Dienstag, 11. Oktober 2016

I remember Antonin Artaud


...

Es gibt in der Magie
die fortwährende Einmischung Gottes,
nicht als ein Geist oder als ein Wesen,
sondern als einen noch mehr kariösen Zustand
des Herzens.
Denn was ist das Herz?
Eine Karies,
eine bohrende Fleischkaries,
deren Weichheit
diesen Organismus aus lauem und pochendem Blut
gemacht hat,
dieses fortwährende Erdbeben,
diese Ohnmacht des Lebens.
Was ist ein Herzschlag des Lebens?
Ein Leben, das plötzlich aufhört zu fließen,
dorthin zu fließen,
und wieder anfängt.
Womit angetrieben?
Das ist unbekannt.
Eine bereits düstere Notwendigkeit,
eine drohende Karies des Gehirns,
die den Kot aus rohem Fleisch wiederbelebt
und ihn antreibt, herzugeben, was er hat,
zu sagen, was er will und was er hat.



(Antonin Artaud, 1896 - 1948)

Wendepunkt


Wir sollten heutzutage jede Menge Zeit haben. Viele Tätigkeiten, die wir damals noch leisten mussten, nimmt uns heute die moderne Technik ab. Ich spare mir hier eine Aufzählung der vielen Beispiele. Seltsamerweise nahm aber der Stress zu, zumindest der subjektiv empfundene. Ich frage: Wo blieb die Zeit, die wir durch Erleichterungen im Alltag und in der Industrie einsparten? Sind wir geil auf volle Terminkalender? Kriegen wir den Hals nicht voll genug? Alles könnte doch durch den technischen Fortschritt heute viel gemächlicher ablaufen, stattdessen habe ich den Eindruck, dass eine seltsame Unruhe die Welt beherrscht… ähnlich einem Karussell, das sich immer schneller dreht.
Warum hasten wir wie die letzten Idioten durchs Leben? Stets soll man am Ball bleiben, sich fortbilden, mobil und flexibel sein… Wir befinden uns in einer Art Zentrifuge, welche nur noch Oberflächlichkeit produziert. Die eigentliche Substanz des Lebens geht verloren. So empfinde jedenfalls ich es. In meinem Leben kann ich sogar einen Wendepunkt diesbezüglich feststellen: nach den Achtzigern kam nichts mehr Gescheites… Die Welt explodierte förmlich zu Beliebigkeiten. Sicher gab es den Trend dazu schon vorher. Vielleicht schon immer. Ich weiß nicht. Ich spüre aber, dass ich mich zunehmend unwohl fühle in diesem Karussell, in welchem fast nur noch Geld, Eitelkeiten und geistige Flachheit die tragende Rolle spielen. Soll das unsere Zukunft sein?
Ich will weiß Gott keinen Rückschritt. Aber ich wünsche mir eine Welt, die ihre Werte besser sortiert und allgemeinverständlich darlegt. Vor allem wünsche ich mir eine Welt, in der wir jede Menge Zeit haben dürfen, ohne dass uns der Arsch auf Grundeis geht.
Weniger Ellenbogen und dafür mehr Mitgefühl. Und mehr Zeit für alles! Zeit dafür, dass wir erstmal erkennen, was es heißt zu atmen, zu leben, ein Mensch zu sein.

Montag, 10. Oktober 2016

Besser unangestrengt


Nun ist es richtig kühl. Ich war mit dem Fahrrad beim Frisör und Einkaufen, und mir wurde ungemütlich kalt – als wäre die Luft voller kalter Hände. Am liebsten igelte ich mich in der Wohnung ein. Ich suche Antworten für meine Zukunft, aber ich habe nicht mal die passenden Fragen dazu. Es ist wohl wieder so ein Steck-Den-Kopf-In-Den-Sand-Montag. Mir fehlen die Worte. Immerhin war ich beim Frisör. Es wurde wieder Zeit. Die Friseurin war unangestrengt nett. Wenn ich jetzt in den Spiegel schaue, ist es nicht mehr ganz so schlimm. Die Grins-Fresse ist freilich noch dieselbe.
O. unterrichtet bis halb Fünf. Wir wollen uns am Alex treffen, um für dieses Jahr noch mal einen Wochenendtrip in unserem Lieblingsreisebüro zu buchen. Es ist die letzte Gelegenheit, bevor wir beruflich für solche Geschichten zu eingespannt sind. Für O. kommt die Dozentur an der TU dazu, und bei mir beginnt dann bald die Fortbildung Tumordokumentation. Eigentlich wollten wir für ein verlängertes Wochenende in meine alte Heimat reisen, das Grab meiner Eltern besuchen. Ich hätte O. meinen Geburtsort gezeigt, und wir hätten einen Abstecher zu unseren Bekannten R & W gemacht. Aber erstens sind es Hin- und Zurück 20 Stunden Fahrt mit dem Fern-Bus, und zweitens ist mir momentan gar nicht danach. Ich möchte diese Reise irgendwann gerne zusammen mit O. unternehmen, aber nicht jetzt. Ich weiß nicht, was mit mir los ist. Jedenfalls brauche ich gerade alles andere als eine solche Anstrengung…, die es für mich auch seelisch wäre.
Also entschieden wir uns für einen kürzeren Trip – nach Schwerin. Zwei Tage, und die Fahrt dauert nur ein Viertel. Ich verstehe, dass O. noch mal raus will. Sie genießt solche Ausflüge, und mir schaden sie zumindest nicht. Ich stelle mir Schwerin schön im Herbst vor…

