Wir sind Kohl
Da begeht einer seinen 80 sten, heute öffentlich, er führte 16 Jahre die Republik und ging als Kanzler der Deutschen Einheit in die Geschichte ein. Wenn ich diesen Menschen, alt und gebrechlich geworden, in der ersten Reihe sitzen sehe, habe ich Mitleid mit ihm, wie ich mit jedem meiner Altenbewohner(innen) Mitleid empfinde, weil ich jenseits von allem, was als böse oder gut gilt, einfach das Menschliche sehe.
Ich gönne ihm diese Feierlichkeiten, weil er sie, glaube ich, sehr genießt. Genau genommen werden die Grabreden und Lobhudeleien vorweggenommen. Nein, ich meine das nur halb zynisch, Herr Kohl. Sie wurden ein großer Mann der deutschen Geschichte, weil sie 4x die Wahlen gewannen. Ich wählte Sie nicht. Ich wählte auch Angela Merkel nicht. Durch Ihre Person und Kanzlerschaft wurde mir ... bewusst, wie es mit der deutschen Volksseele bestellt ist. Leidvoll erkannte ich, dass ich in meiner Heimat ewig zu den Verlierern gehören werde, weil die Mehrheit in diesem Land einfach anders tickt (ich ticke da irgendwie falsch). In den Siebzigern war Willy Brandt mein politischer Held, weil er sich nicht verbiegen ließ. In den Achtzigern war ich für Die Grünen, weil sie für mehr Umweltbewusstsein und Gerechtigkeit stritten. Helden sehe ich schon lange nicht mehr in der Politik. Aber ich hoffe, dass Die Linke sich etabliert und als Gegengewicht zu den kapitalistischen und konservativen Kräften peu à peu an Statur gewinnt.
Ich habe wenig Ahnung vom politischen Geschäft, aber was ich als durchschnittlich gebildeter Bürger über die Medien mitbekomme, lässt mich schaudern. Es bleibt nach wie vor das Gefühl, dass wir an der Nase herumgeführt werden. Vier Amtsperioden lang fühlte ich mich damals als Mensch und Bürger Deutschlands nicht repräsentiert - es war ein elendes Gefühl der Ohnmacht. 1983 durfte ich zum ersten Mal meine Stimme abgeben. Das Wählen wurde mir sehr früh vergällt. Wir reden heute von zunehmender Politikverdrossenheit - sehr geehrter Herr Kohl, für die Politikverdrossenheit, vor allem der jüngeren Generationen, tragen Sie die Verantwortung! Noch in den Siebzigern gab es gesellschaftsübergreifend ein größeres politisches Interesse als heute. Inzwischen sind wir müde, und Angela Merkel repräsentiert schon optisch diese Müdigkeit.
Aber, wie gesagt, Herr Kohl, Sie wurden gewählt! Meine Heimat ist Spießerland geblieben. Der Geist der 68 er ist heute kaum noch erkennbar. Die Grünen wurden immer schwärzer. Die SPD zahlt bitter dafür, dass sie die Kleinen Leute im Stich ließ. Und die CDU war für mich schon immer die Partei der Ewiggestrigen, welche sagt: "Solange du die Füße unter meinen Tisch streckst ..." Kein Wunder, dass sie (normalerweise) mit der katholischen Kirche gut kann: Oberflächlichkeit und Materialismus werden gelebt, während man Werte wie Gerechtigkeit und Menschlichkeit vorheuchelt.
Alles Gute zum 80 sten, Herr Kohl! Ich gratuliere und verneige mich vor Ihnen. Es ist ihr Durchstehvermögen, vor dem ich Respekt habe. Sie sind für mich ein "Monster deutscher Politik", inzwischen durch Ihre Vergreisung harmlos und mitleidenswert erscheinend, doch damals in den aktiven Zeiten hätte ich Sie am Liebsten mitsamt Oggersheim auf den Mond geschossen (nun werden mich wahrscheinlich die Oggersheimer lynchen).
Helmut Kohl ist ein sehr kranker, alter Mann. Er hat seinen Auftritt - wahrscheinlich den letzten. Das Publikum klatscht. Ich schaue in die betroffenen Gesichter.
Kohl sagt: "Der liebe Gott hat es mit mir gut gemeint." Er redet aus seinem Leben. Es ist wahrscheinlich das Bedeutendste und Ehrlichste, was er jemals zu sagen hatte.
Ich muss das jetzt abschalten.
Ich weiß nicht, ob mir gleich schlecht wird vor Abscheu ... oder Rührung.
