Wo ist das Leben hin? Wo ist die Liebe hin?


Das Jahr geht zu ende, wie es anfing. Auf Phoenix läuft am Morgen eine Doku nach der anderen über den Vampirkult und Bram Stokers Figur Dracula. Heute fühle ich mich beinahe auch wie ein Untoter. Erschöpft von den nächtlichen Träumen, vom Hin- und Herwälzen im Bett. Die Sonne fällt fahl durch die Bäume, die nur noch wenig braunes Laub tragen. Der Blick auf die Straße ist frei. Mein Herz liegt wie eine Wunde offen. Und da sage mal einer, die Seele läge nicht im Herzen. Mir ist unheimlich zumute, und das hat nichts mit den Dokus über Vampire zu tun. Es ist, als ob der Tod in den letzten Tagen einen Schritt auf mich zu machte.
Die Wände meiner Wohnung wirken bedrückend. Ich trage die Wände förmlich in mir – wie eine Umklammerung. Ich fühle mich eingesperrt. Ängste schwirren um mich, Gespenstern gleich. Ich hole tief Luft und schaue durch das Astgewirr auf die Straße, wo Autos aus einem Nirgendwo in ein anderes Nirgendwo fahren. „All diese Menschen“, denke ich,“alle machen sie etwas, verfolgen ein Ziel, gehen Einkaufen, besuchen sich, bereiten das Essen vor, haben Termine ...“
Der Weg wird mich heute zurück ins Altenheim führen, wo ich über 50 Seelen in der Nacht wache. Es gibt kein Entrinnen, egal wie unruhig wir vorher im Leben sind. Nichts und niemand kann den Kreislauf des Werdens und Vergehens durchbrechen. Außer den Untoten, den Vampiren … Gibt es sie nicht doch, die Blutsauger? Begeben wir uns nicht tagtäglich in ihre Fänge? Sie trinken unser Blut und unser Leben. Wir merken es lange nicht. Erst wenn wir grau sind, und die Augen müde. Dann sagen wir: „Ich hatte ein Leben.“

Okay. Noch nicht. Nicht jetzt. Man kann ja mal ein Tief haben. Ich werde ihre Küsse vermissen, ihren Schlafzimmerblick. Und ihren Lockenkopf. Und noch einiges anderes. Tschüss. Das Jahr geht zu ende, wie es anfing: mit Abschied und Verlust. Die Liebe war ein Trugbild. Sie kommt anfangs immer schön und frisch daher, und dann verkümmert sie in rasantem Tempo. Oder sie begegnet einem als schöne, verführerische Prinzessin, doch dahinter verbirgt sich eine Hexe, die nichts Gutes im Sinn hat. Man denkt immer, dass man diesmal nicht auf den Betrug hereinfällt. Hinterher bleibt die Einsicht: wir waren uns gegenseitig nicht gut – nicht gut genug. Was für eine scheiß Einsicht!
Nochmal tief Luft holen … Der Welt ist es egal.

creature - 12. Nov. 11, 11:24

in the river of bondage to maya.....

nicht nur die liebe, das leben ist ein trugbild wenn man genau hinschaut.
mit diesem wissen lebt sichs aber leichter, diese schwere, diese erwartungen, dieser trug ist weg.
kürzlich mußte ich zum pinkeln am parkplatz anhalten, da die klos so dreckig sind ging ich zum waldrand und pinkelte in die botanik, währenddessen sah ich die scheißhaufen und viele dreckige taschentücher herumliegen. da dachte ich, wo ist der unterschied zwischen scheiße und einer rose?
beide bestehen aus denselben elementen, sehen nur anders aus, und das ist für mich die magie des lebens.
erscheinungen, verwandlungen, die substanz bleibt immer gleich.

