Berlin

Dienstag, 28. April 2015

Hallo Berlin! Du hast einen Mitbürger mehr!


Der Umzug war harte Knochenarbeit und eine Nervenprobe mit einer galligen Helferin. Ich musste die Zähne zusammenbeißen, denn ich war abhängig von ihr. Sie fuhr den „Sprinter“. Wir kriegten gar nicht alles in den Laderaum, so dass ich ein paar Möbelstücke zurücklassen musste.
Die Fahrt verlief im Großen und Ganzen reibungslos. Im Frankenwald hatten wir starken Regen und schlechte Sicht. Gut sieben Stunden dauerte die Fahrt. Am Ziel erwartete uns O.. Es war inzwischen nach 21 Uhr und dunkel. Das Ausladen verlief schnell. Zwei zusätzliche Arme packten mit an.
Die Umzugshelferin machte sich mit dem „Sprinter“ auf den Rückweg. Vorher hatten wir noch eine Auseinandersetzung wegen der Bezahlung. „Da hätte ich auch die Profis nehmen können“, sagte ich, „und hätte es bequemer gehabt!“ Sie keifte herum und presste aus mir noch ein paar Scheine heraus. „Gute Nacht! Und gute Fahrt!“ rief ich ihr nach. O. beruhigte mich. Wir waren wieder zusammen, was die Hauptsache war.
Verschwitzt ging ich mit ihr Hand in Hand zur Bushaltestelle. Es war ganz schön kühl. In meinem Kopf wirbelte noch eine Weile alles durcheinander.

Sonntag, 26. April 2015

Der letzte Tag


Es muss immer einen letzten Tag geben. Für alles. Etliche Kartons voller Krempel stehen in der Wohnung verteilt. Wenn Tiere umziehen, haben sie es leichter. In den Pack-Pausen sitze ich am Schreibtisch, schaue etwas TV. Die Wiederholung des Boxkampfes Wladimir Klitschko gegen Jennings. Ich zappe hin und her. Auf dem Doku-Kanal geht es um Astronomie. Ich mag Dokus über die Entstehung des Universums, des Sonnensystems und seiner Planeten. Es ist einfach unglaublich, in was für einer Welt wir leben. Nur gibt es dazu von wissenschaftlicher Seite in den letzten Jahren nichts Neues. Ich warte immer darauf, dass ich etwas höre, was ich dazu noch nicht weiß. Ich zappe zurück zum Boxkampf. Klitschko gewann mal wieder. Ein Zwölfrundensieg. Der Weltmeister ist nicht wirklich zufrieden. Ich frage mich, warum er überhaupt noch in den Ring steigt und seine Gesundheit aufs Spiel setzt, wo er doch sicher vielfacher Millionär ist. Aber vielleicht braucht er diese Herausforderungen für sein Glück. Seine hübsche Partnerin bejubelt ihn. Sie wird zwischendurch von der Kamera eingeblendet.
Ich versuche zusammenzubringen, was unglaublich weit auseinander liegt: All diese Wirklichkeiten, die unterschiedlichen Vorstellungen vom Dasein und der Welt, unsere unterschiedlichen Träume und Wünsche.
Ich sitze vor den Umzugskartons. Es geht um 623 Kilometer. Ich druckte die Route für meine Umzugshelferin aus, die den Transporter fahren wird. Die Fenster sind geöffnet. Ein Lüftchen geht. Neben dem TV höre ich Vogelgezwitscher von draußen. Die Sonne scheint. 14 Uhr treffe ich mich ein letztes Mal mit meinem Noch-Vermieter. Kurzfristig habe ich drei Vermieter. Irgendwie irre, finde ich.
Meine hübsche Partnerin wartet auf mich in Berlin. Allein für sie würden sich alle Anstrengungen der Welt lohnen.

Donnerstag, 23. April 2015

Auf geht`s


Die Bücher sind nun alle in den Kartons. Im Regal sehen sie nicht so schwer aus – und auch nicht so staubig! In drei Tagen will ich umziehen. Es wird ziemlich schweißtreibend. Was sich alles in einer Zweizimmerwohnung verteilt, dabei mistete ich schon aus. Alleine das Beladen des Transporters wird seine Zeit dauern. Wir sind nur zu Zweit mit einem Sackkarren.

