Nach der Nachtwache ist vor der Nachtwache
Schwül. Kein Lüftchen. Von wegen Sonne. Pfingstsonntag. Bis Mittag geschlafen. Der Nachtdienst wie meist. Windeln und Medikamente. Matschkopf.
Im Halbschlaf Spongebob Schwammkopf stundenlang. Irgendwie passend.
Der Berg wartet auf mich. Ich will zum Dienst radeln. Sieben Kilometer, vierhundert Höhenmeter, eine dreiviertel Stunde ordentlich in die Pedale treten. Sonn- und feiertags fährt morgens kein Bus (also, ich komme hoch aber nicht runter). „Fuck the Pfingsten“ werde ich auf der Strecke denken.
Ich schalte um auf den Großen Preis von Monaco ...
HB Toilette in Klagenfurt mit Trinkanimation
Irgendwann heute Nacht träumte ich, mein Bruder würde nach einem Schlaganfall ins Altenheim kommen, in das Altenheim, in dem ich arbeite. Der Riesenkerl, - ich konnte ihn kaum halten. Er hatte `ne Aphasie und war halb gelähmt … Der Traum war nicht schön. Ich sagte zu ihm: „Wir müssen doch zusammenhalten!“ Ausgerechnet ich sagte das.
Der gestrige Sonntag steckt mir noch in den Gliedern – sagt man doch so, wenn einem etwas nachgeht, nicht nur auf die Glieder bezogen. Es war ein Betttag. Ich machte nichts, als mit meinen Eltern zu telefonieren, ein wenig zu bloggen und meine Wäsche zu waschen. Letzteres erledigte die Maschine. Es war nichts mit mir anzufangen. Nebenbei liefen im TV der Große Preis von Spanien, das Ende von „Men in Black II“, wie die Borussen in Dortmund den Pokalsieg feierten und am Abend die Ergebnisse der Nordrhein-Westfalen-Wahl und die politischen Diskussionen darüber. Ich knuddelte zwischenzeitlich meine Kissen und ratzte das ein oder andere Stündchen. Wenn ich mehrere solcher Tage in Folge hätte, würde ich mir Antidepressiva verschreiben lassen. Auch habe ich den Verdacht, dass Depressionen ansteckend sind, sogar über hunderte Kilometer hinweg …
Der Kopf ist dann wie verstopft. Alles ist verstopft. Sonntage eignen sich klassisch für solche Zustände. Es ist ähnlich wie ein Stau auf der Autobahn oder zähfließender Verkehr den ganzen Tag über, weil alle nach Disneyland unterwegs sind. Am späten Abend nahm ich zwanzig Laxoberaltropfen – wenigstens die Verstopfung im Darm wollte ich bekämpfen. Inzwischen löste Columbo auf einem Traumschiff einen Mordfall. Das war das letzte, an das ich mich erinnern kann, bevor ich von meinem Bruder träumte. Und bald sollten auch die Abführtropfen wirken.
Etwas leichter fühle ich mich heute Morgen. Nicht gänzlich unbeschwert – dazu war der Tag gestern einfach zu grässlich. Außerdem muss ich heute schon wieder in den Nachtdienst, wenn auch nur zwei Nächte lang. Danach geht`s nahtlos nach Kärnten für eine Woche. Ich wünsche uns gutes Wetter und wenig Verstopfungen.
„Mit den Frauen ist es wie mit Schuhen – auf die Gefahr hin, dass ich gelyncht werde ...“, hatte ich gestern Abend notiert. Vergleiche hinken natürlich alle irgendwie, aber in gewisser Hinsicht können sie auch zutreffen. Jedenfalls sollten sie eine Sache neu oder auf ungewohnte Weise beleuchten. Wie kam ich gestern nur darauf, Frauen mit Schuhen zu vergleichen? Es war ziemlich warm, sommerlich heiß, könnte man sagen. Vorm Nachtdienst saß ich noch vorm Kaffeehaus, und Klaus laberte mir die Birne weg. Es ist nicht selten, dass ich mir nebenher was notiere, und später kriege ich die damit einhergehenden Gedanken nicht mehr zusammen. Wenn ich im Nachtwachenblock bin, habe ich sowieso Konzentrationsschwächen. Es macht mir dann sogar Mühe zuzuhören. Dazu dieses momentane Hin und Her beim Wetter. Einen Tag friert man, und den anderen schwitzt man in der Sonne ...
In einer Hinsicht kann man Frauen jedenfalls nicht mit Schuhen vergleichen: Schuhe reden nicht. Und Schuhe haben keine Orgasmen. Außerdem würde man von seinen Schuhen nicht gelyncht werden. Ich kann nur mehr vermuten, was ich mir bei dieser Allegorie dachte ... Der Schuh sollte passen, sagt man landläufig, oder: dann wird daraus ein Schuh … (Grübel.)
