Wahn und Wirklichkeit
Ich hatte einen seltsamen Traum: Ich schrieb an einem Roman, in dem die Hauptpersonen sich selbst begegneten, also ihrem Alterego aus einer anderen Zeit bzw. einer anderen Lebenswirklichkeit, aber ohne dass sie sich wahrnehmen konnten. Die Kapitel des Buches durchdrangen sich merkwürdig, je nach Erzählperspektive. Leider war es mir nur im Traum begreiflich. An die Details der Geschichte erinnere ich mich lediglich bruchstückhaft.
Während ich mich im Halbschlaf von einer Seite auf die andere wälzte, sponnen sich heute Morgen meine Gedanken weiter: Ist es möglich, dass die Welt voller Spiegel ist? Und wir sehen überall uns selbst - eben nur in einer anderen Wirklichkeit; oder anders gesagt als jemanden, der wir genausogut sein könnten.
Spontan erinnere ich mich eines Gedichts zu dieser Thematik, welches ich während meinen Schreibanfänge (1979) schrieb. Also runter mit dem staubigen Ordner vom Regal ...
Hier ist es:
Egal
Ich frage mich
oft, warum ich gerade heute lebe
und nicht vor 2000 Jahren oder 100
oder vielleicht erst in der Zukunft.
Es muß folglich egal sein,
und wenn es egal ist, ist Mensch-Sein
zu allen Zeiten das gleiche Mensch-Sein.
Ich frage mich
auch, warum ich nicht Herr Schulze
oder Frau Meier bin, sondern gerade ich.
Also muss es egal sein,
und wenn es egal ist, bin ich
Herr Schulze wie auch Frau Meier.
Ich komme zu dem Schluß, dass es
zwei Ichs gibt. Das eine Ich sagt:
„Ich, Herr Schulze“ oder „Ich, Frau Meier“,
und das andere Ich ist von dem
Individuum losgelöst.
(1979)
bonanzaMARGOT
- 05. Feb. 11, 13:45
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