Das Haus


Jeder Schrank, jede Schublade überladen mit Dingen und Klamotten. Bei der Durchsicht des Hauses wurde mir bewusst, wie altersgebrechlich meine Eltern bereits seit Jahren gewesen waren, - wie viel Kram sich angesammelt hatte. Wahrscheinlich würde nur eine Entrümpelung helfen. Ich kam zum ersten Mal seit ihrem Tod ins Elternhaus. Der Vertrag mit dem Makler musste unterschrieben werden. Alles in dem Haus wirkte noch vertraut – aber auch wie aus einer anderen Welt.
Photoalben voller Bilder aus der Vergangenheit. Ich wollte sie mir noch nicht anschauen. Vielleicht würden sich Unterschiede zu meinen Erinnerungen ergeben, oder es würden längst verschüttete Erinnerungen wachgerufen …
Das Haus bedeutete die Welt meiner Eltern. Es war ihr Dreh- und Angelpunkt während der letzten Jahrzehnte. Unter der Oberfläche war diese Welt längst in Unordnung geraten. Meine Eltern wahrten die Fassade. Ihr Stolz und ihre Ängste nahmen ihnen die Sicht auf die unabwendbare Realität des Alterns und der damit zusammenhängenden Konsequenzen. Ich kann sie verstehen. Ich verstehe, dass sie sich an ihre kleine Welt klammerten und bis zuletzt hofften, sie würde noch eine Weile halten.
Es ist das Haus meines Großvaters. Als wir einzogen, war ich bereits Teenager. Ein wirklicher Hort der Geborgenheit wurde es mir nicht. Als der Makler über den Verkauf sprach, spürte ich keine Wehmut. Ich wünsche mir, dass sich schnell ein Käufer findet. Damit Gras über alles wachsen kann. Ein paar Erinnerungsstücke und für mich brauchbare Sachen werde ich mitnehmen. Nicht mehr als eine Kiste voll.

zuckerwattewolkenmond - 12. Mai. 13, 13:34

Auch

wenn man die Photoalben nicht anschaut, sollte man sie unbedingt aufbewahren.
Und ich glaube, es machen die meisten so, daß sie sich so lange wie möglich an ihre noch heile Welt klammern und versuchen, klarzukommen. Meine Mutter hat jetzt sogar angefangen Sport zu machen und es hilft, sie ist wieder rüstiger.

bonanzaMARGOT - 12. Mai. 13, 13:40

ja, natürlich, zuckerwattewolkemond.
man sollte sich vor lauter zukunftsängsten nicht die gegenwart vermiesen lassen. auf der anderen seite kann die verdrängung der realitäten zu dummen katastrophen führen, die nicht nur für einen selber schlimm sind sondern auch für die angehörigen und freunde.

ich werde zumindest einige photos aus den alben aufbewahren.
Shhhhh - 12. Mai. 13, 19:17

In dem Haus, in dem ich aufgewachsen bin, haben zuvor auch schon meine Großeltern gewohnt. Ich bin immer noch gern dort und wünschte, ich könnte das Haus vielleicht irgendwann übernehmen, nicht wegen seines Werts - es ist ja nur gemietet - sondern genau wegen der vielen Erinnerungen.

bonanzaMARGOT - 13. Mai. 13, 07:15

hallo shhhhhh

ich verstehe, dass so eine starke bindung zum elternhaus entstehen kann.
aber selbst wenn ich die hätte, wollte ich nicht drin wohnen. in haus und garten muss man eine menge arbeit stecken, und das liegt mir nicht. und außerdem ist man durch den besitz an einen ort gebunden. früher war man jobmäßig und überhaupt festgelegter. ich kenne einige paare, die nicht bedachten, dass eine ehe in die brüche gehen kann, oder dass man vielleicht wegen der arbeit an einen anderen ort ziehen muss. da ist dann das haus eher last und streitobjekt.
Lange-Weile - 14. Mai. 13, 12:41

schwerer Gang

Hallo Bo.,

ja..das ist ein schwerer Gang. So ein Haus - Elternhaus - ist doch etwas anderes, als eine Mietwohnung. Man spürt, das die Menschen, sich in ihr Häuschen ganz einbrachten. Das ist mit einer Mietwohnung nicht vergleichbar. Vielleicht die Möbel und die Art der Anordnung, wie sie am längsten standen.

Im Haus ist die Seele der Eltern überall verteilt und schaut einem aus jeder Ecke an. Es gibt nichts schlimmeres, als ein verwaistes Haus, auch wenn die toten Seelen dort noch ihren Platz haben.

Am letzten Tag mit Übernachtung hat mich das leere Elternhaus von Traurigkeit fast erschlagen. Die schönen Erinnerungen fanden keinen Raum, die Gegenwart sah zu düster aus. Das Haus konnte nicht mehr atmen, ich konnte ihn ihm nicht mehr atmen.

Ein paar Monate später sah alles ganz anders es. Die ersten Umbauten waren schon im Gange. Kinder liefen wie in alten Zeiten durch das Haus, das Haus hatte wieder ein Lachen für mich, das Haus, wie auch ich, konnten wieder tief durchatmen. Die schönen Erinnerungen tauchten wieder auf und die Gegenwart erhellte sie .

Heute ist das Haus umgebaut, sogar am Grundriss wurde einiges verändert, doch das alte Haus mit seinem alten vergangenem Leben ist immer noch. Das alte Haus darf im neuen Gewand weiter leben.

Leider verbinden dich weniger gute Erinnerungen an das Haus. Das ist wirklich schade. Aber Gras drüber wachsen lassen? Ob das ausreicht? Ich stelle mir diese Art der Erinnerung als eine Wunde vor, die nur heilen kann, wenn man sie nicht verschließt..so wie es der Körper auch tut..er reinigt die Wunde und verschließt sie dann erst, aber dann auch für immer.

LG LaWe


bonanzaMARGOT - 14. Mai. 13, 16:37

ich war bereits ein teenager, als wir einzogen. ich befand mich im ablösungsprozeß von eltern und zuhause. ich hatte meine ersten freundinnen und meine erste arbeit und wollte unabhängig werden. da konnte ich keine wurzeln mehr schlagen.
für meine eltern war das haus sicher die verwirklichung ihrer träume. sie wünschten sich immer etwas eigenes.
es ist gut, wenn es verkauft ist. dann ist diese "sache" für mich sozusagen beerdigt - das meinte ich mit "gras drüber wachsen lassen". ohne meine eltern birgt das haus zwar noch viele erinnerungen, hat aber keine seele mehr.
vielleicht bekommt das haus mit den neuen besitzern noch ein neues leben. oder es wird für den bau eines anderen hauses weichen müssen, und seine geschichte ist erfüllt.

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