Kriterien bei Schuhen sind: Bequemlichkeit, Haltbarkeit, Aussehen. Manche meinen sogar, Schuhe seien sexy. Vor allem Frauen haben eine seltsame Beziehung zum Schuhwerk. Zeige mir deinen Schuhschrank, und ich sage dir, wer du bist. Ich stehe hingegen mehr auf Qualität statt auf Quantität. Ich neige zur Monoschuhgamie. Habe ich einen Lieblingsschuh, trage ich diesen, bis er auseinanderfällt. Nein, nicht wirklich. Vergleiche hinken eben. Frauen kann man nicht neu besohlen lassen. Aber sie gehen zum Schönheitschirurgen …
Ich liebe meine neuen Schuhe. Es macht richtig Spaß, sie zu tragen. Wie kam ich eigentlich zu ihnen? Ich meine, ich hatte nur eine diffuse Vorstellung: ich wollte Halbschuhe. Und irgendwie war es dann Liebe auf den ersten Blick. Wichtig ist für mich, dass ich die Schuhe zu möglichst vielen Kleidungsstücken tragen kann, sie aber trotzdem Individualität und Stil besitzen. Mit den Frauen ist es natürlich nicht wie mit Schuhen. (Quark.) Wenn ich übermüdet bin, ist mein Kopf wie ein Puzzlespiel. Ich kriege die Gedanken nicht sinnig zusammen. Es ist zum Schuheschmeissen!
Der pummelige, dunkelhäutige McDonalds Mitarbeiter hatte die Arschkarte gezogen. Die Küche lieferte ihm keine Cheeseburger und keine Doppelcheeseburger. Die Kunden, darunter ich, wurden immer ungeduldiger, und er immer nervöser. Die Küche ließ ihn da vorne an seiner Kasse sprichwörtlich verhungern. Dabei taten sie dahinten sehr beschäftigt. Nur die scheiß Cheeseburger und Doppelcheeseburger kamen nicht bei. Weiß der Teufel warum. Hätte ich nicht schon bezahlt, wäre ich wieder gegangen. Ich stand mir bereits zehn Minuten die Beine in den Bauch. „Wo bleiben die verdammten Cheeseburger?!?“ schimpfte ich. „Noch zwei Minuten“, vertröstete er mich schwitzend, während er wie ein aufgeschrecktes Huhn hin und her rannte und die neuen Bestellungen bearbeitete. Er tat mir leid. Was für ein Scheißladen! Aber ich war müde wie Sau. Nach dem Nachtdienst war ich nach Heidelberg zum Bahnhof gefahren, um das nächste Zugticket nach Kärnten zu kaufen, - die Fahrkarte in meine Zukunft, zu meinem Glück. Auf die Schnelle wollte ich einen Imbiss mit nach Hause nehmen. Ich wäre besser zum Chinesen gegangen, oder zum Türken gegenüber. Schließlich reichte mir der Gestresste eine Tüte. „Da ist nur ein Cheeseburger drin! Ich bezahlte drei!“ sagte ich einigermaßen ungehalten. „Entschuldigen Sie ...“, stammelte er und rannte verzweifelt hin und her auf der Suche nach den Cheeseburgern, die nicht beikamen. Die Kommunikation zwischen ihm und der Küche schien überhaupt nicht zu funktionieren. `Wie lange wird er das noch durchhalten?`dachte ich bei mir. Irgendwo organisierte er noch einen Cheeseburger. Schließlich fragte er mich, ob ich auch einen Hamburger nehme. Ich nahm den Hamburger als dritten Cheeseburger und verließ fluchtartig diesen Ort des Grauens. In der Zeit, wo ich bei McDoof wartete, hätte ich im Lokal ein Schnitzel mit Pommes serviert bekommen. Auf dem Weg zum Taxistand sah ich vor meinem geistigen Auge folgende Bild-Schlagzeile: Cheeseburger Pleite bei McDonalds. Junger Farbiger an der Kasse von erregten Kunden gelyncht ...
Es ist warm genug, ein paar Pflanzen in den Wintergarten zu stellen, das heißt: mein Wintergarten ist ein unbeheiztes Eingangsfoyer, oder sagen wir besser unprätentiöser ein Vorraum, den ich mal wieder durchfegen sollte.