Ich kehrte aus Berlin zurück und holte mir gleich am ersten Tag einen Sonnenbrand auf dem Fahrrad. Die Natur ist an der Bergstraße bereits weiter. Bäume und Büsche stehen in voller Blüte, dass es eine Pracht ist. Ich radelte über die Felder in die Stadt, wie ich es zig mal jedes Jahr machte. Ein komisches Gefühl beschlich mich. Sehr bald werde ich für lange Zeit weg sein – möglicherweise für immer. Viele Erinnerungen aus den letzten zwei Jahrzehnten tauchten vor meinem geistigen Auge auf.
Der Notarztwagen fährt unter Sirenengeheul die Straße hoch Richtung Altenheim...
Ich schaue aus dem Fenster auf das frische Grün der Bäume. Noch kann man hindurch auf die Fahrbahn blicken. Was erlebte ich nicht alles als Nachtwache im Pflegeheim! Manchmal denke ich, dass mir die Alten fehlen.

Mein Herz ist in Berlin bei meiner Liebe. Dort liegt meine Zukunft. Die Triebe leiten uns – ganz wie in der Natur. Wir wollen zusammen sein! Ich kann mir keinen besseren Grund für den Umzug vorstellen.
Die ersten Berührungsängste vor der Großstadt verflüchtigten sich längst. Berlin ist gar nicht so groß, wie es aussieht... Und die Menschen sind nicht anders als überall. Es gibt eben alle Sorten.

Drei Tage bleiben, um Abschied zu nehmen. Quasi nebenbei. Viele soziale Kontakte hatte ich hier nicht außerhalb des Altenheims. Ich hinterlasse nicht viele Spuren.











Montag, 20. April 2015

Gestern im Tierpark



















große und kleine Tiere

Freitag, 17. April 2015

Anlauf


Durch das offene Fenster klingt Trompetenspiel. Wahrscheinlich vom Friedhof auf der anderen Seite der Straße. Wir frühstückten, und O. verschwindet gleich an die Uni wie jeden Wochentag.
Am Nachmittag treffen wir uns zu Sangria am Hackschen Markt. Der Himmel hängt voller schmutziger Wattebäusche. Der Wind ist kühl. Ich denke an den nahenden Umzug. Nächste Woche fahre ich zurück. Dann soll alles möglichst schnell über die Bühne gehen. Es fühlt sich ein wenig wie Reisefieber an. Was wird aus mir in Berlin werden? Werde ich die alte Heimat vermissen? Meine Eltern liegen dort begraben, - ebenso meine Kindheit und Jugend, meine vergeblichen Versuche erwachsen zu werden. Ich brauchte einigen Anlauf für diesen Schritt oder vielmehr Sprung. Wobei es keine Garantie für eine glückliche Landung gibt.
Ich schaue auf den Himmel, der sich vollständig zuzog. Düster wurde es. O. hätte besser einen Schirm mitgenommen...

Dienstag, 14. April 2015

Die Bäume schlagen aus


Noch ein paar warme, sonnige Tage, und es geht ganz schnell. Man kann förmlich zusehen, wie alles sprießt. Der Frühling zaubert über Nacht grüne Triebe hervor. Ein Blütenmeer breitet sich über die Stadt aus. Ich habe das Gefühl, dass sogar meine Fingernägel und Haare schneller wachsen.
Nicht gerade die beste Zeit für überempfindliche, neurasthenische Naturen. Ich halte mich für relativ robust, spüre aber auch Ansätze von Mattheit und der sogenannten Frühjahrsmüdigkeit.
Wenn die Sonne sich zeigt, füllen sich sogleich die Grünflächen der Parks, die Gartenlokale, Biergärten und die Uferwiesen der Spree und des Landwehrkanals mit unzähligen Menschen. Alle zieht es nach draußen. Stundenlang könnte ich dasitzen und dem Treiben zusehen, Menschenstudien anstellen, mich über die Vielfalt der Gestalten wundern – über einige besonders. Die Zusammenstellung ist so bunt und skurril wie die Natur selbst...








