„Honky Tonk Woman“ läuft über den Sender. Rockt noch immer, - rockt mich zurück in vergangene Zeiten. Schön, seufze ich.
Seit heute weiß ich, was ein Perlator ist. Der Wasserhahn im Bad tropfte, und ich googelte nach vernünftigen Verfahrensanweisungen im Internet. Ich schraubte das Sieb an der Hahnöffnung ab und säuberte es in Essigsäure. Das ist also der Perlator.
Fasching steht vor der Tür. In Berlin ist Umzug. Den Kudamm entlang zum Wittenbergplatz.
Wir werden am Bahnhof Zoo bei Ullrich einkaufen und bestimmt am Rande mitkriegen, was dort los ist. Auf Gedränge habe ich keinen Bock. Dann lieber anschließend ins Irish Pub im Europacenter. Wenn das Bier dort nicht so verdammt teuer wäre!
O. war noch nie auf einer Karnevalveranstaltung und ist neugierig, aber ich beteuere, dass sie im Prinzip nichts verpasst.
Gibt es Menschen, die das Leben noch nüchtern ertragen? Und wenn ja – wie machen sie das? Haben sie in sich eine Art Perlator eingebaut?
bonanzaMARGOT
- 19. Feb. 17, 12:23
-
Berlin
"Oh Boy", 20 Uhr 15, 3sat
bonanzaMARGOT
- 18. Feb. 17, 12:13
Ein seltenes, trauriges, blödmännisches Wissen um die Wirklichkeit - auch ein zeitgemäßer Hieb gegen die Wirklichkeit...
Das Bewusstsein hat in der Sprache einen großen Sprung gemacht. Er flucht wie ein Sturzbach, pure Poesie...
Wir sind die sagenhaften Verdammten, wenn wir das ignorieren. Wahrscheinlich ist er der größte Dichter in Amerika, und in Europa verhungert er.
(Auszug aus Allen Ginsbergs Vorwort, Okt. 1957)
Funktionieren eigentlich die "twoday.net charts" (noch) korrekt?
bonanzaMARGOT
- 18. Feb. 17, 09:40
In den Winterbäumen hängen alte Gesichter. Dutzende. Die Hausfassade, ein Teil eines vieläugigen Leviathans, der sich durch die labyrinthische Stadt windet. Menschen erscheinen in den Fenstern, rauchen Zigaretten und lassen die Kippen hinuntersegeln. Auf dem Trottoir liegen sie zu Dutzenden wie nackte Leichen. Zwischen Splitt und Spucke.
Ich sterbe auf meine Weise. In einer zerbeulten, leeren Lachkonserve. Lange schon kaputtgelacht.
Aber man weiß nie, was noch kommt.
Wie alles anfing. Das Wasser floss noch schneller, und Gebüsche waren noch Gebüsche. Ritchie fuhr einen Fiat 500 mit Faltdach. Er war der erste von uns mit einem Auto. Wir waren Schüler des Ottheinrich-Gymnasiums. Die Schule lag in einem weitläufigen Komplex mit anderen Schulen und den Sportstätten am Stadtrand. Sie hatte nichts Besonderes, außer dass sie unsere Schule war. Tausend Pennäler wurden von mehr oder weniger dazu begabten Paukern unterrichtet. Jahr für Jahr wurden wir durch diese Wissensmühle gezogen, und plötzlich standen wir kurz vorm Ende. Zehn Jahre lang (inklusive Ehrenrunde) war diese Schule für mich zu einer meist ungeliebten Pflichtübung geworden. Andererseits entwickelten sich dort Freundschaften, die erste Liebe… Als mittelmäßiger Schüler am unteren Rand schlug ich mich so leidlich durch. Dementsprechend gehörten meine Kumpels nicht zu den Klassenbesten, sondern eher zu den Außenseitern. Was wir gemeinsam hatten: wir schissen auf die Schule (und überhaupt alles). Aber wir waren zu gut erzogen, um nicht eine Restdisziplin aufzubringen. Instinktiv wussten wir, dass ein Abbruch nur noch mehr Probleme brächte. Wir waren abhängig von den Eltern. Wir wussten nicht viel vom Erwachsensein und Geldverdienen. Was uns die Eltern vorlebten, erschien jedenfalls nicht sehr begehrenswert.
Ritchie war ein pummeliger, kleiner Typ, dem sehr früh die Haare ausgingen. Ich mochte sein Lachen, und er hatte schöne Augen. Und: er war kein Schwätzer. Schwätzer und Angeber waren mir schon immer ein Gräuel. Ritchie mochte Levis Jeans, Led Zeppelin und Fußball.
