Auf Teufel komm raus
Eine meiner Ex-Freundinnen meinte vor vielen Jahren, ich sei ein Lebenskünstler. Das war im letzten Jahrtausend, als ich noch Zivi war. Sie war eine Arbeitskollegin und machte gerade ihre Altenpflege-Ausbildung. Sie trug ihre Haare im Pagenschnitt, blond. Ihr Name lautete wie eine warme Jahreszeit. Eine andere Arbeitskollegin brachte uns zusammen. Nach dem Spätdienst gingen wir ab und zu einen trinken. Und eines schönen Abends landete ich danach bei ihr im Bett. Sie wohnte noch bei den Eltern.
Ich mochte sie, weil sie mir gern zuhörte, wenn ich philosophisch wurde. Das wurde ich oft – vor allem nach ein paar Bier.
Ich war damals erst Mitte Zwanzig. Von Lebenskunst hatte ich keine Ahnung. Aber wer weiß schon, wie er in den Augen anderer Menschen wirkt. Über was wollte ich erzählen? Nein, nicht über das damalige Liebesverhältnis – sondern über Prokrastination. Obwohl ich sagen muss, dass mein legerer Umgang mit der Liebe schon was damit zu tun hat. Dabei war ich nie ein Aufreißer. Ich bin viel zu schüchtern im Umgang mit anderen Menschen, insbesondere bei der Annäherung zum anderen Geschlecht. Vielleicht schlitterte ich deswegen relativ schnell in Liebesbeziehungen. Weil es mir jedes Mal vorkam wie ein Wunder.
Was heißt eigentlich Lebenskünstler? Einer meiner Lieblingsfilme ist "The Big Lebowski" von den Coen Brüdern. Der Dude ist darin der Prototyp eines Lebenskünstlers. Er ist ein Original. Er will niemals mehr sein, als er ist. Aber auch nicht weniger. Es gibt zwei Lebowskis aber eben nur einen Dude. Alles fängt damit an, dass ihm aufgrund einer Verwechslung auf seinen Lieblingsteppich gepinkelt wird …
Inzwischen gibt es viele Typen auf der ganzen Welt, die den Dude nachahmen. Dabei vergessen sie, dass es nur ein Original geben kann. Diese Nachahmungen sind Scheißdreck!
Vielleicht bin ich wirklich so was wie ein Lebenskünstler, denn ich prokrastiniere gern. Genau genommen besteht mein ganzes Leben daraus. Ich wurschtelte mich so durch. Mit einem Minimum an Ehrgeiz. Ich wollte immer nur ich sein. Selbst wenn ich hier schreibe, verfolge ich keine Ambitionen. Es ist wie aufs Klo gehen. Es gehört einfach dazu, und ich versuche es für mich gut und vergnüglich herum zu bringen.
Inzwischen wurde ich älter, als ich dachte, dass ich werden würde, als ich Mitte Zwanzig darüber nachdachte. Ich verzeichne dies nicht als besonderen Erfolg, aber eben auch nicht als Misserfolg. Ich liebe die Menschen im Allgemeinen aber nicht immer im Besonderen. Besonders wenig mag ich Autofahrer und Kapitalisten. Und Hundebesitzer.
Manchmal mag ich mich selbst nicht. Was soll`s. Es ist doch kein Wunder. Niemals kommt man um sich herum. Es ist immer dieselbe Scheiße, und der Spiegel grinst einen an wie der Teufel persönlich.
Das Leben selbst ist doch nichts anderes als eine einzige, große Prokrastination – nämlich das Aufschieben des Todes. Warum soll ich mich dagegen auflehnen? Jeder Tag ist ein Geschenk, das sich selbst auspackt. Ich halte einfach nur durch.
bonanzaMARGOT
- 24. Sep. 13, 00:07
- Die Arschwischmaschine hat frei