ein großes Schnitzel im Bahnhofsrestaurant "Schweinske" / Müde bin ich, geh zur Ruh ...
Montag: Rückreise / Vorher noch ein Kaffee im "Schweinske" / Im Zug sogleich das Bordrestaurant angesteuert / Ich höre vom Rücktritt Horst Köhlers / Auch in der Heimat regnet es / Die letzte Strecke mit dem Taxi ...
Fazit: Hamburg ist eine bezaubernde Großstadt, die ich gerne wieder besuchen will.
AAAAAaargh!! Was passiert mit mir?? Hölle noch`mal, das darf nicht sein!! Aaaarrrrggghhh!!! Ich verwandle mich! Himmel! Was soll das?? Was passiert mit mir???!! Neeeeeiiin! Unmöglich!!
AAAAAAArrrghhhhh-Würg-Spuck!
Ich sterbe! Nein, ich sterbe nicht ...
Wer bin ich?
Verdammt ... aaarrgghhhh ... seufz ... kratz
... hat mir da jemand was ins Bier?
Die Bedeutung von Erinnerung wird ungeheuer unterschätzt, da wir seltsam und selbstverständlich mit ihr leben und uns in keinem Moment vorstellen können, ohne Erinnerung zu sein - ich meine nicht den partiellen Gedächtnisverlust nach einer berauschenden Nacht oder nach einer Gehirnerschütterung - ...; wir können nicht wissen, wie ein Leben ohne Erinnerung ist, da uns niemand aus eigener Erfahrung/Erinnerung davon erzählen kann.
Warum ist die Welt, wie sie ist? Um in ihr alt zu werden, unter dem Sternenzelt gefangen, zu glauben, zu lieben und zu hassen. Alles steht sich gegenüber, und ist gleichsam aufrecht. Die Ebenen krümmen sich, und ebenso die Ideologien. Ehe man sich versieht, macht man das Konträre von dem, was man erdachte. Wir laufen uns selbst hinterher - und aus der anderen Perspektive vor uns weg.
(Die Musik spielt: "Es lebe der Zentralfriedhof" von Ambros.)
Ich plage mich mit Gedanken-Nekrosen. Ich trage sie ab, und manchmal schneide ich das Gesunde mit heraus. Auch die Liebe. Die Zeit heilt, und ich spucke drauf ...
Die Gedanken müssen befreit werden. Sie liegen in Ketten. Der Alltag schlägt seinen Rhythmus und macht müde. Wir sind versklavt im Leben. Die Ketten, die ich sprenge, werden beinahe augenblicklich wieder durch neue ersetzt. Der Henker ist eine Frau mit Kapuze, ansonsten nackt. Ich kriege einen Harten, als er/sie mir die Schlinge um den Hals legt. Das ist Leben. Das ist mein Unglück - und aus der anderen Perspektive mein Glück.
Ich trinke den Wein aus einem Krug. Doch ich kann nicht ertrinken. Niemals. Das Bad in der Sentimentalität mit tausend Lichtern am Fluss der Tränen ... Es endet, wenn es am schönsten ist. Wie die Liebe. Und dann, nach ein paar Jahren der Gewohnheit und abgedrückten Gefühle, gilt es wieder, die gebildeten Nekrosen herauszuschneiden. Es ist zum Lachen - ein grausamer Humor.
Warum zur Hölle kommen wir nicht um die Tragik herum? Es gibt keine Befreiung, nur Illusion.
Ein Trupp Bauarbeiter und eine riesige Dampfwalze teeren die Straße des Lebens. Auf der Dampfwalze sitzt der Teufel. Ich spüre bereits seine Hitze im Nacken. Nur gut, dass es Besenwirtschaften gibt, denke ich, und Biergärten. Der Krug ist leer.
Mein Leben ist leer.
Ich sitze mit dem Bundestag, dem Blick auf die Fassaden
der Nachbarhäuser und einer Dose Bier im Vormittag
wie in einer alten Schuhschachtel ...