MAYA

bonanzaMARGOT - 12. Nov. 11, 11:30

interessante gedanken, creature.
aus der scheiße wächst evtl. eine rose. die erscheinungen bedingen sich. das leben braucht den tod.
steppenhund - 12. Nov. 11, 11:27

Na, das mit der Liebe geht aber schon auch anders. Nicht bei von vornherein als unverbindliche, auf Kürze geplante Single-Beziehungen.
Ich habe mir bereits in der Jugend bei jeder Beziehung immer vorgestellt, wie die Frau später einmal sein wird. Habe mir die Mütter der Frauen sehr genau angesehen. Und die Art, wie die Frauen über ihre verflossenen Freunde und andere Personen gesprochen haben.
Ein paar meiner alten Freundinnen kenne ich noch und stehe auch in gutem Freundeskontakt mit ihnen. Mit jeder könnte ich mir vorstellen, heute noch zusammen zu leben. Und mit meiner Frau klappt es ja nach acht Jahren Trennung auch recht gut. Also bei den letzten sechs Sätzen kann ich nicht zustimmen.

bonanzaMARGOT - 12. Nov. 11, 11:38

klar. die brauchen auch keine zustimmung, weil jeder mensch andere liebeserfahrungen macht. oder beziehungserfahrungen. es geht mir auch nicht um schuldzuweisungen. es ist, wie`s ist. man passt oder passt nicht zusammen. aber vorher gilt: probieren geht über studieren. jeder wissenschaftler weiß davon ein lied zu singen.
vielleicht mach(t)e ich auch einiges falsch ..., dass die experimente meist fehlschlagen.
die mutter meiner letzten liebesbekanntschaft lebt nicht mehr - und so konnte ich da keine ... äh ... rückschlüsse ziehen.
ist halt jedesmal schade, weil man investierte gefühl und hingabe, und es tut halt weh, wenn`s vorbei ist.
jedesmal ist es auch etwas anders. obwohl ich inzwischen spezialist in kurz- bis mittelfristigen liebesbeziehungen sein müßte, verfüge ich über relativ wenig abhärtung, was den katzenjammer danach angeht.
steppenhund - 12. Nov. 11, 14:46

Ich habe natürlich noch eine andere Weisheit parat. Das mit dem Wehtun nämlich ist so eine Sache. Wenn es nicht weh täte, wären die Freudengefühle am Anfang ebenfalls wesentlich gedämpfter. Man kann es sich vermutlich nicht so leicht aussuchen, ob man lieber heiß-kalt oder lau-lau wünscht. Ich selber bin aber doch eher auf heiß-kalt ausgerichtet (so wie ich das hier auch herauslese) und da sage ich mir halt, dass die Enttäuschung und der Schmerz dazu gehören.
bonanzaMARGOT - 12. Nov. 11, 14:55

logisch

sehe ich genauso, steppenhund.
aber immer mal wieder treffe ich auf frauen, die am ende ziemlich kaltschnäuzig sind.
entweder indem sie schweigen oder sachen sagen wie: "wir sollten im guten auseinander gehen - wenn du mich brauchst, du hast ja meine adresse ..."
haha!
"haha", sage ich dazu.
super, wie schnell die von liebe auf etwas anderes umschalten können. was ist nur mit mir los? warum bin ich wütend? wieso kotzen sie mich mit ihrer haltung derart an?
und es kommt noch besser: die frauen sagen, dass sie es ehrlich meinen! sie meinen es ehrlich - verstehst du, steppenhund?! diese ironie!
und das schmerzt mich fast noch mehr als die trennung selbst ...
steppenhund - 12. Nov. 11, 15:22

Ich glaube, das werden wir nicht ergründen können. Allerdings scheint es Frauen mit dem Verständnis ebenso schwer zu gehen.
-
(Aber manchen Frauen habe ich den Teufel auf den Leib gewünscht. Und einige wenige Male war ich schadenfroh, wenn ich ihr Scheitern mit dem nächsten Partner mitbekommen habe. Einer der wenigen Fälle, wo ich wirklich schadenfroh sein kann.)
bonanzaMARGOT - 12. Nov. 11, 15:38

nein, ich rausche jedesmal gegen die klippen. mal sind die klippen nicht zu sehr klippen, doch sie können auch ziemlich hart sein.
da erleide ich dann richtig schiffbruch. diesmal ist`s zwar sehr unschön, aber das schiff wird wohl nicht ganz auflaufen ...
ist nur ein bild.
die schadenfreude kenne ich, steppenhund. ich ... wünschte einigen frauen nach der trennung auch den teufel an den hals.
mit einer dieser frauen habe ich heute noch kontakt. eigentlich mit zwei. aber die eine von den zweien ist vielleicht inzwischen tatsächlich beim teufel. was weiß ich. o je, ich liebte sie!
ich glaube, dass ich nicht der typ für eine längere beziehung bin. die meisten frauen teilen nicht mal meine interessen. außerdem trinke ich. und ich bin schwermütig, was einige anstrengend finden.
nein, ich bin schon echt froh, wenn da ab und zu mal eine frau - warum auch immer - sich auf mich einläßt ...
die meisten frauen sind wohl hoffnungslose optimisten. einige wollten mich ändern ...
schwachsinn!
nein, für diese frauen gibt`s andere männer.
die gurken dadraußen in ihren autos rum: von einem nirgendwo zum anderen nirgendwo ...
Lange-Weile - 13. Nov. 11, 17:34