Als ich aufwachte, war es bereits halb Drei. Mitten am Tag. Ich sperrte das Fenster auf und ließ die Frühlingsluft herein. Obwohl ich noch im Tran war, wurde ich durch den Luftzug zu ein paar Aktivitäten angespornt, wie: Abwaschen, Bett beziehen, Wäsche waschen, Wollmäuse unterm Bett und in den Zimmerecken jagen und Staubwischen.
Nun reicht es aber. Ich schaue auf die Uhr: in drei Stunden fährt bereits wieder mein Bus hoch zum Nachtdienst. Es ist eigentlich ein herrlicher Tag draußen. Ich stelle mir vor, wie die Menschen scharenweise unterwegs sind … mit dem Auto, dem Fahrrad, auf Inlineskatern, zu Fuß, in den Biergärten klönend oder auf 1. Maiveranstaltungen. Vor vielen Jahren machte ich mit meinen Kumpels auch noch 1. Mai Ausflüge. Dazu wäre heute ein klassisch guter Tag. Mir geht aber auch nichts ab, wenn ich an solchen Daten zuhause bleibe. Früher dachte man, man würde etwas vom Leben verpassen. Schon lange sind Weihnachten, Ostern, Pfingsten, der 1. Mai oder Silvester Tage wie alle anderen in meinen Augen, nur dass die Geschäfte geschlossen haben und viele meiner Mitmenschen von einer seltsamen Feierlaune erfasst sind. Komisch, wie sich mit den Jahren die Einstellungen zu manchen Sachen ändern .... (grübel) ... Nein, ich habe heute nicht den Kopf, mir dazu tiefgründig Gedanken zu machen. Der Tag ist so gut wie gelaufen. Etwas lethargisch sitze ich vorm Computer. Ich schnupperte die Frühlingsluft und jagte ein paar Wollmäuse. Die Wäsche wird dann auch bald fertig sein. Und vielleicht ergibt sich noch das ein oder andere Wort im Internet (z.B.
Nubivagant).
Sie fragte, seit wann ich wieder da sei. Ihre Stimme klang ängstlich überreizt. „Wie soll ich dich erreichen, wenn es mir schlecht geht?“ Ich verwies auf meine Handynummer. „Aber Papa wird es gar nicht schaffen, die Nummer zu wählen.“ Ich überlegte. „Wenn es dir schlecht geht, kann ich doch auch nicht helfen“, sagte ich, „wenn ich unterwegs bin. Dann müsst ihr den Notarzt rufen, 112."
„Du bist überhaupt schlecht zu erreichen. Du nimmst gar nicht ab, auch wenn du zuhause bist ...“ Sie sagte dies nicht anklagend, eher gequält. Ich widersprach.
Sie erzählte, dass es ihr nervlich nicht gut ginge, dass sie in einer Nacht tatsächlich den Arzt rufen musste, weil sie Herzattacken hatte und Angst bis hin zur Panik. Ich dachte: Wie früher. Und sagte: „Das ist die Belastung mit Papa.“ „Ja“, meinte sie. Ich lenkte das Gespräch auf meine Reisen nach Kärnten. Sie bedankte sich für die Postkarten und fragte nach. Eine Frau habe ich dort kennengelernt, berichtete ich; ja, es sei eine ganze Strecke zu fahren mit der Bahn, aber die Liebe; ich werde schon Fünfzig dieses Jahr, ich wolle endlich auch einen Hafen …; und ja, es sei sehr schön in Kärnten. Ich hatte ein schlechtes Gewissen, dass ich mich so lange nicht bei meinen Eltern meldete. „Entschuldige“, sagte ich und fügte heiter hinzu: „Ich hatte wohl anderes im Kopf ...“ Die Stimme meiner Mutter klang leichter, als wir uns verabschiedeten. Die ersten Bewohner, die ich am Abend ins Bett lege, klingelten bereits. Nachdem ich, bevor ich zum Nachtdienst aufbrach, die schriftliche Aufforderung meiner Mutter im Briefkasten vorfand, mich doch bitte zu melden, hatte ich keine Ruhe mehr und rief sie nach der Dienstübergabe vom Altenheim aus an. Wie soll das nur weitergehen mit meinen Eltern, dachte ich, als ich aufgelegt hatte. Es konnte schnell gehen, dass sie ohne Hilfe nicht mehr in ihrem Haus leben konnten. Was erwartete meine Mutter von mir? Sie war überfordert mit der Situation, - mit meinem demenzkranken Vater. Ihre altes Nervenleiden brach wieder hervor. Und diesmal würde mein Vater ihr nicht mehr beistehen können. Und ich? Ich spürte den Druck, das schlechte Gewissen; ich erinnerte mich, wie ich als Kind jahrelang unter der Krankheit meiner Mutter litt. Die ganzen seelischen Wunden drohten wieder aufzubrechen: der Jammer, das Unverständnis, die Ohnmacht des Kindes … Ich versteckte mich damals unter der Bettdecke, ich lief an den Wochenenden weg; ich verdrängte, was zuhause geschah, mit Süßigkeiten und Spielzeug.
