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Eine meiner ersten Amtshandlungen im Nachtdienst ist das Abreißen der Tage vom Abreißkalender. Wir haben jeweils einen auf jedem Stockwerk hängen. Drei also.
Was wollte ich schreiben? Ach ja, die Dinger sind riesig, und es steht auf ihnen jeden Tag in großer Schrift, so dass sogar Blinde sie lesen können, ein dämlicher Spruch, oft ein christlicher oder eine Binsenweisheit. Den Kalenderspruch vom Dienstag notierte ich mir: „Genießt ein Jüngling ein Vergnügen, so sei er dankbar und verschwiegen.“ (Von einem gewissen Friedrich von Hagedorn.) Ich lese den Spruch kurz durch, reiße das Kalenderblatt ab, das etwa DIN A 2 Format hat, zerknülle es und werfe es in den nächsten Papierkorb. (Es fällt natürlich daneben.) Worauf wollte ich eigentlich hinaus? Mal überlegen …
Ach ja, mit solchen Blödheiten beginnt mein Nachtdienst. Keine Ahnung, ob die Sprüche außer mir noch jemand liest. Ich kann`s mir kaum vorstellen.
„Und was gilt für die Vergnügungen von alten Säcken?“ frage ich mich. Egal.
Es ist gefühlte 200 Jahre her, als ich einmal vergaß, eines der Kalenderblätter abzureißen. Meine Chefin polterte deswegen am Morgen los: „Leben wir im Gestern?!“ … „Seid ihr zu dumm zum Abreißen von Kalenderblättern?!“ (Damals waren wir noch zu zweit in der Nachtwache.)
Was ich damit sagen will … Ja, was?
Ach so, Stirnklatsch! Ich bin seit diesem morgendlichen Anschiss meiner Chefin traumatisiert. Niemals wieder vergaß ich seitdem das Abreißen der Kalenderblätter. Eher würde ich alle anderen Arbeiten vergessen. Sogar meinen Kopf. Es kam vor, dass ich im letzten Moment, bevor meine Chefin die Station betrat, zum Abreißkalender hechtete (olympiareif), das Kalenderblatt abriss, zusammenknüllte und in meinen Mund schob, weil die Zeit nicht mehr reichte, es anderswo verschwinden zu lassen. Uff!
„Genießt ein Jüngling ein Vergnügen, so sei er dankbar und verschwiegen.“ Was soll einem dazu in einem Altenheim einfallen? Meine Gehirnwindungen kriegen beim Lesen eine spastische Lähmung. Wenigstens konnte ich den Spruch noch notieren. Und darum wisst ihr jetzt davon.

steppenhund - 28. Nov. 13, 12:47

Natuerlich fielen mir da einige Verhaltensweisen gegenueber der Chefin ein. Einige davon waeren vielleicht nicht so joberhaltend.
Bei einem derartigen Anwurf gibt es allerdings ein Standardverfahren:
aufrechte Haltung einnehmen, salutieren und den Text aufsagen:
"Jawohl, Frau Chefin! Jawohl, zu dumm, um Kalenderblaetter abzureissen. Jawohl!"
Und dabei einen wirklich bloeden Gesichtsausdruck einnehmen. Merkt die Chefin nicht, dass sie zu weit gegangen ist, leise im Abgang vor sich hinmurmeln: "wie konnte ich nur so bloed sein, wie konnte ich nur so bloed sein?" Das Verhalten kann ueber Tage prolongiert werden, bis die Chefin wirklich ausrastet oder sich entschuldigt.
-
Es ist eine kindische Methode. Aber sie hat immer gewirkt, wenn ich sie angewendet habe.
Der Anwurf ist uebrigens alles andere als arbeitsgerecht. Wenn man also die Chefin wirklich boesartig niederbruellt, kann sie das nicht vor einem Arbeitsgericht geltend machen, weil die eigene Antwort im Affekt geschah.
Aber offen gestanden wuerde ich mir in der Folge eine ganze Reihe subtiler Nadelstiche einfallen lassen, um mich zu revanchieren.

