Mittwochs-Weisheit

"Man weiß selten, was Glück ist, aber man weiß meistens, was Glück war."
(Françoise Sagan)
steppenhund - 31. Okt. 13, 02:54

Deswegen ist es am Besten, das Bestehende als Glück aufzufassen. Dann liegt man wenigstens dann richtig, wenn es sich wirklich um Glück handelt.
Aber das Glückskonzept liegt mir nicht. Zufriedenheit, das drückt es schon eher aus.

bonanzaMARGOT - 31. Okt. 13, 06:57

wer mit sich, dem leben und der welt zufrieden ist, kann sich wirklich glücklich schätzen.
steppenhund - 31. Okt. 13, 13:15

Hinsichtlich der Zufriedenheit mit dem Leben kann ich nur auf meinen Beitrag verweisen. Hier gilt für mich Voltaire mit Candide.
bonanzaMARGOT - 31. Okt. 13, 16:36

voltaire habe ich nicht gelesen, steppenhund.

in sachen liebe wäre mir eine bloße zufriedenheit zu schwach im ausdruck - da möchte ich doch lieber weiterhin von glück sprechen.
was die materiellen lebensumstände angeht, kann man eher von zufriedenheit reden; wobei es für einen menschen, der lange das nötigste entbehren musste, ein großes glück bedeutet, z.b. einmal richtig satt zu werden.
zufriedenheit bedeutet wohl am ehesten das zurechtstutzen der wünsche und träume auf ein realistisches maß. es bedeutet einfach selbstbewusstsein.
Lange-Weile - 31. Okt. 13, 10:05

Albert Schweitzer

..hat sich auch zum Glück geäußert

"Viele Menschen wissen, dass sie unglücklich sind. Aber noch mehr Menschen wissen nicht, dass sie glücklich sind"

Dieses Zitat bezieht sich auf die Gegenwart. Ich denke immer daran, wenn düstere Gedanken kommen, die mich in meine Wehleidigkeit leiten wollen ;-)

Ich wünsche dir noch einen schönen Reformationstag ;-)

LG LaWe

steppenhund - 31. Okt. 13, 13:17

Diesen Ausspruch finde ich nicht nur sehr gescheit sondern auch sehr, sehr traurig.
Wenn man manchmal die Bilder von Menschen sieht, die trotz katastrophalster Lebensbedingungen ein strahlendes Lächeln zeigen können, bedaure ich diejenigen, die gar nicht wissen, wie gut es ihnen geht.
bonanzaMARGOT - 31. Okt. 13, 16:23

lawe, steppenhund

der mensch beurteilt sein glück immer aus seiner aktuellen lebenssituation heraus. das ist sehr menschlich, und man kann dieses subjektive glücksempfinden nicht einfach mit dem verstand steuern. wer viel wie albert schweizer mit elend und sehr armen menschen zu tun hatte, muss zu solchen erkenntnissen kommen. für mich reicht bereits die arbeit im altenheim aus, um mich in hinsicht lebenszufriedenheit und glücklichsein bescheidener auftreten zu lassen.
in einer vom materialismus und kapitalismus pervertierten gesellschaft ist auch das "normale" glücksempfinden pervertiert - wir jammern auf hohem niveau. das unglücklich-sein in den modernen industrienationen ist trotzdem echt, und auch tragisch ...
wir hätten den armen menschen auf der welt so viel zu geben, aber stattdessen sind wir nur mit uns selbst beschäftigt und haben angst, dass man uns etwas wegnimmt von unserem armseligen materialistischen glück.
iGing - 31. Okt. 13, 22:11

