Aurisa - 03. Sep. 11, 16:57

Also ich fürchte, ich kann dazu nicht viel sagen, jedenfalls nicht viel sinnvolles beitragen.

Ich war bisher nur zweimal beim CSD und das auch nur als Zuschauerin und auch nur, weil ich mit Bekannten dahin gegangen bin, einmal mit einer Bloggerin aus der SM-Szene und das andere mal mit einem lesbischen Pärchen.

Ich weiss natürlich vom politischen Ursprung des CSD, aber der heutige ist doch eher Party als Politik ;)... und einfach nicht meine Welt.

Ich freue mich, daß heute solche Freiheiten möglich sind und daß die Leute ihren Spaß dabei haben, aber für mich ist das nix...

Love, drugs and other entertainment... ist einfach nicht so meine Welt ;).

bonanzaMARGOT - 03. Sep. 11, 17:19

danke für deine antwort, aurisa, als transsexueller.
ich schrieb dich an, weil ich dachte, dass du etwas "tieferen" einblick in die "szene" hast, um gewisse immer wieder entstehende irritationen diesbezüglich aufklären zu helfen.
es geht mir nicht nur um den "csd".
aber ich war schon von der präsenz der "homosexuellenkultur" beeindruckt. du zählst dich womöglich nicht dazu. aber vielleicht doch grenzwertig(?)
für laien bleibt dies alles verwirrend. manche schauen befremdet weg, andere neugierig, voyeuristisch hin.

apropos: wie geht es dir?

lg.
boma
Aurisa - 03. Sep. 11, 18:59

Hallo boma,
erstmal: Da ich mich als Frau verstehe, sagt man "Transsexuelle" OHNE "r" am Ende ;).

Und ich fürchte leider wenn du dir Einblicke in irgendwelche "Szenen" erhoffst, dann bin ich leider die Falsche dafür.

Ich habe zwar im laufe der letzten Jahre ein paar Schwule und Lesben kennengelernt, aber nicht so viele.

Und mit der "Homosexuellenkultur", wie du es nennst, habe ich so gut wie gar keinen Kontakt.
Ich war nie in einschlägigen Clubs oder Partys o.ä. und habe auch sonst keinen Bezug dazu.

Und nein, ich zähle mich auch nicht dazu, nicht mal grenzwertig.

Ganz im Gegenteil. Ich weiss nicht, ob du das verstehen kannst, aber das ist für mich eine ganz fremde Welt.

Auch wenn ich transsexuell bin habe ich trotzdem genausowenig mit der "Homosexuellenkultur" zu tun und kann sie ebensowenig begreifen wie jeder stinknormale nicht-transsexuelle Hetero.

Und das geht nicht nur mir so, sondern allen heterosexuellen Transsexuellen, egal ob Männern oder Frauen.

Die einzigen Transsexuellen die zur homosexuellen Szene gehören sind eben die schwulen und lesbischen Transsexuellen, von denen es ja auch einige gibt.

Es ist sogar so, daß es eine ganze Reihe von Transsexuellen gibt, die sogar einen regelrechten Hass auf Homosexuelle (und Transvestiten, Transgender etc... ) haben.

Umgekehrt haben auch viele Homosexuelle ein großes Problem mit Transsexuellen.

Das Verhältnis zueinander ist also uneinheitlich und oft schwierig.

Von einer gemeinsamen Szene kann da wirklich nicht die Rede sein, auch wenn es natürlich auch Gemeinsamkeiten gibt.

Aber die Unterschiede sind einfach sehr groß.

Ansonsten... es muss... wie immer, danke.
bonanzaMARGOT - 04. Sep. 11, 13:53

danke aurisa

das waren doch allerhand infos, um mich als "laie" durch das thema "anders-sexualität" (wie auch immer) zu wursteln.

Was glaubst du, warum es zu diesen reibungen zwischen homosexuellen und transsexuellen kommt?
Aurisa - 09. Sep. 11, 14:19

Ja, ich weiss, es ist ein schwieriges Thema.

Zu den Gründen.
Einerseits ist es sicher - leider - das alte Spiel:

Es wird auf anderen herumgehackt, um sich nicht mit den eigenen (seelischen) Problemen beschäftigen zu müssen.

Und da man als Angehöriger einer Minderheit schlecht auf der Mehrheit herumhacken kann - kommt nicht so gut, weil die mehr sind und die Macht haben - hackt man halt auf einer anderen Minderheit herum.

Das funktioniert übrigens in beide Richtungen also TS versus Homosexuelle UND Homosexuelle versus TS.

Ein weiterer Grund ist, daß das Thema wie gesagt sehr komplex ist und das bedeutet daß nicht nur 'Normalos' nicht durchblicken, sondern auch Homosexuelle verstehen nicht was es bedeutet Transsexuell zu sein und umgekehrt.

Da sind Missverständnisse vorprogrammiert.

Und ausgerechnet diejenigen, die am wenigsten Ahnung haben, denken dann immer sie würden alles verstehen.

Ich empfehle zur Unterscheidung diesen Wikipedia-Artikel:

http://de.wikipedia.org/wiki/Heteronormativität

Bitte dort die Tabelle Heteronormatives Geschlechtermodell ansehen.

