boMAs Gedichte und Texte
Auch Buchstaben können zur Last werden. Manchmal stehe ich vor meinen alten Notizen, teilweise vor dem Computerzeitalter niedergeschrieben. Oder jedenfalls vor meinem persönlichen Computerzeitalter, als ich alles noch handschriftlich schrieb oder auf einer Kofferschreibmaschine Marke Olympia tippte. Was soll ich davon aufarbeiten? Ich blättere mit gemischten Gefühlen in den Annalen meines Gefühllebens. Es würde einige Arbeit bedeuten, dies alles nach bedeutenden sprachlichen und geistigen Essenzen zu durchforsten. Auf der anderen Seite wäre es schade, wenn ich es ohne nochmalige Durchsicht in den Müll schmisse. Und wenn schon wegschmeißen, dann bitte nicht so einfach in die Mülltonne kippen. Ich erinnere mich daran, wie wir nach dem Abi unsere alten Schulbücher und Hefte auf einem Feld aufhäuften und verbrannten. Wir vollführten eine Art Indianertanz um das Feuer. Ein wichtiger Lebensabschnitt war vergangen, und wir zelebrierten damit unseren Abschied. So ähnlich stelle ich mir auch den Abschied von meinen alten Gedichten und Notizen vor. Ich bin nur unschlüssig darüber, wie ich es für mich allein zelebrieren soll. Und ich traue mich irgendwie noch nicht. Dabei ist das Meiste wirklich Schrott …
Ich greife mir willkürlich eines der Notizbücher, schlage es auf – und stoße auf folgenden Text:
(Die unendlichen Ausbruchsversuche aus einem Kubikmeter Zeit)
Der Hubschrauber stürzte in den Wald – dreizehn Tote. Einer überlebte, einen zogen Passanten aus dem Wrack, bevor es explodierte.
Dem Tode entronnen, das ist wie eine Neugeburt, ganz unbegreiflich. Ich lebe! Schwein gehabt! Die Leichenteile fünf jugendlicher Kameraden liegen auf dem Seziertisch der Gerichtsmedizin. Ich sehe sie noch vor mir: Der Lange riss Zoten am Stück und kratzte an den Pickeln auf seiner Stirn. Sein pumuckl-roter Haarschopf fiel ständig darüber. Wir hatten das große Los gezogen: Rundflüge übers Festgelände in diesem geilen Militärhubschrauber. Es war aufregend, wie die Rotorblätter knatterten. Ich dachte an den Film „Apocalypse Now“, Vietnam und so`ne Scheiße. Wagnermusik. Wir fühlten uns ungeheuer stark. Der Lange riss weiter Zoten, und wir lachten – so ein verschwitztes, künstliches Lachen. Ich hätte vorher Pinkeln gehen sollen, dachte ich fortwährend. Es war ganz schön lärm-intensiv in dem Hubschrauber. Kurz bevor es passierte, beobachtete ich eine kleine Fliege zwischen uns. „Eine Fliege im Flieger“, dachte ich. Es war ungeheures Sommerwetter, astreines Himmelblau. Es roch nach Gummi und Öl. Und dann dieses Knattern! Dreizehn Menschen überlebten die nächste Minute nicht. Die Statistik des Todes reihte sie zu den Unfallopfern in der Luftfahrt. Der Lange guckte erschrocken, als es abwärts ging. „Ein Scherz!“ musste er einen Funken lang gehofft haben.
Der Tod ist ein Angler am Fluss des Lebens. Die Köder, die er auswirft, sind nebensächlich. Der Tod hat die Geduld eines Weisen. Er sitzt am Ufer und betrachtet amüsiert unser Treiben. Ein paar von uns zappeln bereits wieder im Kescher. Der Tod greift neben sich in eine sich von selbst auffüllende Kiste Bier. Der Kronenkorken schnalzt weg in die Landschaft – der Tod besorgt das mit einer eleganten Bewegung seines Daumens. Er leert die Flasche halb und greift mit der anderen Hand in den Kescher. Vierzehn von uns zappeln darin. Den fettesten greift er heraus und wirft ihn in hohem Bogen zurück in den Strom.