ernüchternd

Hallo Bo.,

ich glaube das Leben und die Liebe scheinen uns als Trugbild, weil wir eine falscheVorstellung von ihnen haben. Wir führem imKopf Regie und sind enttäuscht, dass die Welt nicht mitspielt und daraus wieder erwächst eine Unzufriedenheit mit dem Leben und der Liebe.
Wenn Sohnemann mir erzählt, wie schwer und schlecht die Zeiten sind, dann ist das seine Erkenntnis im Zusammenhang mir seiner Erfahrung und seinen Erwartungen.
Im meinem WZ hängt ein Bild meines Vaters, auf den er genau so alt ist, wie Sohnemann jetzt - Anfang 20. Aber was haben die Augen meines Vaters schon alles sehen müssen, was hat er alles erleben müssen. Schlimmer konnte eine Ernüchterung eines Menschen über die Vorstellung vom Leben nicht sein.
Immer, wenn mich die Unzufreidenheit in die Mangel nehmen will, führe ich mir dies vor Augen und dann relativiert sich vieles wieder.

Und auch die Liebe. Ich glaube, dass wir falsche Erwartungen in sie stecken. Wir wollen, das der Partner sich mit uns beschäftigt - so wie der Partner es auch möchte. Und jeder steckt eine andere Erwartung in die Beziehung. Wenn die Ebenen der Erwartungen nicht zusammen kommen, wie z.B. eine Brücke, die von beiden Seiten gebaut wird und sich in der Mitte treffen muss, wenn beide gemeinsam drüber gehen wollen. So agiert der eine an den anderen vielleicht vorbei und es kann sich ein Gefühl einstellen, dass der Partner einen aussaugt und auslaugt.

Besonders, wenn sich in den älteren Jahren eine Beziehung ergibt. Keine gemeinsamen Kinder - keine gemeinsame Familie, dafür schon - oft mehr als eine - gescheiterte Beziehung und Defizite, die sich aus der vergangene Beziehung im Überhang über die neue Beziehung hängen. Ohne realen und ehrlichen Blick auf das eigene Begehren wandert eine Beziehung schnell in eine Sackgasse ab.

Was erwarte ich vom Leben, was erwarte ich von der Liebe?

Und überhaupt, stehen uns Erwartungen vielleicht im Wege um frei leben und lieben zu können ?

LG LaWe

bonanzaMARGOT - 13. Nov. 11, 17:46

dem

kann ich nur zustimmen, lawe.
wir reden zu wenig über unsere erwartungen, und wenn wir darüber reden, dann geraten wir leicht ins schwafeln.
letztlich ist`s oft ein kommunikationsproblem, woran eine liebe scheitert. manchmal scheint es, als ob man verschiedene sprachen redete. im speziellen fall kam hinzu, dass meine freundin gesundheitlich wie beruflich sehr strapaziert ist. unser kennenlernen fand unter ganz anderen umständen statt. es fällt mir schwer, diese geduld aufzubringen, die notwendig wäre, um mit diesen einschränkungen klarzukommen. es fehlt einfach an beidseitigem verständnis und an der kraft, um den fortbestand der beziehung zu ringen. vielleicht hätte ich die kraft noch dazu ... gefühle sterben bei mir nicht so schnell ab. auf der anderen seite die frage, ob es wirklich sinn machte, nochmal eine wie auch immer geartete wiederbelebung zu starten ...
ich hadere.
ich liebe diese frau.
steppenhund - 13. Nov. 11, 19:12

Ich würde vermutlich LaWe lieben, wenn ich ihr begegnen würde. (Vorausgesetzt es ist eine Frau:)
Aber was ich von ihr lese, ist alles unheimlich bestechend!
bonanzaMARGOT - 14. Nov. 11, 07:01

laaaweeee - ein verehrer!!

ja also äh, gute wahl, steppenhund. ich denke schon, dass lawe eine frau ist - lach!

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