Vereinfach gesagt ist es so:

-bei Homosexuellen (und Bisexuellen) weicht die sexuelle Orientierung von diesem heteronormen 'Standart' ab

-bei Transsexuellen weicht die Geschlechtsidentität ab

-bei Intersexuellen sind die körperlichen Geschlechtsmerkmale anders als 'normal'

-und bei Transvestiten ist es das Verhalten (die Geschlechtsrolle), die von diesem heteronormativen 'Standart' abweicht.

Wie gesagt, vereinfacht. Erschwerend kommt dazu, daß es auch noch alle möglichen Mischformen gibt... also z.B. lesbische Transsexuelle oder schwule Transvestiten.

Diese Unterschiede kennen und verstehen selbst von den Betroffenen nur die wenigsten, wie ich in leider immer wieder feststellen musste.

Und das gibt dann natürlich immer die schönsten Missverständnisse und Konflikte...
bonanzaMARGOT - 09. Sep. 11, 14:56

aurisa

puh. das ist wirklich nicht einfach zu begreifen. egal von welcher warte.
es bedeutet vielseitigkeit. so ist die natur. sie kennt viele spielarten - und auch kuriositäten. ich denke, das ist gelebte anarchie. einfach, dass wir alles nebeneinander tolerieren. manches ist ja auch interessant für den "normalo" und er gafft dann z.b. auf veranstaltungen wie den csd. ich war da auch nur ein gaffer unter vielen.

dass es konflikte der minderheiten untereinander gibt, sie sich nicht solidarisieren können, finde ich schäbig. ehrlich. sie outen sich damit leider als genauso dämlich im kopf wie der mainstream.
ja, man sollte halt minderheiten nicht schon deswegen idealisieren, weil sie minderheiten (bzw. die schwächeren) sind.
den fehler machte ich manchmal im leben. z.b. gegenüber ausländern.
heute sehe ich alles etwas ausgewogener. ist scheiß egal, wo jemand herkommt, ob er dies oder das ist, - ich sehe auf den menschen an sich ...
Aurisa - 09. Sep. 11, 15:54

Ich finds auch besch...eiden, daß Minderheiten sich gegenseitig beharken und dämlich noch dazu :(.
Ist aber wohl leider nicht zu ändern.
Ich hab bei www.travesta.de, wo all diese 'Geschlechts-Minderheiten' hart aufeinanderprallen auch jahrelang versucht zumindest ein bisschen zwischen den Gruppen zu vermittel...
Keine Chance...
Ich bin heilfroh, daß travesta 'geschlossene Gesellschaft' ist und darum nicht jeder im Web lesen kann, wie die verschiedenen Minderheiten dort miteinander umgehen.
Da ist echt Fremdschämen in Potenz angesagt... und 'meine' Minderheit ist da kein Stück besser als die Homosexuellen, oder Transvestiten oder sonstige...

So lange die Menschen so sind, wie sie nunmal sind, wird sich daran leider auch nichts ändern, daß viele immer auf anderen herumhacken 'müssen'.
bonanzaMARGOT - 09. Sep. 11, 16:00

ein gutes statement, aurisa. da muss sich jeder an die eigene nase fassen.
du hast recht. die menschen ändern sich nicht von heute auf morgen.
viele konflikte sind sozusagen programmiert. jede generation muss wieder alles von neuem erfahren, durchleiden, durchstehen. aber niemals sollten wir aufgeben, die welt zu einer besseren machen zu wollen - im besten sinne: tolerant, gerecht und gewaltfrei ...
(was haben wir sonst zu tun?)
Aurisa - 09. Sep. 11, 16:11

Da kann ich dir nur voll und ganz zustimmen.

Letztlich läuft es darauf hinaus:

Entweder wir verändern uns und lernen uns an die neuen Bedingungen - die wir mit unserer Intelligenz, Wissenschaft und Technik selbst erst geschaffen haben - anzupassen, oder es geht uns wie über 99% aller Arten, die bisher auf der Erde gelebt haben und wir sterben aus.

Wir haben zwar eine recht hohe technologische Intelligenz, aber emotional stecken wir leider immer noch teilweise in der Steinzeit fest.
Das kann auf die Dauer nicht gutgehen.

Und ja, es gibt Ansätze, daß wir dazulernen, es Fortschritt gibt und wir ganz ganz langsam vorankommen.

Aufklärung, Demokratie, Rechtsstaat, Freiheit... all das sind zivilisatorische Errungenschaften der letzten Jahrtausende.

Also wenn wir eine Zeitreise machen könnten, 1000 oder 10.000 oder noch mehr Jahre in die Zukunft, vielleicht würden wir eine gereiftere Menschheit vorfinden.

Aber leider ist die Gefahr groß, daß uns soviel Zeit um uns zu verändern nicht bleibt, weil wir uns vorher selbst zerstören könnten.

Gut, daß wir nicht wissen, wie es letztlich weitergeht.
So bleibt uns zumindest die Hoffnung auf eine menschlichere Zukunft.
bonanzaMARGOT - 10. Sep. 11, 15:40

ein schritt vor, zwei zurück

wir werden`s nicht erleben, aurisa.
es bleibt der aktuelle kampf.
es ist ein bißchen wie ein staffellauf. wir reichen den stab (unserer erlangten weisheit bzw. erkenntnis) weiter an die nächsten generationen.
etc.
manchmal bzw. bei einigen wird die übergabe verpasst ... wie auch immer ... dann beobachten wir menschlich-zivilisatorisch rückläufige prozesse.
von der steinzeit bis heute sind wir nur ein paar zentimeter vorangekommen. schätze ich mal.

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