(07.06.1996)
Man sage besser nicht seinen eigenen Tod voraus – denn das könnte fatale Nebenwirkungen haben, nämlich, dass man wirklich stirbt. Man bedenke, es wird von Tag zu Tag wahrscheinlicher. Wenn man also die Todesprophezeiung nur oft genug ausspricht, wird sie auch eintreffen. Hinzu kommt, dass man das Leben beim Warten darauf vergisst. Und dann der psychologische Effekt der sich selbst erfüllenden Prophezeiung … Da sage ich doch lieber voraus, dass ich in den nächsten Stunden das ein oder andere Bier trinken werde. Außerdem sage ich voraus, dass heute Abend 22 Uhr 10 eine Folge von „Columbo“ auf SUPER RTL läuft. Da kann man Peter Falk (der im Juni 2011 abnippelte) in seiner bekanntesten TV-Rolle sehen. Da ich ihn nur durch seine Filme kannte, ist er im Prinzip nicht wirklich für mich gestorben. Die Columbo-Filme werden noch eine Ewigkeit über den Bildschirm flimmern. Dasselbe gilt für viele andere Schauspieler, Künstler, Schriftsteller. Und sowieso für jene, die schon tot waren, bevor ich geboren wurde – weil die bereits hinüber waren, als ich sie kennenlernen, bzw. lesen konnte. Die werden für mich nie sterben.
Nun behaupte mal einer, das Leben sei nicht mumpf. Okay ich suche ein anderes Wort … mal überlegen. Schlamassel. Ja, Schlamassel trifft es auch ganz gut! Aber mumpf ist mehr.
Beim Tod der Eltern ist es was anderes. Da bin ich selbst das Buch oder der Film, in dem sie weiterleben. Und dazu noch ein lebendiges Buch … Jedenfalls im Augenblick. Noch. Nein, ich will nicht den eigenen Tod vorhersagen. Obwohl ich ganz gewiss sterben werde. Wozu noch beschreien?
Viel lieber prophezeie ich, dass in den nächsten Tagen Frühling wird – und zwar richtig! So ganz richtig, dass man der Natur beim Poppen zuschauen kann!
Mit Zwanzig denkt man noch nicht darüber nach, wenn die Richtige nicht dabei ist; mit Dreißig auch noch nicht wirklich. Man probiert herum und sammelt Erfahrungen. Mit Vierzig kommt man ins Grübeln. Da werden viele Ehen schon wieder geschieden, und man befindet sich immer noch im Versuchsstadium. Und mit Fünfzig ist man nahe dran, den Kopf in den Sand zu stecken – man denkt: die Richtige gibt es nicht für mich.
Er war Fünfzig und rekapitulierte sein Liebesleben. Er hatte einige große Lieben, vor allem in den ersten Jahren. Da waren langjährige Beziehungen darunter. Langjährig hieß in seinen Beziehungsmaßstäben mindestens zwei Jahre. Mit Anfang Dreißig kam eine Flaute. Er ging durch eine Lebenskrise, und es entstanden kaum feste Beziehungen. Mit Vierzig holte er einiges nach. Er fühlte sich im Aufwind. Seine Lebenssituation hatte sich wieder gefestigt, und wie durch ein Wunder lief es auch wieder in der Liebe besser.