Samstag, 8. Oktober 2016

Die Nacht heilt


Heirat, Heimat, Heißa! Ich lag im Bett und fragte mich nach der Etymologie von Heirat. Das Licht war bereits ausgeknipst. Es gibt so viele Wörter, die man alltäglich in den Mund nimmt und so gar nichts von ihnen weiß. Mir wird klar, dass wir alle nur auf einer Oberfläche herumkratzen. Mehr ist für den Alltag auch gar nicht nötig. Unsere Begabungen sind speziell, aber sie heben sich objektiv nicht allzu sehr von denen anderer Lebewesen ab. Das Einbildungsvermögen des Menschen halte ich für außerordentlich. Hinzu kommen Sprache und beschränkt die Fähigkeit logischen Denkens. Der Mensch ist ein wundersames Tier, welches nicht nur der Erde, sondern vor allem sich selbst Probleme macht.
Ich lag im Bett, die Augen geschlossen und dachte so herum, angelte nach Träumen. Hinter dem Vorhang lag die Nacht, ohne Mond und Sterne. Ein dickes Wolkenpaket versperrte die Sicht. Ich musste dazu nicht hinausschauen. Ich forschte im Halbschlaf nach Wörtern mit der Vorsilbe „Hei“.
Heilen, Heide, Haifisch… Ich schmunzelte ins Kopfkissen. Neben mir der Atem meiner Partnerin. Wir leben seit zwei Jahren zusammen. Wahnsinn. In der Dunkelheit schmolz alles zusammen zu Ahnungen und Schatten. Mein bester Rückzugsort bin ich selbst. Ich liebe den Schlaf und die Ruhe. Wahrscheinlich erinnere ich mich dabei an den Zustand vor meiner Geburt in der Placenta meiner Mutter. Wozu aufwachen, wenn man endlos träumen kann?
Die Nacht machte mir nie Angst. Darum hielt ich es auch gut im Nachtdienst aus, selbst als ich schließlich alleine war. Alleine mit fünfzig alten, pflegebedürftigen und dementen Säcken. Tausendmal besser als der Tag mit seinen Idiotien, wenn die Maschinerie der Klotzköpfe die Regie übernimmt.
Seit zwei Jahren schlafe ich wieder nachts und wache am Tage. Ich ticke wieder normal, aber was ist schon normal?

Ich war nicht mehr auf Wörtersuche. Ich war im Niemandsland angekommen. Alle Gesetze nichtig, die von Menschen erhobenen wie die physikalischen. Mein Gehirn kotzte sich unkontrolliert aus. Nein, es war kein Kotzen, eher ein Würgen. Ich schaute mir selbst dabei zu…

Jedes Aufwachen eine langsame Geburt hinein in die Wirklichkeit der Klotzköpfe.
Muss man wissen, wofür das alles gut ist?

Freitag, 7. Oktober 2016

TV-Tipp:

"Spiel mir das Lied vom Tod", 23 Uhr 30, BAYERN

Donnerstag, 6. Oktober 2016

Shot




Es gibt Schlimmeres

Kurz und bündig


Wie kann man nur so gescheit sein?

Weiß nicht. Vielleicht einfach Eins und Eins zusammenzählen.

Für manche Gehirne sollte man einen Waffenschein fordern.

Denke ich auch.