bonanzaMARGOT - 28. Nov. 13, 12:53

steppenhund, ich bin kein bösartiger mensch. bin ich einfach nicht. hinterlist und gemeinheiten sind mir fremder als südfrüchte von der venus.
außerdem bin ich immer so verdammt ehrlich. drum beiße ich mir ständig auf die zunge. meine arme zunge ist schon ganz zerbissen.
ich nicke brav, wenn die chefin etwas sagt und stelle mir vor, ich wäre in bulgarien.
steppenhund - 28. Nov. 13, 13:04

:))) das unterscheidet uns...
bonanzaMARGOT - 28. Nov. 13, 13:06

weiß nicht, ich kenne dich zu wenig.
jedenfalls bin ich für perfide vergeltungsaktionen nicht geeignet.
bonanzaMARGOT - 28. Nov. 13, 13:17

ach so - stirnklatsch! dass du gerade in bulgarien bist - das unterscheidet uns!
steppenhund - 28. Nov. 13, 14:24

Dabei bin ich gerade in Serbien:) noch mehr Unterschied...
bonanzaMARGOT - 28. Nov. 13, 14:26

in serbien. wow. wie ist es da mit dem nicken und kopfschütteln? so wie bei uns?
noch mehr unterschied - wie meinst du das?
bonanzaMARGOT - 28. Nov. 13, 15:09

ah! stirnklatsch! weil serbien noch weiter weg von mir als bulgarien ist!
Pendlerin - 28. Nov. 13, 13:21

FOTOKALENDER!!!

Du kannst doch ein Verbesserungsvorschlag einreichen. Da gibt es doch so schöne Motive für Frauen und Männer, die bestimmt auch die Motivation einer Nachtwache verbessern. Eine gute Begründung wäre auch der Arbeitsschutz. Abreißkalender vs. Fotokalender arbeitsschutztechnisch. Dir fällt da bestimmt was ein.

bonanzaMARGOT - 28. Nov. 13, 13:35

fotokalender? du meinst mit weiblichen akten? da werde ich mich nicht durchsetzen können. es arbeiten immer noch um einiges mehr frauen als männer in der pflege. auf einen fotokalender mit kalifornischen dream men habe ich keine lust. dann lieber doofe kalendersprüche.
bonanzaMARGOT - 28. Nov. 13, 13:36

ach so, motive für frauen und männer ...
gibt`s das?
bonanzaMARGOT - 28. Nov. 13, 13:41

beinahe vergessen:

... eigentlich sollte es ja den alten gefallen.
Pendlerin - 28. Nov. 13, 13:43

Alles nur eine Frage der Begründung

Oder männliche Akte für Frauen. Du könntest ja Herrn Steppenhund fragen oder Hans, ob er/sie sich zur Verfügung stellen, wenn du kalifornische dream men nicht magst.
Ihr müsst dann nur noch die Etagen auslosen. Und da mehr Frauen als Männer vorhanden sind, bekommen die Frauen zwei Etagen.
bonanzaMARGOT - 28. Nov. 13, 13:47

nein, doch lieber keine fotokalender. dann fühle ich mich am ende noch wie zuhause.
von mir aus kann der abreißkalender bleiben - wenn ich die sprüche schreibe. sowas wie: "alt werden ist schön, weil ihr hier sein dürft."
Pendlerin - 28. Nov. 13, 13:47

Senioren und Akte

Senioren sind bei Akte bestimmt nicht abgeneigt. Das gibt 'ne Drängelei auf dem Flur, herrje und du hast dann endlich deine Ruhe und Zeit, um auf nächtliche postings zu antworten.
bonanzaMARGOT - 28. Nov. 13, 13:50

80% unserer alten sind dement, pendlerin. da wären bilder von picasso geeigneter.
Pendlerin - 28. Nov. 13, 13:58

work and balance

Mitarbeitern kann man es nie recht machen.
Du könntest auch schreiben: Miteinander alt werden.
Vll kriegt ihr ein Bild von den 1406 Meisterwerken des Kunsthändlers Gurlitt für das Seniorenheim.
bonanzaMARGOT - 28. Nov. 13, 14:03

und warum sollen wir ein bild von dieser gurlitt-sammlung haben wollen? quark. man merkt, dass du keine ahnung von altenheimen hast.
"miteinander alt werden" ist auch quatsch. das passt vielleicht für eine yoghurt-reklame.
Pendlerin - 28. Nov. 13, 14:11