Tja, nun war er Fünfzig - stand mal wieder mit leeren Händen da. Vor wenigen Monaten besaß er noch alle Perspektiven auf ein Zusammenleben mit einer Frau. Doch plötzlich zerplatzten alle dahingehenden Träume wie Seifenblasen. Vielleicht nicht ganz plötzlich. Es hatte nicht sein sollen, wie man so schön sagt. Die Liebe war nicht haltbar oder nicht groß genug, oder die Unzufriedenheit wurde zu groß, oder es gab zu viele Unterschiede in den Vorstellungen über das Leben, speziell über das Zusammenleben. Er fühlte sich schnell eingeengt. Wenn Intimität zur Gewohnheit wurde, verlor er die Lust daran. Er hasste den schnöden Alltag mit Familie und Pflichten, währenddessen für die Frauen die Familie an erster Stelle stand. Das beinhaltete den Wunsch nach einem verlässlichen Partner, der sich einbinden ließ. Er lernte schon seit Jahren fast nur noch geschiedene Frauen mit Kindern kennen. Die waren entweder nur auf ein Abenteuer aus, oder sie suchten einen Ersatzmann für den verlorengegangenen. Er kannte die Erwartungshaltungen der Frauen gut genug und versuchte Kompromisse einzugehen. Warum sollte er sich für eine Frau, die er liebte, nicht ändern können?
Doch er konnte seinen Freiheitsdrang nicht dämpfen. Nach einer Phase der Verliebtheit wuchs in ihm beständig der Wunsch auszubrechen. Er wollte es selbst nicht wahrhaben. Es musste doch möglich sein, einmal zur Ruhe zu kommen. Am Besten wäre eine Frau, die ähnlich wie er keinen Alltag in der Liebe wollte, aber wohl schon eine beständige Beziehung. Fernbeziehungen waren gar nicht so schlecht geeignet, wenn sie nicht zu fern waren. Ganz wichtig für ihn war, dass man sich nicht auf der Pelle hockte. Auf der anderen Seite durfte die Bindung auch nicht zu lose werden. Liebe und ein großes gegenseitiges Interesse waren natürlich Grundvoraussetzungen. Verspürte man keine Sehnsucht mehr auf den anderen, konnte man es getrost knicken.
Gab es überhaupt solche Beziehungen, wie er sie sich vorstellte? Und gab es dafür eine passende Partnerin? Oder befand er sich auf dem Holzweg? Wusste er denn sicher, was er wollte? Ohne Frau wollte er nicht leben – das wusste er. Und eine Sex-Beziehung war ihm zu wenig – wenn auch besser als nichts.
Er war Fünfzig. Langsam schwammen ihm die Felle davon. Das heißt: Vitalität und Gesundheit ließen nach, nicht eklatant, aber es ließ sich nicht mehr wegretuschieren bzw. leugnen oder wegdenken. Wahrscheinlich ging es anderen in dem Alter genauso. Er konnte keine große Ausnahme sein. Das dachte man zwar oft, aber man war viel normaler, als man es glauben wollte. Ohne ein weiteres Liebesglück wird gar nichts gehen, dachte er bei sich; dabei hatte er bisher Liebesglück gehabt, welches bequem für mehrere Leben reichen könnte. Und alles verspielt. Er gewann und verspielte es wieder. Eigentlich war er keine Spielernatur. Er dachte viel zu nüchtern. Außer in der Liebe.
Das rote Fahrrad,
ich weiß nicht, wie lange es schon
an der Bushaltestelle steht,
gelehnt an einen Laternenpfahl,
die Reifen platt,
der Schaumstoff quillt aus dem Sattelbezug,
Rahmen und Felgen rosten vor sich hin.
Das rote Fahrrad
ist mir vertraut wie die Bushaltestelle selbst,
wir verbrachten Stunden gemeinsamen Wartens.
Es zieht meinen Blick jedesmal an, und ich
begrüße es wie einen Bekannten.
Wahrscheinlich würde mir etwas fehlen,
wenn es eines Tages nicht mehr dort stände.
Verwandle alles Gold in Wasser. Verwandle die Straßen in Wiesen und alle Autos in Büsche und Bäume. Zertrete die Konsumtempel und katapultiere die Börsen ins All.