Endlich konnten wir unsere Entschuldigungen selbst schreiben! Den Sportunterricht am Nachmittag ließen wir gern ausfallen und unternahmen stattdessen eine Sause nach Heidelberg. Alles was weiter als fünf Kilometer von unserem Zuhause entfernt lag, bedeutete damals noch Abenteuer. Auf der Fahrt öffneten wir das Faltdach des Fiat 500 und sangen lauthals Beatles Songs nach oder französische Chansons, die wir bei unserem Französischlehrer gelernt hatten, einer der wenigen guten Pauker, ein Kettenraucher. Seine Stimme klang danach, und er lief ziemlich schlampig durch die Gegend. Aber wir hingen an ihm. Bei ihm fühlten wir uns verstanden.
In der Oberstufe hatten wir jede Menge Freistunden zwischen den Kursen (oder wegen Krankheit einer Lehrkraft). Ritchie fuhr oft für den Hausmeister mit der markanten Säufernase zum Supermarkt und besorgte dessen Lieblingswein für einen Obolus von zwei Mark. Das reichte für ein Sixpack Bier, das wir schnell noch vorm nächsten Unterricht vernichteten. Die Zeit bis zur nächsten Schulstunde musste dabei genau kalkuliert werden. In jedem Fall waren wir danach lustig drauf. So fing es damals an. Der Beginn meiner Alkoholkarriere.
"Road to Perdition", 20 Uhr 15, kabel eins
bonanzaMARGOT
- 15. Feb. 17, 15:47
Die Sonne scheint, aber sie prallt an mir ab.
Nach erfolgreicher Fortbildung und Prüfung verbringe ich die Tage mit Warten.
„Wir haben uns für Sie entschieden“, hatte die Frau von der Geschäftsstelle gesagt, „… wir werden uns bei Ihnen melden.“ Das war vor einer Woche. Ich kann es kaum glauben. Erst eine Woche. Es kommt mir so vor, als würde ich schon eine halbe Ewigkeit hier sitzen und warten. Einen kurzen Moment war ich glücklich und stolz, weil (fast) alles geklappt hatte… Es folgte Tristesse. Warum nur? Ist es die Angst vor dem neuen Job?
Ich fühle mich wie in einem Lähmungszustand, der mich von innen im Klammergriff hält. Der Himmel leuchtet in glattem hellen Blau über Berlin. Die Temperaturen klettern in den Plusbereich. Die Tage werden länger. Und ich verharre in der Zeit, als wäre ich innerlich vereist.
bonanzaMARGOT
- 15. Feb. 17, 11:34
-
Arbeitslos
"Das Schönste, was man jemand auf der Welt antun kann, ist, sich von ihm belehren zu lassen."
(John Steinbeck)
bonanzaMARGOT
- 15. Feb. 17, 09:21
bonanzaMARGOT
- 14. Feb. 17, 08:26
O. ist im Museum. Ich mag die Musealisierung nicht. Also blieb ich zuhause. Ich haue lieber ein paar Worte raus. Ich habe es nie geschafft, in einem Museum eine echte Verbindung zu den Exponaten herzustellen. Ich sah lediglich eine Sammlung von Schrumpfköpfen vor mir. Egal, um was es ging – moderne Kunst oder Altertum… Heutzutage wird alles Mögliche zur Schau gestellt. Bestimmt gibt`s auch Sehenswertes. Das will ich nicht abstreiten. Das Sexmuseum in Amsterdam? Oder Sex im Museum. Wer`s nötig hat. Es gibt genug Museen… und Kirchen. Ja, Kirchen mag ich auch nicht. Die sind per se museal.
Ich vertraue meinem Instinkt. Ich muss nicht lange drüber nachdenken über das, was ich mag oder nicht... Mir geht es wie den Hunden, die bellen, wenn sie einen Briefträger sehen. Nein, ich belle nicht bei Briefträgern. Sollte nur ein Beispiel sein. Natürlich hätte ich einmal Fünfe grade sein lassen und O. begleiten können. In welches Museum ging sie eigentlich? Sie sprach von einer interessanten Foto-Ausstellung. Mein Gott, was ist nur mit mir los, frage ich mich, dass mich so furchtbar wenig hinterm Ofen vor lockt? Möglicherweise gibt`s nur einen Schrumpfkopf – nämlich den auf meinem Hals.