Zwischendurch surfe ich durchs Netz über Blogs, Nachrichten,
Zeitgeist und Pipilotti. Den Ton des Bundestages habe ich ab-
gedreht. Dafür höre ich Musik aus meinem Computer.
Der Himmel hat in Etwa die Farbe der Bierdose, nur ohne
Aufschrift. Eine Frau schüttelt auf ihrem Balkon Teppichläufer
aus. Im Bundestag klatschen sie gerade, sehe ich aus dem
Augenwinkel. Ich hole mir ein frisches Bier aus dem Kühl-
schrank.
Es tut sich wenig. Nicht mal ein Gedicht rutscht mir raus.
Wenn ich Indianer wäre, würde ich mich "Alter Schuh, Der Am
Computer Sitzt" nennen. Jedenfalls jetzt. Ich entdecke ein
Wolkenloch. Die Zeit verrinnt als wäre die Welt eine Uhr
mit einem zeigerlosen Zifferblatt aus frischem Zement.
Kurz reisst mich der Midnight Oil Song "Jimmy Sharman`s
Boxers" mit. Eingängiger harter Rhythmus ...
Alles ist starr. Kein Lüftchen weht. Die Bundeskanzlerin im blauen
Jackett. Ich lese den Untertitel: "Aussprache zur Regierungs-
erklärung". Warum lasse ich es laufen? Warum steige ich nicht aus
der alten Schuhschachtel und gehe ...
nach Thailand oder wenigstens zum Bäcker?
Obwohl es seit Bestehung der Erde offensichtlich ist, worin der Unterschied zwischen Mann und Weib besteht, übt das Diskutieren darüber nach wie vor einen aphrodisierenden Reiz aus. Es ist gerade so, dass das Herausstellen der Unterschiede, die Beteiligten betört und erregt. Dabei geht es nicht unbedingt und überwiegend über die biologischen, unterschiedlichen Geschlechtsmerkmale, erogene Zonen und hormonelle Ausrichtungen. Einen Gutteil des aufflammenden gegenseitigen Interesses wird durch schlichte männliche sowie weibliche Rhetorik bewirkt. Ich würde von einem rhetorischen Tanz reden. Und je nach Geistesgröße der Beteiligten fallen solche Unterhaltungen sehr unterschiedlich aus. Die Liebe ist neben dem Tod der beste Gleichmacher. Mann und Frau gackern ab einem gewissen Status der Verliebtheit - für Zuhörer absolut unverständlich. Sinn und Logik verlieren ihre Bedeutung.
Es wurde ein Hebel umgelegt, nicht unbedingt bemerkt, und keine Macht der Welt könnte die Verliebten in ihrer Zugeneigtheit und Triebhaftigkeit aufhalten. Plus und Minus ergänzen sich paradox durch eine formgebende Anziehung - ähnlich der Gravitationskraft, - weitläufig stark. Die Identifikation als Frau oder Mann muss vehement über die Biologie hinaus gehen, sie muss universeller Natur sein. Als Mann spüre ich sofort, wenn in einem Raum eine oder mehrere Frauen zugegen sind, - selbst wenn mir die Augen verbunden wären. Diese geheimnisvolle Anziehung kann ein sensibles Gemüt freilich auch verunsichern. Ich sah schon gestandene Männer sich in die letzte Ecke verkriechen, wenn ein Vollweib die Szene betrat. Manche Frauen und Männer wirken wie Naturkräfte auf ihre Umgebung, - sie beherrschen sie nach Belieben. Die Augen der Anwesenden richten sich nach ihnen wie Magnetspäne aus. Sind für dieses Phänomen allein die Pheromone verantwortlich, wie einige Wissenschaftler meinen? Ich glaube, dass da ganz andere Mächte im Spiel sind, Mächte, die im Wesen der Welt begründet liegen, - wie Himmel und Erde, wie Licht und Dunkelheit, Yin und Yang.
