Donnerstag, 14. Januar 2010

Ich will hier raus!

An manchen Tagen habe ich das Bedürfnis wegzulaufen. Irgendwohin. Ich surfe über Auswanderungs-Websites, denke an meine Träume, in denen ich nach New York flog, erinnere mich an Francis, eine junge Internetbekanntschaft, die wahrscheinlich noch auf Sansibar weilt. Ausgerechnet lief dann heute Vormittag eine Doku im TV (auf Phoenix) über junge Leute, die ihr soziales Jahr weit weg im Ausland ableisteten: in Afrika und Indien. Ich zolle diesen jungen Menschen großen Respekt für ihren Mut und ihr Durchhaltevermögen.
Ach, wenn es so leicht wäre, einfach die Zelte abzubrechen, denke ich bei mir. Aber wo will ich eigentlich hin? Und was will ich in der Fremde machen ohne Sprachkenntnisse (außer schulische Grundkenntnisse in Englisch und Französisch, die längst in meinem Gedächtnis verstauben)?
Am Liebsten würde ich einfach durchstarten mit einer Kreditkarte, die mir überall die Türen öffnet …
Ich denke an Krimiklassiker wie “Tod auf dem Nil” und “Mord im Orient Express” von Agatha Christie. Mit einem Lottogewinn wären solche Trips wohl zu machen - es müsste gar keine Luxusreise sein. Der reichen Menschen mit ihrer Arroganz wäre ich sicher schnell überdrüssig. Trotzdem würde ich gern mal hineinschnuppern in die mondäne Welt, z.B. auf einem Kreuzfahrtschiff.
Als junger Erwachsener las ich gern Abenteuergeschichten von Autoren wie Melville, Stevenson und B. Traven und vieles mehr: Hemingway in Afrika, Knut Hamsun in Amerika, Jack London auf Goldsuche in Alaska …, Mark Twains “Abenteuer von Huckleberry Finn und Tom Sawyer”.
Ich träumte mich bei der Lektüre weg vom Alltag in die ferne Welt. Alles schien besser zu sein, als hier in einem goldenen aber von Bürokratie und Spießertum beengten Käfig festzusitzen. Mein Herz streckte sich nach der wahren Romantik des Tramps, nach Unabhängigkeit und Abenteuer. Und es streckt sich noch, mein Herz, obwohl ich längst von der Vernunft des Erwachsenen geläutert mir diese kindlichen Träume abschminkte. Es macht mich zu einem traurigen Clown. Ich trinke Bier und werde sentimental. Ich weiß doch zu gut, dass das Leben überall ein Kampf ist und ich mich glücklich schätzen sollte, im Wohlstand zu leben. Die Romantik des Tramps und des Seemanns ist eine fixe Idee - nicht mehr - eine fixe Idee des pubertären männlichen Geists. Nach solchen Traumreisen und Sehnsüchten ist das Ankommen in der Wirklichkeit brutal.
Das Fernweh, die Sehnsucht nach einem anderen Leben, glimmen jedoch weiter unter den schweren Holzscheiten des Alltags: der lähmenden Verpflichtungen, Ängste und Ausblicke …
Könnte ich mit den Worten davonfliegen. Könnte ich einfach in Frankfurt den nächsten Flug weit-weit weg nehmen.

ein literarisches Tagebuch

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