Das Telefonat


Ich komme mir vor wie ein Tolpatsch. Nach einem Gewitter ist die Luft gereinigt. Es war aber ein Vulkanausbruch, und Schwefelschwaden liegen bedrückend über der Landschaft. Was habe ich getan?
Ein Fahrradausflug an den Neckar. Die Sonne knallte mir auf den Kopf. Ich schwitzte in den Jeans. Der Sommer war urplötzlich ausgebrochen. Eigentlich dachte ich an nichts Böses. Ich trat in die Pedalen und schwitzte und keuchte. Danach erfrischte ich mich mit Bier. Der Platz vor dem Kaffeehaus war voll. Ich saß einfach nur da und schaute auf die Menschen. Auf die Pärchen. Mir fehlten ihre Küsse. Ich war wie konsterniert. Ich hörte Musik vom iPod. Warum küssen sich andere Pärchen so wenig? Nur einmal sah ich eine junge Frau, die zärtlich ihren Partner an sich zog und küsste. Er ließ es sich gefallen, aber er erwiderte die Zärtlichkeit nicht. Er lächelte nur angetan. Von den Verheirateten ganz zu schweigen. Keine Sau küsste sich außer vielleicht zur Begrüßung. Wie oft wir uns dagegen küssten. Vielleicht weil wir noch frisch verliebt sind, dachte ich. Blödsinn, ich küsse immer gern. Wie sie mir fehlt. Meine Olivia. Der Abend dämmerte. Es war wie ein Zeitsprung in den Sommer. Er brüllte: Ich bin da! Und ich brüllte zurück: Betrug! Du foppst uns! Die Rockmusik tönte dazu in meinen Ohren. Morgen musste ich wieder in die Nachtwache. Morgen schon. Wo war ich eigentlich? War nicht etwas von mir zurück in den Bergen geblieben? Woher kam diese unbestimmte Angst? Die Sonne hatte meine Birne ganz schön durcheinander geknallt. Ich brauchte doch keine Angst zu haben. Das Bier betäubte.
Als ich die Talstraße hoch strampelte, schimpfte ich wie immer auf die Autos. Ob ich die Fertigstellung des Tunnels noch erlebe? Wohl kaum, wenn ich zu ihr ziehe. Ich keuchte und schwitzte. Der Abend war lau.
Wir hätten nicht telefonieren sollen. Ich dachte an nichts Böses. Urplötzlich brach es aus mir heraus. Wie fremdgesteuert. Warum konnte ich mich nicht zügeln? Sie bekam es ab. Sie hat das nicht verdient. Ich trampelte auf ihren Gefühlen herum. Wo war ich? Welcher Teufel ritt mich? Hätte ich nur in ihre Augen schauen können. Hätte ich sie nur küssen können.
Der Tag heute schweigt.






fata morgana - 29. Apr. 12, 13:29

...schwierige situation...ich kenne sie nur zu gut, allerdings von der anderen, der weiblichen seite her. du hast recht, kann man sich in die augen schauen, ist vieles anders, versteht man den gegenüber besser...und 'richtiger'...
meine spontanen gedanken und auch erfahrungen...die liebe wird es auffangen, verstehen, die liebe wird es tragen...
ich wünsche es dir, euch ganz sehr...!

bonanzaMARGOT - 29. Apr. 12, 13:33

das blöde ist, dass ich es besser wusste und trotzdem in die falle lief, - in die ego-falle.

ja, die liebe ist stark. auch wenn sie nicht alles auffangen kann. aber sie rafft sich auf. und das nächste mal soll es besser sein.
Lange-Weile - 29. Apr. 12, 16:18

Hängebrücke

Ein Sprücheklopfer...bin ich nicht, doch beim Lesen deines Beitrages kamen mir Worte in den Sinn, die ich vor ein paar Tagen gelesen und mir sogar notiert habe.


Für fast fast jeden von uns besteht das Leben aus einer Reihe von Hochs und Tiefs. Oft aber haben wir den Eindruck, dass die Tiefs überweigen. Nüchten betrachtet, dürfte jedoch klar werden, dass ein beständiges , dauerhaftes Glück offenbar im Leben nicht vorgesehen ist. Ausgegleichenheit vekörpert daher eine Situation, in der sie das Beste aus den Hochs machen können, ohne sich daran zu klammern. Tiefs können sie dann mit größerer Gelassenheit hinnehmen"
Die Paare, die du beobachtest hast, waen schon gelassen und zeigen sich entsprechend auch so. Sie haben die Brücke von dem Liebesrausch zur Liebe schon hinter sich gelassen, ihre Liebe hat bereits festen Boden unter den Füße, wogegen die Verliebtheit noch auf den Wolken schwebt und erst auf dem Boden landen muss um über die Brücke die Brücke geführt zu werden, die man Alltag nennt.