Freitag, 10. April 2015

Bombay Sapphire


Der Vermieter, bei dem wir bis Ende April zur Untermiete wohnen, ist von Kambodscha zurück. Er holte seine Post ab. Ich war alleine in der Wohnung. „Komisches Gefühl“, sagte er, nachdem ich ihn hereingebeten hatte, „wenn man in seiner eigenen Wohnung zu Gast ist.“ Er untervermietete zum ersten Mal. Das Geld konnte er sicher gut gebrauchen, um den Flug zu finanzieren. Er wirkte zurückhaltend und nett. Wir hatten uns bisher nur telefonisch und per Mail kennengelernt. Wir plauderten über dies und das und seinen Kambodscha-Aufenthalt, um die Atmosphäre aufzulockern. Die Tüten mit den Bierdosen hatte ich vorher aus dem Sichtfeld geräumt und auch etwas Staub gewischt, schließlich noch den Gin zurück in seine Hausbar gestellt. Auf die schaute er zuerst, und ich meinte scherzhaft, dass ich noch nicht alles geschafft hätte. Darauf er lächelnd: „Dafür habe ich ja die Kaution.“
Wie die Vandalen hausten wir sowieso nicht. Ich erzählte ihm von der Beschwerde der Nachbarin aus der Wohnung darunter. „Lassen Sie sich dadurch nur nicht verärgern,“ wiederholte er mehrmals beschwichtigend, „das soll Ihren Aufenthalt hier nicht trüben.“
Ich wusste, dass er Jura studierte und gerade an seiner Examensarbeit saß. So sah er auch aus – typisch Student, Anfang Dreißig. Bis wir ausziehen, wohnt er bei seiner Freundin in Neukölln. Vielleicht würde er nochmal vorbeikommen, um einige Studienunterlagen zu holen; „natürlich kündige ich mich vorher an“, sagte er, „und richten Sie bitte einen herzlichen Gruß von mir an Ihre Freundin aus!“ Wir verabschiedeten uns.
Wenn ich an unsere Begegnung denke, sehe ich vor allem seinen üppigen aber gepflegten Vollbart vor mir. Solche Bärte scheinen gerade unter jungen Leuten seit einiger Zeit Konjunktur zu haben - nicht nur bei Salafisten oder Langzeitstudenten. Wahrscheinlich wollen die Milchbubis dieser Welt damit ihre Männlichkeit unterstreichen. Wie dem auch sei, ich fand den Vermieter recht sympathisch. Inzwischen kaufte ich zwei Flaschen Gin nach. Er hat eine teure Sorte in seiner Hausbar. „Bombay Sapphire“. Mal ausrechnen, wie viele Flaschen ich davon für die Kaution kaufen kann.

Mittwoch, 8. April 2015

Eintauchen


Die dritte Woche in Berlin. Ein Stück Alltag kehrt ein. Die Wege und Orte vertraut, wo man immer wieder auftaucht – aus Zweckmäßigkeit oder Gewohnheit. Jeden Tag gewinne ich mehr Orientierung in dem Wirrwarr der Namen von Straßen und Plätzen. Der Körper der Stadt ist groß aber nicht endlos. Die Typen von Menschen, die sich überall ähneln im Aussehen und Gehabe. Auch die Häuser, Parks, Straßenecken, Kneipen und Restaurants gleichen sich vielerorts. Die Stadt als großer Irrgarten. Würde man alle Ähnlichkeiten aus Berlin herauskürzen, was bliebe übrig?
Der nie abreisende Strom der Autos auf den Straßen unterstreicht das funktionierende Tohuwabohu. Der städtische Riesenorganismus breitet sich wie ein Pilzgeflecht nach allen Seiten aus. Was machen wir Menschen hier? Alles ist Selbstzweck, um dem Dasein seine Aufwartung zu machen. Der Sinn dahinter ein Mirakel. Träumen und leben, lieben und geliebt werden. In den Millionen Augenpaaren spiegelt sich die gleiche Sehnsucht... und Traurigkeit. Immer auf der Suche nach Plätzen, die gefallen, - auf der Suche nach Bedeutung. Im Schicksal sind wir alle Brüder und Schwestern. Berlin oder nicht Berlin. Egal wo. Die ganze Welt ist ein Berlin.