Genug der Theorie! Betrachten wir die fließenden Kräfte zwischen den Geschlechtern in der Praxis. Lauschen wir der Magie des Liebesgezirpes, der Kontaktaufnahmen, des Flirts. Wenn man sich unter das Volk mischt, wird man öfter als man denkt Zeuge dieses Wunders, - welches der Anfang von Allem ist. Schließlich ist jeder von uns ein Ergebnis dieses Energieflusses zwischen Mann und Frau, welcher süß und sprudelnd wie eine Quelle irgendwo seinen Anfang nimmt: in der Straßenbahn, an der Wursttheke eines Supermarktes, beim Gassigehen, beim Elternabend, in der Disco und Kneipe oder immer öfter am Desktop des PCs.
Ja, ich glaube, dass noch nie so viel geflirtet wurde wie zu Zeiten des allen zugänglichen Internets. Isoliert von den biologischen Reizen wird auf Blogs und in Foren rein verbal die zwischengeschlechtliche Spannung und Anziehung spielerisch auf virtueller Ebene erzeugt. Die Sprache formt sich zum Gegenüber, zur Persönlichkeit, zu Mann oder Frau, - wobei deutlich wird, dass das gegenseitige geistige Eindringen verflucht sexy sein kann. Selbstverständlich auch abstoßend, wenn Menschen ihr Blatt überreizen oder das feine subtile Spiel mit Sprache nicht verstehen. Wie in der wirklichen Wirklichkeit stößt man im Internet auf eine ungeheure Vielfalt von Ausdrucksmöglichkeiten, wo es individuelle Anziehungs- und Abstoßungspunkte gibt.
Ohne den Sex, und ich meine hierbei nicht den plakativen, aufdringlichen, überbordenden Sex wie auf den vielfachen Erotik- und Pornoseiten, ... ohne den Sex, welcher zwischen Mann und Frau quasi in der Luft (oder im Fall des Internets im Netz) liegt, welcher Frühling, Aufbruch und Abenteuer bedeutet, ... ohne den Sex, der die Lebenssäfte fließen lässt, der uns mit wonniger Wärme umspült und uns prickelnde Schauer über die Haut jagd, ... ohne diesen Sex wäre ewige Polarnacht auf der Welt.
Alles ist Sprache, alles ist Sex ...
... Virtualität wird in unserem Kopf schon immer erzeugt. Der Kontakt mit unserer Außenwelt basiert auf dieser Virtualität. Das Ganze ist wie ein fein abgestimmtes Computerspiel, welches wir Realität nennen. Da wir keinen Kontakt mit der dahinter liegenden Ebene aufnehmen können, bleibt Wirklichkeit, was eigentlich Illusion ist. Unsere Gehirne sind Teil eines Megacomputers. Sie sind die Software, welche Erleben ermöglicht. Das Spiel nennen wir Leben. Es beginnt, wenn sich die Komponenten ergeben und hört auf, wenn sich die Komponenten auflösen. Für jeden Sterblichen läuft dieses eine Programm ab, in welchem er hoffnungslos gefangen ist. Dasselbe gilt auch für die Umgebung, die Natur, die Tiere und Pflanzen. Alles begann vor gut 14 Milliarden Jahren. Es konnte nur so werden, wie wir es heute und jetzt wahrnehmen. Wissenschaftler reden vom Antropischen Prinzip. Die Anfangsbedingungen mussten uns bereits als Möglichkeit enthalten. All is fixed. Der Gedanke an ein Marionettendasein ist nicht abwegig, wenn ich verstandesmäßig stringent die Idee einer Inszenierung - wer auch immer dahinter stecken mag - verfolge.