Schütze aber aufrichtiges Handwerk und den schlichten Arbeiter. Schütze die Benachteiligten und Armen. Bewache die Liebenden. Gebe den Durstigen zu Trinken und den Hungrigen zu Essen. Schenke dem Frierenden eine warme Zuflucht und dem Einsamen ein Zuhause.
Verwandle alle Waffen in Brot. Verwandle den Krieg in Frieden. Nehme den Diktatoren ihre Macht. Versage den Reichen den Reichtum.
Schenke den Regierungen Weisheit. Schenke allen Menschen Einsicht und Weisheit. Öffne ihren Blick für das Wunder der Natur. Lehre ihnen Ehrfurcht vor den Dingen.
Verbanne den Hass aus meinem Herzen. Schenke mir Ruhe und Kraft. Behüte mich vor den Versuchungen, vor Gier und Niedertracht. Bewache meinen Geist und gebe ihm Nahrung. Beschütze mich auf meinen Wegen. Verleihe mir Demut, Vertrauen und Güte. Führe meine Sehnsucht ins Licht.
Du bist die Liebe. Du bist die Hoffnung und das Leben. Du bist das Blut und der Tod. Du bist das Gestern und das Morgen. Du bist die Blume meines Herzens. Du bist das Meer meiner Seele. Du bist Berg und Tal meines Geistes. Du bist mein Gewissen. Du bist mein Gefäß. Ich bin dein Gefäß. Du bist mein Schatten. Du bist die Sonne, und du bist die Nacht. Du bist der Regen und der Wind. Du küsst meine Tränen und schenkst mir Lachen.
Heute will ich dich würdigen. Heute will ich dir meine Beachtung schenken. Heute will ich vor dir niederknien. Heute richte ich meine Worte an dich, einem Gebet gleich. Heute soll jeder meiner Atemzüge dir gelten. Heute will ich dir danken.
Ich danke dir, Namenloser, dass ich lebe. Ich danke dir für die Zeit, die du mir auf dieser Welt gibst. Ich danke dir für dein Wohlwollen. Ich danke dir für deinen Schutz. Ich danke dir für dein Verzeihen. Ich danke dir für die Vollkommenheit wie auch für die Unvollkommenheit. Ohne dich wäre ich nichts.
Ich hebe mein Glas, Namenloser. Ich stoße mit dir an. Auf Alles und Nichts. Auf Dasein und Tod. Auf Licht und Schatten. Auf die Galaxien und Sterne. Auf die Erde! Auf das Kleine und das Große. Auf Anfang und Ende. Auf die Erkenntnis – aber auch auf die Blindheit. Auf die Liebe! Auf Verlierer und Sieger. Auf das Ganze. Auf die Toten. Auf die künftigen Generationen. Auf das Heute! Auf uns.
Ich bin froh, dass der Himmel blau ist. Und nicht rot, grün oder braun. Ich liebe das Blau des Himmels. Dieses Jahr sah ich ihn meist verhangen. Wie mit alten, schmuddeligen Gardo-Gardinen.
Am Liebsten würde ich aus dem Wort Liebe ein Pferd mit Flügeln basteln und mich mit ihm in die Lüfte erheben. Auf die Erde hinunterblicken, wie klein alles ist. Nichts kann mir etwas anhaben.
Ich sitze auf dem geflügelten Wort Liebe und fliege der Sonne entgegen. Mit großer, bunter Sonnenbrille auf der Nase. Dazu Musik von David Bowie.
Das Leben ist ohne Träume trostlos. Total trist und dröge. Sozusagen im Eimer. Oder am Arsch.
Ich bin froh, dass ich mir den Himmel blau träumen kann. Dass ich die Liebe als geflügeltes Pferd sehe. Auf dem ich nie friere. Und das mich nicht abwirft.
Heute ist der Himmel glatt und blau. Gott rasierte sich und ist ein gütiger Vater. Die Sonne eine strahlende Mutter. Ich lehne mich an ihren wärmenden Strahlenvorhang. Ein Tag wie Rasierwasser. Ein Tag wie frisch gewaschene Wäsche.