Ich gönne ihm diese Feierlichkeiten, weil er sie, glaube ich, sehr genießt. Genau genommen werden die Grabreden und Lobhudeleien vorweggenommen. Nein, ich meine das nur halb zynisch, Herr Kohl. Sie wurden ein großer Mann der deutschen Geschichte, weil sie 4x die Wahlen gewannen. Ich wählte Sie nicht. Ich wählte auch Angela Merkel nicht. Durch Ihre Person und Kanzlerschaft wurde mir ... bewusst, wie es mit der deutschen Volksseele bestellt ist. Leidvoll erkannte ich, dass ich in meiner Heimat ewig zu den Verlierern gehören werde, weil die Mehrheit in diesem Land einfach anders tickt (ich ticke da irgendwie falsch). In den Siebzigern war Willy Brandt mein politischer Held, weil er sich nicht verbiegen ließ. In den Achtzigern war ich für Die Grünen, weil sie für mehr Umweltbewusstsein und Gerechtigkeit stritten. Helden sehe ich schon lange nicht mehr in der Politik. Aber ich hoffe, dass Die Linke sich etabliert und als Gegengewicht zu den kapitalistischen und konservativen Kräften peu à peu an Statur gewinnt.
Ich habe wenig Ahnung vom politischen Geschäft, aber was ich als durchschnittlich gebildeter Bürger über die Medien mitbekomme, lässt mich schaudern. Es bleibt nach wie vor das Gefühl, dass wir an der Nase herumgeführt werden. Vier Amtsperioden lang fühlte ich mich damals als Mensch und Bürger Deutschlands nicht repräsentiert - es war ein elendes Gefühl der Ohnmacht. 1983 durfte ich zum ersten Mal meine Stimme abgeben. Das Wählen wurde mir sehr früh vergällt. Wir reden heute von zunehmender Politikverdrossenheit - sehr geehrter Herr Kohl, für die Politikverdrossenheit, vor allem der jüngeren Generationen, tragen Sie die Verantwortung! Noch in den Siebzigern gab es gesellschaftsübergreifend ein größeres politisches Interesse als heute. Inzwischen sind wir müde, und Angela Merkel repräsentiert schon optisch diese Müdigkeit.
Aber, wie gesagt, Herr Kohl, Sie wurden gewählt! Meine Heimat ist Spießerland geblieben. Der Geist der 68 er ist heute kaum noch erkennbar. Die Grünen wurden immer schwärzer. Die SPD zahlt bitter dafür, dass sie die Kleinen Leute im Stich ließ. Und die CDU war für mich schon immer die Partei der Ewiggestrigen, welche sagt: "Solange du die Füße unter meinen Tisch streckst ..." Kein Wunder, dass sie (normalerweise) mit der katholischen Kirche gut kann: Oberflächlichkeit und Materialismus werden gelebt, während man Werte wie Gerechtigkeit und Menschlichkeit vorheuchelt.
Alles Gute zum 80 sten, Herr Kohl! Ich gratuliere und verneige mich vor Ihnen. Es ist ihr Durchstehvermögen, vor dem ich Respekt habe. Sie sind für mich ein "Monster deutscher Politik", inzwischen durch Ihre Vergreisung harmlos und mitleidenswert erscheinend, doch damals in den aktiven Zeiten hätte ich Sie am Liebsten mitsamt Oggersheim auf den Mond geschossen (nun werden mich wahrscheinlich die Oggersheimer lynchen).
Helmut Kohl ist ein sehr kranker, alter Mann. Er hat seinen Auftritt - wahrscheinlich den letzten. Das Publikum klatscht. Ich schaue in die betroffenen Gesichter.
Kohl sagt: "Der liebe Gott hat es mit mir gut gemeint." Er redet aus seinem Leben. Es ist wahrscheinlich das Bedeutendste und Ehrlichste, was er jemals zu sagen hatte.
Ich muss das jetzt abschalten.
Ich weiß nicht, ob mir gleich schlecht wird vor Abscheu ... oder Rührung.
bonanzaMARGOT
- 05. Mai. 10, 15:00
- Sonstiges zur Diskussion
Jäger und Gejagte
ich sah ihn mit dem selben Gefühl wie du, als er ins Mikro sprach. Seine Worte waren nur noch mäßig geformt und ich vernahm daher eher noch ein Lallen, als fließende Sätze.
Oh mein Gott, was ist der Mann alt geworden und ich hätte lieber weg geschaut. Zum Glück sah ich nur einen kurzen Bericht einer Nachrichtensendung. Doch dieser Auftritt in der Öffentlichkeit wird sicher in meiner Erinnerung bleiben.
Ja...die CDU ist konservativ und die SPDler pendeln gern zwischen rot und schwarz und hängen die Fahne in den Wind der Macht. Ob sie je aus dem Zwiespalt kommen werden ?
Und die Grünen - wenn man bedenkt, wie abgrenzend zur Macht damals ihr äußerliches Auftreten war - haben sich auch schon an die Mächtigen geschmiegt.
Aber alle zusammen spiegeln sie die Zusammensetzung der Bevölkerung wieder und auch wenn wir mit Ihnen ideell nichts gemeinsam haben, so ist es doch das Land, in dem wir gemeinsam leben. Alle unter einen Dach und alle müssen sich vertragen und miteinander auskommen.