O. ist ziemlich mies dran mit mir. Die einzigen Orte, zu denen sie mich mitschleifen kann, sind Kneipen und Biergärten. Oder an einen schönen Strand, wo ich`s nicht weit bis zu einem Ort habe, wo ich ein gutes kaltes Bier bekomme. Oder in einen Wald, in dem es neben Wildschweinen auch genügend Gastronomie gibt. Ich mag Wald, aber ehrlich gesagt kommt der mir auch immer musealer vor. Wie eigentlich alles. Ist das etwa nicht so? Und die besten Plätze sind meist schon reserviert. An den Stränden, in den Wäldern, auf den Bergspitzen…(sogar in den Kneipen). Die ganze Erde ist ein einziges großes Museum. (Voller Schrumpfköpfe.)
Warum Kneipen und Biergärten? Weiß nicht. Wahrscheinlich, weil ich bequem bin. Ich brauche nicht viel mehr. Mit welchen Intentionen die Menschen in Museen gehen, ist mir echt ein Rätsel – wie so vieles.
Heute ist wirklich nichts los mit mir. Kein rechter Antrieb. Der alltägliche stupide Wahnsinn in den Nachrichten. Zum Einschlafen.
Also stöbere ich ein wenig durch meine Texte. Während O. den Boden wischt. Und bleibe bei einem Gedicht aus dem Jahre 2002 hängen. Holla, die Waldfee! denke ich.
Viel Spaß beim Lesen.
Kontakt
Guten Morgen liebe Menschheit
ich habe eine gute und eine schlechte Nachricht
die schlechte zuerst
im Jahre 2019 schlägt ein Meteorit auf der
Erde ein und vernichtet alles Leben
außer den Insekten und Krebsen
und nun die gute Nachricht
bis dahin dürft ihr genauso weitermachen
wie bisher
und ich mit euch
feiere die Illusion des Lebens
auf einer Irrsinns Party , auf einer Weltuntergangs Party
sie hat schon angefangen
das Bier ist kalt gestellt, und die Toiletten sind frisch
geputzt
willkommen liebe Gäste
macht`s euch gemütlich, Kartoffelchips gibt es an
der Bar auf der Mauer von China
Scampi bekommt ihr auf Tahiti bei meinem lieben Freund
Marlow
der Schampus steht allerorts auf Eis
alles andere entnehmt bitte beiliegendem Prospekt
ich bin heute mundfaul
ach ja, vergesst bitte nicht neue Klopapierrollen
aufzuhängen, wenn ihr das letzte Fitzelchen
verbraucht habt
und benutzt ab und zu die Klobürste
ist das ein Wahnsinn zu wissen, an welchem Tag ich
abtreten werde?!
seitdem halte ich mich am Bier
ich schlafe unruhig
habe es aufgegeben die Tage zu zählen, die mir bleiben
mein Leben ist wie ein Eisberg, der vor
Australiens Küste schmilzt
werde ich es hinkriegen zu sagen
willkommen Tod ?
warum Krebs?
warum ein doofer Meteorit?
warum dieser Auffahrunfall im Nebel?
und wenn alles Bedeutung hat und wie ein überirdisches
Puzzle seltsam zusammengesetzt ist ?
willkommen liebe Freunde
der Tod macht den Barkeeper, und er mixt die besten
Cocktails
er jongliert mit ihnen, und er hat einen Gesellen
mit dem er zusammen seine Show abliefert
diese Vorstellung dürft ihr nicht verpassen
der Tod ist ein echter Magier
seine Cocktails sind wirklich unschlagbar
liebe Menschheit
7 Milliarden mal „ich“
ich spüre eure Gesichter in den Trambahnen
ich sehe euch auf den Plätzen neben der
Taubenscheiße sitzen
ich sehe euch arm und reich, verzweifelt und glücklich
nebeneinander
jeder einzelne ist ein Universum für sich
und sucht nach dem Kontakt
dem Funkenschlag der Liebe
oder dem Strom der Solidarität
here we are
ich gebe euch meine Seele, bevor ich sterbe
nicht aus Selbstlosigkeit
und nun möchte ich weinen
lasst mich in Ruhe
„noch ein Bier bitte“
„Jever oder Karlsberg?“
„egal“
„sieht nach einem Gewitter aus“
„ja, es wird bald regnen“
„der Sommerregen ist schön, wie er auf die Markisen
prasselt in Paris, Madrid und London“
„den schönsten Regen erlebte ich in Lisboa“
„ist es wahr?“
„ich glaube schon“
„darf ich deine Hand halten?“
„warum sind wir so allein?“
„ja“
„dann ist es vorbei? mit allem?“
„es fängt bald an zu regnen“
„lasse uns Hand in Hand im Regen stehen“
„weißt du, dass ich glücklich bin?“
…
(03.08.2002)
"Howl - Das Geheul", 22 Uhr 20, 3sat
bonanzaMARGOT
- 11. Feb. 17, 11:27