Freitag, 3. April 2015

Wird schon schiefgehen


Wir haben die Wohnung! Nun muss ich irgendwie meinen Umzug regeln. Für Ende April. Dann Anmelden im Bürgerbüro. Termine dafür gibt es erst Ende Mai. Ich machte bereits online einen aus. Im Bürgeramt Heiligensee. Am Arsch der Welt. In den Berliner Bürgerämtern ist der Teufel los. Ich hasse Ämter. Alle Sorten. Ans Arbeitsamt darf ich gar nicht denken... Das wird auch noch was werden!

Der Karfreitag ist grau und kalt. Ich meine, die Großstadt leise stöhnen zu hören. Die Feiertagsträgheit liegt bleiern in der Luft. Die Birken vorm Fenster wiegen sich im Wind. Wir werden Spazierengehen und heute Abend in der Pizzeria gegenüber den Wohnungserfolg feiern. Ich fühle mich wie ein Kind vor Weihnachten, das ungeduldig auf sein Geschenk wartet. Nur das Drumherum wird noch ziemlich anstrengend. An was man alles bei einem Umzug denken soll.
Wird schon schiefgehen...

Allen Bloggern, insbesondere den Berlinern, frohe Ostern!

Dienstag, 31. März 2015

Herumtrampeln, lautes Telefonieren und gewisse andere Geräusche


Ich wunderte mich, als mir die Mutter bei der Schlüsselübergabe eine Packung Ohrstöpsel reichte. Die Mieter über uns würden ihren Sohn oft stören. Es gäbe da einen Pflegefall. Und gerade jetzt, wo er an seiner Examensarbeit säße, wäre er sehr empfindlich. Dass man in einem Gebäude mit vielen Mietparteien die ein oder anderen Geräusche aus den Nachbarwohnungen hört, halte ich für völlig normal. Die Ohrstöpsel benötigten wir bisher auch nicht. Stattdessen klingelte es vor wenigen Tagen an unserer Wohnungstür. „Ich wohne unter Ihnen“, sagte die alte, grauhaarige Frau, „und möchte mich über den Lärm beschweren...“ Angeblich trampelten wir in der Wohnung herum, und außerdem hörte sie auch noch gewisse andere Geräusche, „Sie müssen wissen, dass das Haus sehr hellhörig ist.“ Ich war von der Beschwerde peinlich berührt. Mir war wirklich nicht bewusst, dass wir einen solchen Krach veranstalteten – zumal wir die meiste Zeit des Tages in Berlin unterwegs waren. „Tut mir leid“, sagte ich verdattert.
Gestern saßen wir im Büro der Wohnungsgenossenschaft, das sich nur wenige Meter schräg gegenüber befindet. Meine Partnerin benötigte eine Bescheinigung fürs Rathaus, um sich anzumelden. „Da Sie schon mal da sind“, sagte die Dame von der Wohnungsgenossenschaft, „mir liegen Beschwerden über Sie wegen Ruhestörung vor. Es ist besser, wenn ich es Ihnen mündlich sagen kann...“ Sie wiederholte im Prinzip die Worte der alten Frau. Hinzu kam der Punkt angeblich lauter Telefonate. Ich spürte, wie mir das Blut in den Kopf schoss.
„Hören Sie, meine Partnerin und ich machen sicher keinen Lärm. Wir sind kaum im Haus!“
Beruhigen Sie sich. Ich gebe nur die Beschwerden weiter. Es ist eben sehr hellhörig dort.“
Eigentlich hatte ich die Dame noch auf unsere Wohnungssuche ansprechen wollen, aber nach diesen unverschämten Unterstellungen und die Art und Weise ihres Vortrags, wollte ich nur noch so schnell wie möglich das Büro verlassen. Diese Anspielungen auf den Lärm bei unserem Liebesspiel war die Krönung! Meine Ohren glühten, während die unsympathische Dame von der Wohnungsgenossenschaft wiederholte: „Ich gebe nur weiter, was mir gesagt wurde. Das Haus ist eben sehr hellhörig...vielleicht können Sie die wenigen Wochen, die Sie dort wohnen, die Lautstärke reduzieren...“
„Ich will sicher niemanden verärgern!“ sagte ich im Gehen, „Tschüss!“
Der Wind blies uns kalt entgegen auf dem Weg zur Bushaltestelle. Wir konnten nicht fassen, was wir gerade erlebt hatten.

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