Mittwoch, 20. November 2013

TV-Tipp:

"No Country for Old Men", 23 Uhr, kabel eins

Rödelheim ist ein Ortsteil von Frankfurt


Rödelheim ist ein Ortsteil von Frankfurt. Gestern war ein grauer Tag, durch und durch. Ein Riese wäre von den Waden aufwärts im Dunst verschwunden. Also, ein richtiger Riese. Die Hinfahrt klappte problemlos. In Frankfurt nahm ich ein Taxi. Der Taxifahrer trug einen Turban, sprach aber gut deutsch.
Die Fabrik sah nicht wirklich aus wie eine. Ein paar Mitarbeiter standen rauchend vorm Eingang. Es hätte z.B. ein Schulgebäude sein können. Der Werkverkauf war im 1. Stock. Kaum zehn Minuten später stand ich schon wieder auf der Straße, in meiner Umhängetasche eine schwarze Box.
Zurück zum Hauptbahnhof wollte ich die S-Bahn nehmen, also lief ich in das Zentrum von Rödelheim. Ich kam an einem Park vorbei und an einigen Kiosken, Spielhallen und Änderungsschneidereien. Mir wurde sehr schnell klar, dass ich nicht gerade durch eine Reiche-Leute-Gegend lief. Ich musste pinkeln und ging auf ein Bier in eine Kneipe. Die Bedienung fragte, ob ich ein kleines oder ein großes wolle. „Ein großes“, antwortete ich. Als sie dann das Bier vor mich stellte, meinte sie, weil sie wohl meinen Blick auffing: „Groß ist es nicht gerade.“ „Ja“, grinste ich, „ein kleines großes.“ In Gedanken überlegte ich, ob ich nicht besser ein großes kleines hätte sagen sollen. Aber ich war zu müde für philosophische Gedankengänge und suchte die Toilette.
Die S-Bahn brauchte nur eine Viertelstunde bis zum Frankfurter Hauptbahnhof. Weil ich noch massig Zeit hatte, begab ich mich ins O`reilly`s, das schräg gegenüber des Bahnhofportals liegt. Das Pub war noch relativ leer. Die Bedienung stellte ungefragt ein Bier vor mich auf den Tisch, worauf ich ihr bedeutete, dass ich noch gar nichts bestellte. Da sie kein Deutsch verstand, wiederholte ich es auf Englisch. Sie war verwirrt. Schließlich nahm ich das Bier, da der Gast, für den es war, sich allem Anschein nach in Luft aufgelöst hatte. Ich schaute durch das Fenster auf die Straße und zum Bahnhofsgebäude. Auf einen Stadtbummel hatte ich bei dem mistigen, kalten Wetter keine Lust. Der Abend dämmerte schon, und es hatte angefangen zu regnen.
Pünktlich stand ich auf dem Bahnsteig, von dem mein Zug abfahren sollte. Doch er kam nicht. Als mir langsam klar wurde, dass er auch nicht kommen würde, wenn ich weiter auf dem Bahnsteig wartete, wandt ich mich an einen Infostand der Deutschen Bahn. Die junge Bedienstete schrieb mir Uhrzeit und Gleis einer späteren Reiseverbindung auf einen Fresszettel und drückte mir ein Fahrgastrechte-Formular in die Hand. Am Reiseservice-Center hatte sich bereits eine lange Schlange gebildet. Es war pures Glück, dass ich diesen etwas abseits stehenden Info-Stand entdeckte. Ein paar Minuten später bildete sich auch dort eine Schlange von Reisenden. Es herrschte ein ziemliches Tohuwabohu auf dem Bahnhof. Ich schlappte zu einer Bar und trank noch ein Bier. Der Wirt sagte mir, dass es an der Tagesordnung wäre, dass Züge einfach ausfielen.
Eine gute Stunde später saß ich endlich in einem ICE, der in meine Richtung fuhr. Ich setzte mich ins Zugrestaurant. Die Schaffnerin kam zur Fahrkartenkontrolle. Da der reguläre Zug, für den ich die Rückfahrt gebucht hatte, ausfiel, saß ich in ihren Augen natürlich im falschen Zug. Ihre Frage, warum ich denn meinen Zug nicht nehmen konnte, fasste ich als Vorwurf auf und schilderte demgemäß gereizt und laut, was mir gerade im Frankfurter Hauptbahnhof widerfahren war. Die Schaffnerin trollte sich beleidigt. „Fragen Sie doch in Frankfurt nach, was da los ist!“ rief ich ihr hinterher. Kurz wurde ich zum hässlichen Fahrgast und überlegte, ob ich darum ein schlechtes Gewissen haben müsste.

Das Fahrgastrechte-Formular liegt inzwischen auf meinem Schreibtisch. Ich füllte es noch nicht aus. Auch heute ist es grau, durch und durch. Die schwarze Box steht im Regal auf einer Dose mit Kurzwaren. Ich schaue auf die Uhr an meinem Handgelenk und sehe, wie die Zeit langsam in Sekunden, Minuten und Stunden dahinschmilzt. Ich bin müde. Immer noch müde. Am Abend erwartet mich ein Nachtdienst im Altenheim. Der Wind der Zeit ist kalt und gnadenlos.




Mittwochs-Weisheit

"Schneller - höher - weiter ist die Devise. Schneller verbrauchen die Athleten, höher rauf mit den Summen, weiter mit dem Unfug. Der Wahnsinn hat Rückenwind."
(Dieter Hildebrandt)

Im Gedenken an Dieter Hildebrandt, der vergangene Nacht in einem Münchner Krankenhaus verstarb.

ein literarisches Tagebuch

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