Mittwoch, 5. Oktober 2016

TV-Tipp:

"Citizen Kane", 22 Uhr 15, Servus TV

Die Rolle des Moralisten steht mir nicht


„… böse Menschen ändern sich nicht“, las ich auf einem Blog, den ich regelmäßig besuche. Der Satz stand dort lapidar und unverrückbar einsam. Die Kommentarfunktion ausgeschaltet. Ich hätte gern etwas dazu geschrieben. Kann man diese Aussage einfach so im Raum stehen lassen? Ich lese Verbitterung und Ohnmacht…

Ich sperrte mich immer davor, Menschen wirklich böse zu nennen. Dass Menschen sehr-sehr böse sein können, liegt dagegen auf der Hand, wenn man nicht mit Scheuklappen durch die Weltgeschichte rennt. Ich glaube, dass es keinen einzigen Menschen auf der Welt gibt, der keine Schuld auf sich lud. Ich war im Verlaufe meines Lebens jedenfalls nicht immer gut zu meinen Mitmenschen (und Mitgeschöpfen). Noch heute schmerzen mich manche Fehltritte, vor allem wenn das von mir ausgehende Unrecht Menschen betraf, die ich doch liebte. Vieles kann man einfach nicht wieder gut machen und nur hoffen, dass einem verziehen wird. Es geht mir hier nicht um strafrechtlich relevante Vergehen, sondern um die Schmerzen und das Ungemach, was wir Menschen uns tagtäglich gegenseitig zufügen, indem wir uns nicht achten, uns beleidigen und demütigen. Wir sind ständig Opfer und Täter in einer Person, obwohl freilich jeder von sich behauptet, eine saubere Weste zu haben. Es ist einfacher, wenn wir das Böse bzw. Schlechte in den Anderen und nicht in uns selbst sehen. Eigentlich eine Binsenweisheit, die wir dummerweise hartnäckig ignorieren…

Wir Menschen begehen immer wieder denselben Fehler, dass wir gleich den ganzen Menschen, der eine Missetat beging, verurteilen. Jener Mensch muss selbstverständlich für das, was er tat, geradestehen – aber niemals dürfen wir ihn insgesamt als Menschen ächten.

Sagt mir bitte, wenn ich hier Bullshit rede. Die Rolle des Moralisten steht mir nicht.
„… böse Menschen ändern sich nicht“ – ich zweifle daran, dass sich Menschen überhaupt wesentlich ändern können, egal wie böse oder gut sie in ihrem Leben sind. Jeder biegt sich die Wirklichkeit oder Wahrheit für sich zurecht. So machten es die Menschen schon immer.
Wir spielen mit unserem Leben.

Mittwochs-Zitat

Glück scheint sich immer gegen denjenigen zu stellen, der am meisten davon abhängt.
(unbekannter Autor)

Lesenswert

die Rede von Bundestagspräsident Prof. Dr. Norbert Lammert zum Tag der Deutschen Einheit 2016 in Dresden

Dienstag, 4. Oktober 2016

Hoppe- Hoppegarten


… Kein Reiter fiel vom Pferd, soweit ich es sehen konnte. Es war ein stimmungsvoller Renntag zum Tag der Deutschen Einheit. Die Kulisse wunderbar. Ich hatte etwas Sorge wegen der Menschenmassen gehabt, aber es wurde Gott sei Dank nicht zu eng auf dem großen Gelände. An den Wettschaltern musste man natürlich etwas anstehen sowie an den Damentoiletten, wo sich lange Schlangen bildeten.
O. und ich waren zum ersten Mal bei einem Pferderennen, und gewettet hatten wir auch noch nie. Als Wett-Debütanten mussten wir uns erstmal etwas in der Programmbroschüre belesen, wo die verschiedenen Wetten erklärt waren und außerdem kurze Einschätzungen zu den startenden Pferde standen. Gar nicht so einfach… An die Kombiwetten wagten wir uns nicht. Wir setzten bei jedem Rennen geringe Geldbeträge auf Platz oder auf Sieg. Auf die Pferde einigten wir uns kurz vorher. Nach vier Rennen waren wir sogar etwas im Plus. Dann kam das sechste Rennen, „Der Preis der Deutschen Einheit“. Wir wagten etwas mehr und verloren. C`est la vie. Mit leichten Verlusten in der Brieftasche, für den Eintritt hatten wir bereits 18 € pro Person gelöhnt, machten wir uns auf den Heimweg. „Das müssen wir öfter machen“, sagte ich zu O.. Und sie stimmte mir zu, denn ansonsten war der Tag absolut gelungen. Allein schon wegen der gesamten Atmosphäre, der Spannung bei den Rennen…
Für 2016 endete allerdings mit diesem Event die Saison auf der Galopprennbahn Hoppegarten. Eine Alternative wäre die Trabrennbahn Mariendorf. Sicher werden O. und ich nicht zu Spielern. Aber wir entdeckten neue lohnenswerte Ausflugsziele für unsere Wochenenden in Berlin.





Da hängt der arme Jesus




... zwischen allerlei Blech beim Oktoberfest (Alexanderplatz)

Montag, 3. Oktober 2016

TV-Tipp:

"The Wolf of Wall Street", 22 Uhr, ZDF

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