Soll doch kommen, was kommt. Ich trage meine Träume immer bei mir. Nur Träume helfen gegen den Seelenschmerz. Träume von Freiheit. Von Liebe. Von lebensfrohen Menschen. Von einem Hafen. Von Zärtlichkeit.
Ich bin froh, dass heute heute ist. Gestern gestern war. Dass der Himmel blau ist. Und nicht rot, grün oder braun.
Tränen im Sonnenlicht. Perlen meiner Träume. Geschenke der guten Geister. Sphärenklänge. Ich reite auf dem geflügelten Pferd höher und höher in den Weltenraum. In die Zeiten. In die Äonen von Sein und Nichtsein. Wo sich die Größen verlieren. Wo die Engel tanzen. Wo es keine Fragen mehr gibt.
Lasse dich nicht auf Zicken oder Glucken ein.
Ich weiß doch – aber was für Frauen bleiben da noch übrig?
Die Stimme schweigt.
Dachte ich mir fast. Typisch Gott. Er wirft was in den Raum, und wenn`s kompliziert wird, lässt er uns allein und verweist auf den Papst und andere Pappkameraden.
Soll ich vielleicht ins Kloster gehen?
Immer noch Schweigen.
Ach so, darum das Zölibat. Endlich kapiere ich das mal. Aber ich will nicht asexuell leben! Das ist doch unfair. Ich würde sogar meinen, dass das Erpressung ist!
Gott furzt. Gott gähnt – und sagt: Du Hurensohn glaubst sowieso nicht an mich.
Allerdings. Ich glaube nicht jeden Schwachsinn, bloß weil deine Gehirnwäsche bei vielen anderen griff. Lenke nicht vom Thema ab.
Fuck, bonanzamargot, ich sagte lediglich, dass du die Finger von Zicken und Glucken lassen solltest. Soll ich dir vielleicht die richtige Frau backen?
Quark. Du hättest einfach nicht so viele Glucken und Zicken aufs Ofenblech legen sollen. Warst du besoffen, als du die Frauen gebacken hast?
Nö, bei dir war ich besoffen.
Sehr witzig. Wirklich. Göttliche Ironie?
Gott furzt. Gott gähnt.
Genau, stinke doch die ganze Welt voll! Das kannst du am Besten. Bist du überhaupt Gott? Vielleicht geriet ich an den falschen. Wie heißt der andere noch?
Hey, bist du am Ende der Teufel und verarschst mich bloß???
Die Stimme schweigt.
Mir wird plötzlich sehr warm. Die Sonne scheint mir direkt aufs Kreuz.
Im Fernsehen sehe ich Renate Künast. Ich habe sie voll im Bild. Mir schaudert. Aber reden kann sie. Na ja, ich bin auch nicht fotogen. Möglicherweise sieht sie im Bett ganz nett aus …
Lasse dich nicht auf Zicken oder Glucken ein!
Ja, weiß doch. Was meinst du ,warum ich so viel saufe, Baby Blue?