Es ist aber keine nomale Brücke, sondern eine Hängebrücke, dessen Halterungen von beiden gesichert wurden. Jetzt kommt es darauf an, wie sicher die Halterungen sind.
Sie sie tragfähig?
Halten sie Schwingungen aus?
Wieviel Schwingung erträgt der einzelne?
Ist der lockere Boden aus Bohlen trittfest ?
Oder fehlen ein paar Bohlen?
Wenn ja, wie groß ist die Öffnung ?
Kann man sie auch so überwinden?
Oder benötigt man Hilfe - gegenseitege Hilfe?
Ist die Hängebrücke für Sturm oder nur für Windstille gemacht?

LG LaWe

bonanzaMARGOT - 29. Apr. 12, 17:37

hallo lawe, ich weiß nicht, ob die pärchen, die ich beobachtete, alle schon die brücke vom liebesrausch zur liebe hinter sich hatten ...; wenn das bedeutet, dass man nur noch spärlich bis gar nicht zärtlichkeiten wie küsse austauscht - das ist `ne horrorvorstellung!
eine frau, die ich in einer halben stunde nicht ein mal küssen will, und von der ich nicht geküsst werde, mit der habe ich entweder krach, oder sie ist nicht meine freundin. nun ja. andere pärchen - andere sitten.

der alltag ist in der tat nicht immer anturnend, und man muss ihn trotzdem bewältigen. umso wichtiger ist doch aber der austausch von zärtlichkeiten - oder nicht?
Lange-Weile - 29. Apr. 12, 22:22

Ungeteilte Aufmerksamkeit

Hallo Bo.,

oh nein ....so sollten meine Worte nicht verstanden werden. Die Küsse werden weiterhin ausgestauscht - jedoch weniger in der Öffentlichkeit und manchmal sogar zwischen Tür und Angel. Das ist ja das bewegende und rührende, wenn ein Paar in der Hektik ihres Lebens, besonders wenn die Familie im Aufbau ist und beruflich auf den Aufschwung hin gearbeitet wird. immer wieder diesen einen besondeen Moment findet.
Anfangs ist es immer anders - eben intensiver, was die Intensität betrifft.

Vor Jahren machte ich einen WE-Kurs. Wir Teilnehmer waren für 2 gute Tage zusammen und tasuchten uns über die eine oderandere Privatsache so aus. Wie es so ist,wenn man auf fremde Menschen trifft. Einer von ihnen erzählte, das seine Frau ein Ritual eingeführt hatte. Wenn er abends nach Hause kam wurde er von seiner Frau 5 Minuten lang geknuddelt und geherzt. Sie nannte das Ritual "5 Minuten ungeteilte Aufmerksamkeit" Ich fand dieses Ritual bewundernswert, denn es stärkte die Verbindung zwischen beiden. Er sah alles andere als Adhonis aus und bekam doch so ein Goldstück als Frau.

Was die Nähe zum Partner betrifft - aus meinem persönlichem Erleben - bracuhte ich immer etwas Distanz. Doch Distanz schloss keine Innigkeit aus,, solange wir beide uns auf der selben Wellenlänge bewegten. Ob dies der Fall war, zeigte sich aber erst nach Monaten, denn am Anfang stand immer erst mal eine unstillbare Sehnsucht nach Berührung und Vereinigung. War diese Sehnscht erst gestillt, kam die Stunde der Wahrheit. Bisher erlebte ich nur einmal in meinem Leben dieses Gefühl von der selben Wellenlänge und diese war keinesfalls von Harmonie geprägt. Ganz im Gegenteil. je intensiver mein Bedürfnis nach gemeinsamer Zukunft bestand, je kitischer sah ich mein Gegenüber und fragte mich "Willst du dies und das ein Leben lang ertragen, aushalten oder mitmachen? " Dabei war es egal, worum es ging. Anfangs sahen wir nur unsere Gemeinsamkeiten, später nur das, was anders war und uns trennte. Erst mit dieser Erkenntnis von beiden Teilen war eine Anpasung möglich....

Leider hab ich es nur auf 15 gemeinsame Jahre gebracht - mehr war für mich wohl nicht vorgesehen. Ich denke, dass grade das Zusammenraufen eine Beziehung festigt und stärkt.

LG LaWe

PS: Ich hoffe die erste Nachtschicht ist relativ ruhig verlaufen

bonanzaMARGOT - 30. Apr. 12, 17:04

danke lawe, die erste nachtschicht verlief insgesamt recht ruhig.

mir jedenfalls wären das zu wenige zärtlichkeiten und küsse, wie ich es bei den pärchen vorm kaffeehaus beobachtete.
jeder macht`s halt anders. und das ist gut so.
natürlich brauche ich zwischendurch auch die distanz ...

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