Das stimmt, was Sie schreiben, dass wir eigentlich so viel zu geben hätten, wenn wir nicht Angst hätten .... Wie soll man damit umgehen?
Ein geradezu plastisches Beispiel hierfür, als ich neulich in meiner Garage herumkruschtelte und plötzlich ein junger Mann vor mir stand und mich stumm und flehend anschaute ... Er hatte nichts Bedrohliches an sich, war eher kleiner als ich selbst, Rumäne?, das einzig Erschreckende war, dass er den relativ weiten Weg durch den Hof zurückgelegt hatte, ohne von mir bemerkt zu werden ... Ich verzog vorsorglich grimmig das Gesicht und zeigte in Richtung Ausgang, aber er ließ sich nicht beeindrucken und zeigte auf seine Schuhsohlen, um mir zu demonstrieren, dass sie sich bald ablösen würden; auf mein Schulterzucken zupfte er an seinen Socken und ich verstand, dass er neue brauchte. Da ich nicht reagierte, weil ich nicht wusste, ob der junge Mann der deutschen Sprache mächtig war, sagte er fragend "Nein?" und ich, froh, dass er wenigstens das verstand, wiederholte mehrmals "Nein". Schließlich ging er. Danach hatte ich eine merkwürdige Angst. Das Merkwürdigste war: Ich hätte nicht nur Socken, vielleicht sogar ein Paar Schuhe gehabt, die ich hätte entbehren können und die ich sowieso hatte weggeben wollen --- aber um sie zu holen, hätte ich ins Haus gehen müssen. Wäre er mir dann etwa auch einfach gefolgt?
Ich war erschüttert, an mir selbst zu sehen, wie schwierig (Kommunikations-)Abläufe sich gestalten können, wenn Angst ins Spiel kommt.
bonanzaMARGOT - 01. Nov. 13, 09:18

Angst und Unsicherheit sind verständliche Gefühle. Aber ist nicht auch (zumindest unbewusst) der Wunsch oder der egoistische Drang nach Abgrenzung dabei? Wenn wir an Bettlern in der Fußgängerzone vorbeilaufen und nichts geben, sondern einen Bogen um sie schlagen - ist das aus Angst?
iGing - 01. Nov. 13, 11:18

Der "Drang nach Abgrenzung" war ganz sicher dabei ... die Grenze wurde überschritten, als der junge Mann sich, ohne zu fragen oder sich sonstwie bemerkbar zu machen, ziemlich weit in mein Grundstück hinein begab. Das Hoftor, das sonst weit offen steht, ist seitdem zu. Also die Grenze ist deutlicher markiert!
Dennoch habe ich versucht, mir hinterher einen positiveren Verlauf auszumalen: Ich stellte mir vor, ich hätte Socken aus dem Haus geholt und wir hätten, auf der Treppe sitzend, ein lustiges Sockenanprobieren veranstaltet (obwohl ich nicht glaube, dass er unbedingt passende Socken suchte). Wie das dann ausgegangen wäre?
Einem Bettler in der Fußgängerzone was zu geben, ist normalerweise kein Problem für mich; Angst habe ich da nicht. Aber jedem gebe ich auch nichts --- wenn ich sehe, dass es immer mehr werden ... oder lese, dass das Geld in dunkle Gangsterkanäle fließt ... oder weiß, dass es eh nur in Alkohol umgesetzt wird ... Ist das dann Angst oder Egoismus?
bonanzaMARGOT - 02. Nov. 13, 10:08

es ist sicher kein fehler, in fällen wie deinem vorsicht hüten zu lassen. man geht nach seinem bauchgefühl. hinterher tut es einem vielleicht leid, und das ist gut so, finde ich, - es zeigt, dass wir doch noch ein gewissen haben.

ich glaube, dass der egoismus in unserer gesellschaft groß ist, nicht nur bettlern und ausländern gegenüber sondern ganz allgemein. wir hasten durchs leben und wollen dabei möglichst nicht gestört werden. vielleicht ist es unserer mitteleuropäischen mentalität geschuldet. jedenfalls könnten wir weit mehr geben, als wir letztlich den armen und bedürftigen zukommen lassen - damit meine ich nicht nur jeden einzelnen sondern die solidargemeinschaft als ganzes.

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