Ich hätte meinen Vater gerne als jungen Mann erlebt
er erzählt nicht viel von sich
aber einige Prinzipien wiederholt er ständig
alles muss seine Ordnung haben
vor anderen sollte man nie schlecht dastehen
er hatte früher immer einen Fünfzigmarkschein
im Geldbeutel, erzählte er mir
nicht um ihn auszugeben, sondern
um ihn dabei zu haben
mein Vater wuchs in Pommern auf
es müssen ziemlich raue Sitten gewesen sein
auf den Höfen, im Dorf
dann die Flucht vor den Russen
bevor er meine Mutter kennenlernte
entdeckte er seine Liebe zu den Traktoren
er arbeitete sich zum Kfz-Meister hoch
ich erlebte ihn als einen Mann, der
seinen Prinzipien treu war
Wenn ich ihm heute begegne
bewundere ich seine Standfestigkeit bis ins Alter
sein Jähzorn verrauchte, und ich höre
ein gutes Stück Weisheit, wenn
er wieder von seinen Prinzipien anfängt
- es darf nur nicht überhand nehmen
(2004)
Ich höre seine Stimme, sehe sein Gesicht vor mir
sein Blick wurde in den letzten Jahren etwas unsicher
auch sanfter
er war ein Mann der Tat
ein Schaffer
er gab meiner Mutter Halt in Zeiten der Krankheit
und Not
er gab auch mir oft Halt, wenn ich mal wieder Mist gebaut hatte
über seine Gefühle und Gedanken redete er nicht gern
ich mochte den Geruch der Werkstatt an ihm
ich bewunderte sein handwerkliches Können
seine starken Hände, mit denen er auch weh tun konnte, wenn
der Zorn ihn überwältigte
er war mir fremd und nah zugleich
ganz ohne viele Worte
sozusagen unter Männern
Schwäche passte nicht in seine Welt
was er nicht verstand, tat er mit einer Handbewegung ab
aber sein Herz war weicher, als er zugeben wollte
mein Vater
er schloss heute Morgen für immer die Augen
(27.02.2013)
The Jazz got me. The rhythm me, the saxophone has me, the bass me. The snow me, fine as needle tips, tenderly as your fingertips. At that time back then in another winter, in another life, on another planet, felt ages away from me. Your saxophone from another galaxy. My heart a radio telescope. Nothing escapes me.
Wenn ich im Taxi sitze, kann ich mich schon die Haustüre aufschließen sehen. So in etwa. Manche Sachen sind so klar wie die wiederkehrenden Jahreszeiten. Wir leben in Mustern, in Spiralen. Drum wundere ich mich über fast nichts mehr. Es wechseln nur die Orte und Personen aber nicht die Bedeutungen. Ich kann mich selbst beim Bier sitzen sehen, beim Einkauf, oder wenn ich mich selbstbefriedige. Normalerweise denke ich darüber nicht nach. Jedes Leben funktioniert so ähnlich. Wie auf einer Rennbahn. Man fährt seine Runden. Man kann nicht einfach stehenbleiben und einen anderen Weg nehmen.
Nach einigen tausend Runden weiß man dann schon, was kommt. Man sieht es ausserdem zur Genüge an den anderen.
Wenn sie rausfliegen. Oder einen Crash bauen. Oder wenn sie einfach auf der Strecke bleiben.
Motorschaden.
Ich wusste, dass es so kommt. Es braucht nur etwas Ehrlichkeit, um zu wissen, was kommen wird. Drum will ich gar nicht jammern. Und für die anderen kann ich auch kein Mitleid empfinden. Es ist nunmal so. Am Besten lernt man frühzeitig, ein guter Verlierer zu sein. Meiner Meinung nach kommt man so am Besten über die Runden. Und man wird sich über die Platzierung wundern. Dabei sollte sie einem wurscht sein.
Ich kann die Zukunft zwar nicht im Detail vorhersehen, aber ich habe ein Gefühl für die Zukunft. Ich spüre, was geht, und was nicht geht. Ich rieche, wenn etwas in der Luft liegt. Dieser Winter ist nicht mein Winter. Das wusste ich bereits im Spätsommer letzten Jahres. Es war wie ein Güterzug, den ich immer näher kommen hörte. Und ich konnte nichts machen. Ich musste zuschauen, als ob ich einem Film zuschaue und mehr oder weniger weiß, wie die Handlung weitergeht. Ich kann den Film nicht ausschalten. Ich bin eine Marionette. Ich kann es nicht ändern. Aber ich darf mir darüber den Mund fransig reden. Das darf ich. Das machen wir Menschen gut. Wir reden uns die Seele aus dem Leib. Und die Worte verlieren dabei an Bedeutung.
Verdammt!
Ich wusste, dass es so kommt.