Wirklichkeit und Illusion sind nur in Bezug auf das für uns Machbare unterscheidbar. Wir sehen die Welt als real an, weil wir es glauben müssen. Wir werden mit dem unbedingten Glauben an die Realität geboren. Allerdings gibt es beim Menschen einen Fehler im Programm. Er besitzt die geistige Potenz, sein Dasein an sich zu hinterfragen. Vielleicht aber auch kein Fehler -, wenn denn der Mensch diese Möglichkeit des Hinterfragens gnadenlos anwendete und sich nicht in unbefriedigenden Teillösungen und religiösen Hirngespinsten verlöre. Der Mensch sitzt Wand an Wand mit seinem Schöpfer. Er wird darum zur tragischen Figur. In seinem Unvermögen, diese Wand zu durchschauen, versucht er selbst Schöpfer zu spielen, - kompensiert sein Gefangensein und seine Ohnmacht auf der einen Seite mit Machtgebaren und Allmachtsphantasien, auf der anderen Seite mit Unterwürfigkeit bis zur Selbstgeißelung und Selbstzerstörung. Das Spiel des Menschen muss tragisch enden. Auch dies ist Programm. Virtualität wird zur grausamen Wirklichkeit, weil die letzte Wand zur dahinter liegenden Ebene niemals fallen kann. Viele Menschen bilden sich ein, durch religiösen Glauben genau diese Grenze meistern zu können. Und viele Menschen verlieren sich ganz im Materialismus, als wären sie Zombies (lebendig tot), die sich wie Viren über den Erdball verbreiten. In der Tat sieht es heute danach aus, als ob der Kapitalismusgedanke die Welt wie eine Krake fest im Griff hat. Ich sehe all dies als notwendige Konsequenz unseres Daseins und damit allen Daseins an, weil es nicht geben kann, was es nicht geben darf, bzw. was nicht bereits im Plan als Möglichkeit vorgesehen ist.
Es stellt sich letztendlich die Frage, ob wir die Welt als für uns verhängnisvolle Illusion sehen, aus welcher es keinen Ausweg gibt, oder ob wir realitätsgläubig immer wieder gegen die Wand laufen, - paradoxerweise doch glauben, irgendwann durchzusteigen.
Niemand kann das Programm aufhalten, dessen Teil wir sind, - nur das Programm selbst. Möglich, dass ja ein Quantensprung unseres Bewussteins vorgesehen ist, in hoffentlich absehbarer Zeit, denn allzu lange gebe ich der Menschheit, wie sie sich gegenwärtig darstellt, nicht mehr. Möglich, dass wir wie einst die Dino Saurier für immer vom Erdball verschwinden. Der Tod ist nur ein Programmpunkt, wie die Geburt. All is fixed. Alles geht unweigerlich weiter. Mit uns und ohne uns. Mit mir und ohne mich. Mit dir und ohne Dich.
Ich lag auf dem schmalen Zahnarztstuhl. Meine Schultern waren zu breit. Ich legte die rechte Hand in meinen Schoß. "Den Kopf ein klein Wenig zu mir und die Zunge ganz locker", sagte der Dentist. Er hatte bereits beim letzten Termin, als der Abdruck gemacht wurde, Probleme gehabt. "Sie haben einen kleinen Mund", wiederholte er, "dabei eine große Zunge und ausgeprägte Kaumuskeln." Er war sichtlich bemüht, während ich den Mund, soweit es ging, aufriss, mit der Behandlung weiter zu kommen. Die Feinarbeit erledigte schließlich die Zahnarzthelferin, während mir vom langen Mundaufsperren der Kiefer bis hoch zu den Schläfen schmerzte. Die ganze Prozedur war eine selbst auferlegte Folter, die mich zudem noch einen Haufen Geld kostete. Ich röchelte unter dem Absauger, versuchte ruhig durch die Nase zu atmen - dummerweise war ich leicht erkältet ... Das "Krönchen" musste angepasst werden. Es ging um einen Backenzahn, der bereits plombiert, vor ein paar Wochen abgebrochen war. Früher oder später hat es kommen müssen. Nach vier Sitzungen inklusive Zahnreinigung war es schließlich soweit: die Teilkrone wurde aufgesetzt. Der junge Zahnarzt, der die Zahnbehandlung durchführte, war nicht wenig gefordert. Bis Dato wusste ich nicht, dass ich einen solch kleinen Mund hatte ... Ab und zu schloss ich die Augen. Ich musste durchhalten. Ich wollte es endgültig hinter mich bringen. Links von mir sah ich aus den Augenwinkeln das Riesenrad, welches für das nahende Frühlings- und Weinfest bereits aufgebaut worden war. Über mir an der Decke hing ein Bild von einem Palmenstrand, welches wohl zur Beruhigung der Patienten gedacht war. Ein Bild von Picasso hätte mich mehr von der Tortur abgelenkt. Ich kam mir mit meinem weit aufgerissenen Maul in der nach hinten geneigten Position ... ziemlich abstrakt vor - während Zahnarzt und Helferin in meinem Mund irgendwie krampfhaft herum werkelten mit Bohrer und Absauger, irgendwelchem ekelhaften Flüssigkeiten, welche sie reinsprühen mussten, und Materialien mit denen sie meine Backe auspolsterten.