Denkst du die Berater, die man bei einem sagen wir mal Waschmaschienenproduzent beraten lässt, haben Ahnung von Waschmaschinen? Trotzdem krempeln die den ganzen Laden um.
Ne, Werbung macht doch viel gemeinere Sprüche. Zum Beispiel den:
Früher oder später kriegen wir Sie, mit Danone Jogurt!
bonanzaMARGOT - 28. Nov. 13, 14:16

ich bin aber kein berater, und werde nie einer sein ... von nix.
von mir aus können sich alle berater selbst beraten.
und hernach in waschmaschinen sektpartys feiern. hick. oder sexpartys.
ich habe aber ahnung von altenheims. jawohl. und die lasse ich mir nicht nehmen. jawohlja!
von keinem! auch nicht von danone!
Pendlerin - 28. Nov. 13, 14:27

He,he

Und wenn es für die Einreichung deines Verbesserungsvoschlags ein Kaffeeservice gibt?
bonanzaMARGOT - 28. Nov. 13, 14:31

einen kaffeeservice?
im nachtdienst trinke ich keinen einzigen kaffee nicht. kaffee trinke ich nur zuhause - einmal am tag, wenn ich aufstehe. ich brauche dann was warmes, an dem ich mich halten kann.
Pendlerin - 28. Nov. 13, 14:41

Und ich dachte immer, du läßt wenn du aufstehst zu allerallerallererst 'ne Bierbüchse zischen. Du bist noch viel gemeiner als Danone und zerstörst mit Absicht das schöne Bild was ich von dir habe. So und jetzt gehe ich Jogurt kaufen. ENDE
bonanzaMARGOT - 28. Nov. 13, 14:52

dass ich zu jedem zeitpunkt mit bierdosen in zusammenhang gebracht werde, ist ein mythos, der zeigt, wie oberflächlich viele meine texte lesen.
natürlich tauchen bierdosen auf. aber nicht immer habe ich welche im kühlschrank. ab und zu, für alle, die es wissen wollen, trinke ich ausserdem ... kaffee, mineralwasser und wein (mit cola-zero ... hust!).

wenn ich damit das schöne bild, was du von mir hast, pendlerin, zerstöre, tut es mir leid.
nein, es tut mir nicht leid! aber es tut mir leid, dass es mir nicht leid tut. so!
fata morgana - 28. Nov. 13, 16:38

...also, ich oute mich mal, so einen kalender hatte ich auch einige jahre, mir fällt nur grade der hersteller nicht ein - irgendetwas teueres in der nähe von rosenheim (?)
ich fand die großen zahlen praktisch, die konnte man von jedem raum der wohnung aus gut erkennen und der platz jeden tag darunter, um termine notieren zu können....

vielleicht aktiviert ja der sprucn, zumindest bei den männlichen bewohner, das langzeitgedächtnis - denn dieses soll ja
bekanntlich besser funktionieren als das was 'gestern war'...

naja, wie auch immer, ich sollte was tun und ich hier nicht irgendwelchen blödsinn schreiben...

fata morgana - 28. Nov. 13, 17:00

aber, bei mir war immer eine ganze woche drauf, also doch ein unterschied zum altenheim ;)
bonanzaMARGOT - 28. Nov. 13, 17:12

Es gibt sicherlich Millionen ähnlicher Kalender auf der ganzen Welt. Ich weiß nicht, ob der, den wir haben, noch woanders hängt. Das habe ich noch nicht eruiert.

Albern sein finde ich ab und zu sehr erfrischend, Fata Morgana.
Es ist komisch: manche Menschen kapieren nicht, wenn ich mal albern bin. Das erinnert mich an einen Mathe Lehrer während meiner Gymnasialzeit ...

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