Am Liebsten würde ich mich wieder verkriechen.
Die Bewohner klingelten. Ein hochbetagtes Ehepaar musste zu Bett gebracht werden. Sie saß im Sessel und jammerte: „Könnte ich doch sterben! Womit habe ich das verdient? Das ganze Leben war ich für andere da. Womit habe ich das verdient?“ Ich reichte ihr die Schmerztablette zur Nacht und half ihr beim Ausziehen. Was sollte ich sagen? Ich habe kein Mittel gegen Depressionen und Einsamkeit. Das Gejammere war nicht zum Aushalten. Es zerrte an mir wie eine Hyäne. Es war nicht zu ignorieren. Ich versuchte mich mit der Arbeit abzulenken - Routine. Zuhause saß meine Mutter und starrte auf das Telefon. Sie hatte Angst. Ihr Herz klopfte. Wenigstens scheint es dem Sohn gut zu gehen, dachte sie ...
Unruhig wie ein Raubtier im Käfig fühle ich mich. Die Nacht im Altenheim war passabel. Ich stehe wie meist am frühen Nachmittag auf, mache das Bett, mache mir einen Kaffee, schaue auf die Mails, schaue etwas fern. Ich wusste nicht, dass es Mode aus Milchfasern gibt. Schön weich sollen diese Kleider sein. Der Tag schaut milchig trübe zu mir herein. Nicht gerade anregend. Ein Lüftchen bewegt den zarten Frühlingsblätterwald. Beinahe unmerklich. Ich schalte den Ton des TVs ab, drehe dafür die Musik auf, auf Inspiration oder irgendein Zeichen wartend, vielleicht eine Mail. Zwei Wochen habe ich dienstfrei! Grund zur Freude. Aber ich kann mich nicht lösen. Ich bin gefangen in einer unruhigen Starre.
Seit einigen Tagen grassiert eine Scheiß- und Kotzwelle im Altenheim. Ich will es derart unverblümt ausdrücken: Der Geruch von Scheiße und Kotze hängt mir in der Nase, hängt mir in den Kleidern …
Jede Nacht kann ich auf Überraschungen gefasst sein. Ich überziehe Betten, wasche Bewohner, hebe Bewohner vom Boden auf, die auf ihrem Shiiit ausrutschten. Die Chefs kamen darum noch lange nicht auf den Gedanken, mir eine Beiwache zur Seite zu stellen. Hinzu kommt, dass inzwischen auch das Personal betroffen ist. Woher also das Personal nehmen, wenn nicht stehlen? Der Tagdienst pfeift längst auch aus dem letzten Loch.
Manchmal denke ich nur noch: Ich will hier raus! Die Verantwortung erdrückt mich. Ich kann den vielen Bewohnern nicht gerecht werden, - schon gar nicht, in solchen Ausnahmesituationen.
Ostern habe ich Gott sei Dank frei. Heute Abend die vorerst letzte Nacht.
Die Reisetasche dabei. Morgen Früh fährt mein Zug. Der Zug in eine neue Zukunft. Ich will den Scheiß hinter mir lassen. Ich will durchatmen. Ich will bei meiner Liebe ankommen.
Der Frühling ist da. Jetzt müssen wir ihn nur noch zelebrieren und pflegen. Und ich wünsche mir, dass etwas Wunderbares und Haltbares daraus wächst.
Allen Bloglesern schöne Ostern!
Was ist eigentlich der Mensch? (Vom geistigen Aspekt mal abgesehen.) Ein babbiger großer Zellhaufen, 70% Wasser. Das wird vor allem deutlich, wenn so ein Mensch unter die Räder kommt. Nicht weit vor meiner Haustür ist eine große Baustelle mit allerlei Baggern und Lastwagen. Solch ein Bagger würde mich gut platt machen … Was für morbide Gedanken am frühen Morgen. Morgen? Es ist 15 Uhr 30. Die Sonne scheint in meine Wohnung. Ich blinzele aus verschlafenen Augen und versuche die klebrige Masse, die sich mein Körper nennt, langsam in Form zu bringen. Die Erkältung ist zwar am Abklingen, aber in den Atemwegen sitzt hartnäckig der Schleim, und ich bin heiser. Nach zwei Nächten habe ich zwei Tage frei, um dann wieder zwei Nächte zu haben. Danach habe ich dann wieder zwei Tage frei und anschließend vier Nächte. Wie soll man sich bei dieser kaputten Diensteinteilung erholen, bzw. regenerieren? Was denken sich Vorgesetzte, die solche Dienstpläne schreiben? Nein, ich werde mich jetzt nicht mit den geistigen Aspekten menschlichen Lebens auseinandersetzen. Die physische Anwesenheit ist momentan deprimierend genug.