Endlich nach einer guten Stunde saß die Krone auf dem Zahn. Ich wollte bereits aufatmen. Doch der junge Dentist war Perfektionist ...
Da ich die Schmerzen nicht mehr ausgehalten hatte, musste ich mitten in der Behandlung gespritzt werden. Meine halbe Zunge sowie meine linke Backe waren völlig taub. Ich sollte nun noch ein dutzend Mal auf irgendwelche hauchdünne Blättchen beißen und dem Zahnarzt sagen, wie es sich für mich anfühlte. Ich fühlte den erneuerten Zahn etwas zu hoch beim Aufbeißen - wahrscheinlich hätte er noch ewig an der Krone und den umgebenden Zähnen herum geschliffen und poliert , wenn ich ihm nicht zu Erkennen gegeben hätte, dass nun alles ganz okay sei ...
Schließlich reichte er mir einen Handspiegel, damit ich stolz das Ergebnis seiner Arbeit sehen konnte. Also blickte ich aus einer sehr unvorteilhaften Perspektive auf meine Fresse sowie in den zu kleinen Mund mit der Porzellankrone links unten. Mann, war ich häßlich! Ich nickte dem Dentisten anerkennend zu und brummte: "Hmmm ..."
Endlich schwang ich mich von der schmalen Pritsche, stellte mich nach ca. 90 Minuten heftig gefühlter Ausgeliefertheit und Qualen auf die Füße, drückte zum Abschied die Hand des Dentisten und entschuldigte mich für meinen kleinen Mund.
Auch bei der Zahnarzthelferin bedankte ich mich. Es war früher Vormittag, als ich die Praxis verließ. Ich schwankte zwischen Erleichterung und Irritation. Life goes on. Mit der halbtauben Fresse fühlte ich mich unter meinen Mitmenschen recht seltsam. Gleichzeitig hatte ich wie selten das Gefühl, zu ihnen zu gehören ...
Alles leer. Die Bedeutung wurde ausgegossen. Der Geist war eben nur Geist und verschwand wie ein Mond hinter den Wolken. Anfangs schimmerte noch eine Ahnung von Etwas durch. Doch dann kam die Finsternis über den Himmel, als gäbe es nur Schmerz und eine Sehnsucht ohne Ziel. Der Ochse blutete aus. Ich denke an Gedanken mit kalten Nasen. Und ich denke daran, dass alles ein Augenblick ist. Nur der Kreislauf hält uns aufrecht. In Tagen, Monaten und Jahren wiederholen sich die Zyklen, während ich langsam den Verstand verliere. Es ist zum Kotzen. Die Worte erscheinen wie leblose Insekten auf Papier.
Ich funktioniere. Aber die Bedeutung wurde ausgegossen. Es regnet. Es scheint die Sonne. Es stürmt.
"Schau mal", sage ich zu meiner Freundin, "die braunen Blätter, die durch die Luft wirbeln, sehen aus wie tausende Schmetterlinge."
Ich klebe eine Weile fest an dem Bild. Der Tag sagt mir sonst nichts.