Donnerstag, 7. November 2013

Wortspritzer


„Kein Problem“, sagte der Betriebsarzt. Ich wollte mir die letzte von drei Hepatitis-Impfungen geben lassen. Ich hatte sie total verschwitzt, weil der Termin ein halbes Jahr nach dem zweiten lag. Ehrlich gesagt, hatte ich schon dran gedacht. Aber ich schob den Termin Woche für Woche vor mir her. Ich log also: „Da war doch was, dachte ich letzte Woche.“ Und der Betriebsarzt wiederholte freundlich: „Kein Problem.“
Ist das also auch erledigt. Obwohl – nicht ganz – in vier bis sechs Wochen muss ich zur Nachkontrolle noch mal hin dackeln. Dann ist bereits Mitte Dezember. Schon wieder bald Geburtstag. Alles geht immer weiter. Kaum ausgesprochen, ist man dort. Die Kalenderblätter segeln einem wie das Herbstlaub entgegen. Eigentlich ist immer Herbst, wenn man sich das Leben als einen großen Zeitbaum vorstellt.
Der Regen fiel fein wie Staub vom Himmel. Wegen einer Baustelle wurden die Straßenbahnen umgeleitet, und ich lief in die Innenstadt. Ich musste den Nachmittag totschlagen. So einfach war das gar nicht. Es gab nur etwa ein halbes Dutzend Kneipen und Cafés, die ich bevorzugt ansteuerte.
So schnell die Zeit rückblickend zu vergehen scheint, so zäh und langsam schleichen die Minuten und Stunden in der Gegenwart dahin. Zumindest wenn man lustlos und alleine unterwegs ist.
Ich betrachtete die Menschen, die Einkäufer, die Studenten und Studentinnen, die Bauarbeiter an den Baustellen, die Bedienungen in den Cafés, die Verkäuferinnen, die Kassiererinnen …; und zwischendurch machte ich mir Notizen, die ich „Wortspritzer“ nannte.

„Kein Problem“, sagte der Betriebsarzt ...

Der Alte, der seit Jahren in der Heidelberger Altstadt in die Kneipen kommt, ein paarmal in die Hände klatscht und wieder geht.

„Hiiiilfe, nicht der!“ rief die Bedienung aus, als eine männliche Person das Lokal betrat. Sie versteckte sich hinter der Theke, und ihre Kollegin verleugnete sie.

Ich will mir nicht vorstellen, wie viele verdammte Barkeeper mir schon ins Bier spuckten.

Diese ganzen Bitches in H&M Klamotten. Wenn sie nur so viel Hirn im Kopf hätten wie Arsch in der Hose.


Und so weiter und so fort. Schließlich machte ich noch ein paar notwendige Einkäufe. Ich hatte es geschafft – es war Abend.
Der Taxifahrer und ich schwiegen, bis er einen Hustenanfall hatte und sich dafür entschuldigte. Anschließend erzählte er mir die ganze Story von den Arztbesuchen und Untersuchungen. Ich sagte, dass wir alle irgendwann und an irgendwas sterben müssen. Um so mehr man sich untersuchen lässt, desto mehr werden die Ärzte finden. „Ja, man muss es nehmen, wie es kommt“, meinte er dazu. Ich nickte und dachte an den Augenaufschlag einer Frau, während sie mir den Schwanz lutschte ...

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