Die Kränk geht immer noch um. Ich bin nicht der einzige. Die Kollegen und Kolleginnen im Altenheim stöhnen bei jeder Krankmeldung auf. Es gibt keine Ressourcen, auf die man in solchen Fällen zurückgreifen kann. Die verbleibende Mitarbeiterschaft dreht am Rad, wenn nur ein oder zwei Leute ausfallen. Derweil sitzen die Chefs in ihren Büros und schreiben beschissene Dienstpläne. Ach so, ich wollte ja nicht nachdenken … Das macht nur mürbe. Ich ziehe den Schleim hoch und schlucke ihn runter. Runterschlucken und abwarten – ist die Devise. Es muss doch irgendwann besser werden.
Ich weiß, dass es besser wird. Ich freue mich auf Ostern. Dann werde ich einen weiblichen Zellhaufen besuchen, der mir in den letzten Wochen ungeheuer ans Herz wuchs. Ein großer Lichtblick! Jedenfalls ist es das wert, dass ich mich zusammenreiße. Andere haben noch viel mehr Mist am Hals. Ich werde mich dann mal unter die Dusche bewegen. Mal sehen, ob ich heute noch in den Tag finde.
„Es ist immer dasselbe“, sagt sie zu mir und lächelt müde. Ich flüchte auf die Station im oberen Stockwerk. Die Stationsleitung erscheint eine Stunde vor ihrem regulären Dienstanfang. Wenn sie zur Übergabe kommt, hat sie bereits alles mögliche vorbereitet, die Tropfen gerichtet und wenigstens einen Bewohner geduscht. Obwohl ich sie schon sehr lange kenne, regt mich ihre übermäßige Dienstbeflissenheit immer wieder auf, vor allem wenn sie dann auch noch schlecht gelaunt ist. Morgens nach einer durchwachten Nacht, wenn ich in Ruhe meine Eintragungen machen will, vertrage ich das nicht. Es macht ihr außerdem Freude, mir Fragen zu stellen, die ich gar nicht beantworten kann; oder sie schimpft über irgendwelche Unordentlichkeiten vor sich hin, weil eine Kaffeetasse am falschen Platz steht, oder weil … die Butter nicht draußen liegt. Sie findet immer etwas. Ganz schlimm wird es, wenn ich ihr sage, dass sich ein Kollege krank meldete. Dann weicht die letzte Farbe aus ihrem Gesicht. „Soll ich deinen Blutdruck messen?“ frage ich mitfühlend. Schon lange leidet sie unter Bluthochdruck und nimmt dagegen allerlei Pillen ein. Auf ihrer Nase und Stirn bilden sich Schweißperlen. Sie tut mir wirklich leid. Andererseits könnte ich sie auf den Mond schießen.
Wie gesagt, ich flüchte dann lieber auf die andere Station und komme erst zur Übergabe wieder runter. Inzwischen hat sich das Dienstzimmer gefüllt, und ich versuche zu Wort zu kommen. Wenn die Pflegedienstleitung dabei ist, ist es ziemlich aussichtslos. Ich schaue dann hilflos in die Runde und hoffe, dass eine der beiden Stationsleitungen sich meiner erbarmt und endlich die Übergabe entgegen nimmt. Die PDL (also die Pflegedienstleitung) hat das Wort. Sie gibt zu allem ihren Senf dazu. Ich schaue auf die Uhr. Endlich sehe ich eine Lücke und lege los. Ich rassele die wichtigen Sachen herunter und hoffe, dass ich nicht unterbrochen werde. Manchmal, wenn die PDL gutgelaunt ist, erinnert sie sich und die anderen daran, dass ich doch morgens auf den Bus müsse, und man sich deswegen mit dem Zwischenreden etwas zurückhalten solle. Sie selbst hält sich freilich nicht daran.
Endlich geschafft! Ich rufe ihnen „Tschüss“ zu und eile Richtung Umkleiden.
Dann die Treppen hinunter, vorbei an der Dönerbude. Leicht echauffiert erreiche ich die Bushaltestelle. Ein azurblauer Streifen am Horizont kündigt die Morgenröte an. Die Ereignisse der Nacht wirbeln noch durch meinen Kopf. Ich atme ein paarmal tief durch und schaue mich um.