Wir leben in einer Kapitalgesellschaft und da regiert nun mal das Kapital. Karl Marx hat seine Mechnismen ausgiebig untersucht und was da raus kam, war alles andere als Menschlichkeit und Gerechtigkeit.
Vielleicht erleben wir ja noch eine Revolution, die alles wieder zum umwälzen bringt und wer wird dann das Zepter in die Hand bekommen?
Wenn ich mir die Entwicklungen des 20 Jahrhunderts so anschaue, sah in meinen Augen bis heute das Gesellschaftsspiel der Macht immer gleich aus - ein endloses Wechselspiell von Jäger und Gejagte. Zwischen ihnen wurde das Zepter der Macht immer wieder hin und her gereicht.
Gruß LaWe
die politiker orientieren sich früher oder später an der macht, und dann heulen sie mit den wölfen - also mit den mächtigen in wirtschaft, medien und kultur.
der kleine mann ist gut als sündenbock und um das portemonnaie aufzumachen, und natürlich für die abgabe des stimmzettels alle paar jahre. vorher wird er von schleimigen typen wie westerwelle und koch hofiert - die machen dann ihre versprechungen, die niemals zu halten sind.
dummerweise läßt der kleine mann ziemlich viel mit sich machen, und er fällt das eine ums andere mal auf diese parteifunktionäre und demagogen herein.
als soldat läßt er sich in kriegen, mit denen er eigentlich nichts am hut hat, verheizen, und als arbeiter wird er ausgebeutet, damit die manager und bankleute noch fetter und selbstgefälliger werden.
von den politikern darf er dann hören, wie gut es ihm doch geht! ja, tatsächlich im weltweiten vergleich geht es ihm in deutschland gut. die wirtschaftsbosse erpressen regierung und bürger(innen) regelmäßig mit dem globalisierungsdruck, während sie sich wahrscheinlich untereinander ins fäustchen lachen. der kapitalismus ist obenauf wie selten zuvor; und niemand blickt da wirklich noch durch bei den ganzen verflechtungen der hochfinanz. der dschungel lebt! solange der kleine mann brav konsumiert, nicht aufmuckt und leuten wie koch, westerwelle (und damals kohl) seine stimme gibt, werde ich mich in diesem land nie richtig wohl fühlen.
trotzdem liebe ich land und leute ...; dieser zwiespalt ist manchmal schwer auszuhalten.
schwarzer Peter
nicht umsonst sagt man ja "Der kleine Mann ist immer dran" - das ist nicht nur ein Spruch, ich denke, dass ist eine alte Weisheit und die traf auf den DDR.ler in der Hochzeit der Gesellschaft. Gab es Murks zu vertuschen, waren die Mächtigen erfinderisch, wie sie die Karten mischen mußte, damit der kleine Mann immer den schwarzen Peter zog.
Vielleicht haben die Mächtigen im (Karten)Spiel zu viele schwarze Peter und wenn der kleine Mann dran ist, eine Karte zu ziehn, gibt es nur noch schwarzen Peter. Oder die Karten sind gezinkt, so dass den kleinen Mann es nie gelingen wird, ein Quartett zusammen zustellen, damit er ablegen kann, er schafft es maxiaml nur auf 3 Karten. Der kleine Mann ist demnach immer dran, wenn es darum geht, den schwarzen Peter zu ziehen.
Ja..ich glaube, so ist es - er sind zu viele getarnte schwarze Peter im Umlauf und er kleine Mann lebt nur von der Hoffnung, seine Blatt zu vervollständigen.
Wenn ich die Rangelei um die Randordnung bei den Kindern ansehe , liegt der Schwerpunkt fast immer auf "Ich will erster sein" und dafür sind sie Radikalen immer bereit, den anderen aus dem Weg zu schupsen. Wer Skrupel dabei hat, wird bis ans Ende der Schlage geschoben.
Ich denke, dass sich an dieser Methode nach vorn zu kommen nichts geändert hat, nur werden diese mit der Zeit subtiler
Gruß LaWe
ich spielte "schwarzer peter" das letzte mal mit einem freund in meiner kindheit. die sparkasse kaufte damals ihr grundstück auf, und die eltern konnten sich mit dem geld eine villa in guter lage kaufen.
wo wir damals schwarzer peter spielten, steht heute die große stadtsparkasse ...
meinem freund nutzte der geldsegen wenig. er arbeitete als gleisbauer bei der bundesbahn. wir trafen uns immer wieder mal in der stammkneipe. als die dann dicht machte und ich in eine andere stadt zog, verloren wir uns aus den augen. "henry" nannten wir ihn. wir spielten oft billard und tranken zusammen.
ob er noch lebt? henry gehört zu einem kapitel, einem lebensabschnitt von mir. mit dem erwähnen von dem kartenspiel "schwarzer peter" hast du mich in die vergangenheit geschickt, lawe ...