Ich bin ein Nazi
Als er in Cannes in einer Pressekonferenz sagte, er sei ein Nazi, kannte ich zwar seinen Namen als Filmemacher, konnte ihn aber nicht einsortieren. Nun druckte der Spiegel ein Interview mit Lars von Trier ab, und ich las, dass er u.a. "Breaking the Waves" drehte. Ein toller Film!
Nach der Lektüre des Interviews dachte ich bei mir: Dieser Lars von Trier ist ein Provokateur ganz nach meinem Geschmack.
Hier ein paar Aussagen, die ich mir anstrich:
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"Wenn die Depression dich voll erwischt, bist du wie die Maus in den Krallen der Katze. Du legst dich hin und sagst: "Los, jetzt friss mich endlich!""
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"Ich würde aufs Filmemachen sofort verzichten, wenn ich dafür diese Angststörungen nicht mehr hätte. Sofort. Als Kind habe ich immer gesagt: Ich kann es nicht abwarten, erwachsen zu werden, denn Erwachsene haben nicht diese Ängste. Tja, war nichts. Scheiße."
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"Die Therapie ist das Rationale, die Zivilisation. Die Depression ist die Natur. Und all meine Filme handeln davon, dass die Natur gefährlich ist. Es geht immer um Zivilisation gegen Natur, und natürlich gewinnt die Natur."
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"Wenn Sie Kunst produzieren, müssen Sie skrupellos sein. ... Man muss einen Schritt weitergehen als die anderen, wenn man etwas von wahrem Wert schaffen will. Ich bin skrupellos und gehe den Schritt weiter, selbst wenn es bedeutet, meine Filme unter Alkohol zu drehen."
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"Jeder von uns kennt in seinem Leben das Gefühl von Skrupellosigkeit. Deswegen wäre es verlogen zu behaupten, wir würden die Skrupellosigkeit Hitlers nicht verstehen. Dabei ist es doch gerade wichtig, ihn als menschliches Wesen zu begreifen."
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"Das Problem der Pressekonferenz in Cannes war: Als ich sagte, ich sei ein Nazi, hat keiner gefragt, wie ich das meine. Dann hätte ich erklären können, dass ich glaube, dass in jedem von uns ein kleiner Nazi steckt. Diese Erklärung fehlte."
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"Ich glaube wirklich, dass unsere Political Correctness gefährlich ist. Wir müssen die Dinge aussprechen, die wir nicht aussprechen dürfen. Aber damit lässt sich natürlich nicht verteidigen, was ich in Cannes gesagt habe. Ich hätte mich verständlicher machen sollen."
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"Bei männlichen Figuren stört sich niemand, wenn sie böse sind. Wenn ein Mann einen Sadisten spielt: kein Problem. Ist die Sadistin eine Frau, heißt es: Lars, du hasst Frauen. Überhaupt nicht. Ich beschreibe sie bloß. Es ist naiv anzunehmen, dass meine Haltung gegenüber Frauen sich in meinen Filmen manifestiert."
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Also, ich fand das Spiegel-Interview teilweise aufschlußreich und erheiternd. Seinen in Cannes vorgestellten Film "Melancholia" will ich mir unbedingt anschauen, wenn er hier in den Kinos läuft. Ich mag Menschen/Künstler wie diesen Lars von Trier, weil sie hinter die Fassaden schauen - und provozieren.
(Quelle: Der Spiegel Nr. 39/26.9.11)
bonanzaMARGOT
- 30. Sep. 11, 11:30
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